Kooperationen zwischen schulischer und außerschulischer politischer Bildung
Mit Blick auf die Projektlandschaft der außerschulischen politischen Jugendbildung wird sichtbar, dass eine hohe Zahl von Trägern im Rahmen von Projekten sehr selbstverständlich mit Schulen kooperieren. Nach Schröder et al. sind 59 Prozent der Teilnehmer_innen von Maßnahmen der politischen Jugendbildung Schüler:innen, die gemeinsam mit der Schule geworben wurden. Schulen machen 25 Prozent aller Kooperationen der politischen Jugendbildung aus (vgl. Schröder et al. 2004). Manche Träger der außerschulischen politischen Jugendbildung, wie beispielsweise der NDC, sind sogar auf die Zusammenarbeit mit Schule spezialisiert.
Gleichwohl wird diese Perspektive der Zusammenarbeit im Rahmen der fachdidaktischen oder auch erziehungswissenschaftlichen oder soziologischen Forschung kaum in den Blick genommen. Die Transferstelle politische Bildung schreibt dazu in ihrem Jahresberich mit dem Titel "Gemeinsam stärker?": "Nicht verwunderlich war es, dass wir zum Thema Kooperationen zwischen Schulen und Partnern der außerschulischen politischen Bildung große Forschungslücken feststellten. Die meisten Studien beziehen sich ganz allgemein auf Kooperationen von Schule mit Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, viele davon auf Erfahrungen im Ganztag. Seit 2005 gibt es nur 28 Arbeiten direkt zur politischen Bildung. Dabei handelt es sich überwiegend um Projektevaluationen, die in der Regel keine Anhaltspunkte für Verallgemeinerungen bieten. Es gibt außerdem nur wenig Forschung aus Schulperspektive und überhaupt keine zu strukturellen Bedingungen oder fachlichen Positionen" (Transferstelle politische Bildung 2017: 5). Das ist überaus bedauerlich, denn trotz der Vielfalt an Kooperationserfahrungen im Feld ergeben sich bei der Zusammenarbeit von schulischen und außerschulischen Akteur:innen nicht unerhebliche Herausforderungen.
Literaturempfehlungen:
Transferstelle politische Bildung (2017): Gemeinsam stärker!? Kooperationen zischen außerschulischer politischer Bildung und Schule, Essen. online verfügbar
Ein wunderbarer Ausgangspunkt für die Recherche zu dieser Fragestellung, den wir auch für unser Dossier genutzt haben, ist der bereits erwähnt Jahresbericht der Transferstelle politische Bildung.
Schröder, Achim/ Balzter, Nadine/ Schroedter, Tommy (2004): Politische Jugendbildung auf dem Prüfstand, Weinheim/ München.
Eine der wichtigsten aber nicht speziell auf Kooperationsbeziehungen gerichtete Studien legte Schröder bereits 2004 vor. Sie ist deshalb so wichtig, weil sie sichtbar macht, wie wichtig die Kooperation mit Schule für die außerschulischen Bildungsträger ist.
Becker, Helle (2014): Partizipation von Schülerinnen und Schülern im GanzTag. In: Der GanzTag in NRW: Beiträge zur Qualitätsentwicklung. Im Auftrag des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW, Münster. 10. Jg., H. 27. online verfügbar
Deinet, Ulrich /Gumz, Heike /Muscutt, Christina /Thomas, Sophie (2018): Offene Ganztags- schule – Schule als Lebensort aus Sicht der Kinder. Studie, Bausteine, Methodenkoffer, Opladen.
Diese beiden Publikationen sind vor allem zum Thema Kooperationen im Ganztag relevant.
Chehata, Yasmine/ Thimmel, Andreas (2011): Politische Jugendbildung und Schule. Voraussetzungen und Wege gelingender Kooperation, Köln.
Zu der Frage, wann Kooperationen zwischen Schule und außerschulischer politischer Bildung gelingen, legen Chehata und Timmel 2011 eine Studie vor, die sichtbar macht, dass Kooperationen dann reibungsloser verlaufen, wenn außerschulische Partner:innen und Schulen sich in einer Art Dienstleistungsverhältnis zueinander verhalten, d.h. wenn die Defizite des einen (z.B. fehlendes methodisches oder fachliches Know-how oder fehlende (pädagogische) Räume) die Defizite des anderen (z.B. mangelnde Zielgruppenerreichung) kompensieren und auf diese Weise eine Win-Win-Situation entsteht. Die außerschulische Projektpartner:innen müssen in diesem Sinne - obwohl sie im Regelfall die notwendigen Ressourcen für die Bildungsangebote selbst mitbringen - gleichzeitig mit den schulischen Strukturen zurechtkommen und aufgeben, diese verändern zu wollen.
Stehr, Ilona /Möcklinghoff, Daniel /Meyer, Dana (2014): Revierversion 2.1. Wir mischen mit! Ein lebensweltorientiertes Partizipationsprojekt, Gelsenkirchen.
Zu ähnlichen Ergebnissen wie Chehata und Thimmel kommen auch Stehr, ;öcklinghoff und Meyer.
Wohnig, Alexander (2016): Kooperationen schaffen! Soziales Engagement und politische Bildung zwischen Schu- le und außerschulischer Bildungseinrichtung. In: Journal für politische Bildung. 6. Jg., H. 2, S. 58-64.
Die Erfahrungen aus dem von Stehr et al. untersuchten Projekt „RevierVersion 2.1“ zeigten, dass die Schulen den Projektideen aufgeschlossen und offen gegenüberstanden, solange die finanziellen und personellen Ressourcen von den außerschulischen Partnern bereitgestellt wurden. Wohnig beschreibt dieses Verständnis der Schule als „Arbeitsteilung durch Outsourcing“ (Wohnig 2016: 60). Die Träger:innen außerschulischer Bildung rechtfertigen laut der vorliegenden Literatur ihren Ressourceneinsatz mit dem Argument der Zielgruppenerreichung.
Brombach, Stephanie (2015): Politische Bildung in der Berufsschule und die Kooperation mit einer außerschulischen politischen Bildungseinrichtung. In: Götz, Michael/ Widmaier, Benedikt/ Wohnig, Alexander (Hrsg.): Soziales Engagement politisch denken. Chancen für Politische Bildung, Schwalbach/Ts., S. 53-61.
Grenzen von Kooperationsbeziehungen zwischen schulischen und auerschulischen Bildungsträgern werden in der Studie von Brombach gut sichtbar.
Gesemann, Frank (2012): Abschlussbericht zur Evaluation des Projekts Berufsbildende Träger und Schulen für Demokratie, Gleichwertigkeit und Pluralismus (RAA Berlin). online verfügbar
Ebenfalls auf Kooperationerfahrungen mit berufsbildenden Schulen schaut Gesemann.
Erben, Friedrun/ Waldmann, Klaus (Hrsg.) (2008): Lernziel Verantwortung. Politische Jugendbildung und Schule, Schwalbach/Ts.
Götz, Michael/ Wohnig, Alexander (2015): Chance(n) für die Politische Bildung. Denkansätze und Forderungen. In: Götz, Michael/ Widmaier, Benedikt/ Wohnig, Alexander (Hrsg.): Soziales Engagement politisch denken. Chancen für Politische Bildung, Schwalbach/Ts., S. 85-97.
Diese zwei Studien schauen spezieller auf Kooperationsbeziehungen in Bezug auf das Themenfeld Service Learning.
Fuhrmann, Brigitte (2016): Konsequent dialogische politische Bildung. Professionalisierungsfragen im Rahmen der Projektbegleitung „Dialog macht Schule“. In: Goll, Thomas/ Oberle, Monika/ Rappenglück, Stefan (Hrsg.): Herausforderung Migration. Perspektiven der politischen Bildung, Schwalbach/Ts., S. 108-114.
Der Artikel von Fuhrmann ist spannend, weil er spezieller auf Projekte aus dem Feld der Peer-Education-Ansätze auf das Themenfeld blickt.
Gemeinsame Intiative der Träger der Politischen Jugendbildung (GEMINI) (Hrsg.): TEAM UP! Außerschulische politische Jugendbildung in Kooperation mit Schule, Wuppertal. online verfügbar
Ganz neu erschienen ist eine Broschüre der GEMINI. Unter diesem Namen haben sich die bundesweit organisierten Träger politischer Jugendbildung zusammengeschlossen, darunter auch der Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben. Sie gibt einen Einblick in die aktuelle Situation der Zusammenarbeit zwischen der politischen Jugendbildung und Schulen und arbeitet zukünftige Potentiale heraus. Daneben werden konkrete Praxisbeispiele vorgestellt und kritisch Bedingungen für eine gute Kooperation formuliert. Die Broschüre richtet sich somit sowohl an politische Bildner:innen als auch an Lehrkräfte, Schulleitungen und politische Entscheider:innen.