Zum Verhältnis von Profession, Professionalität, Professionalisierung und Professionsverständnis in der politischen Bildung
Trotz diverser professionstheoretischer Ansätze in verwandten Feldern, fehlt es im Bereich der außerschulischen politischen Bildung diesbezüglich an Theoriebildung (Hufer / Richter 2013: 17). In einer Analyse verschiedenster professionstheoretischer Ansätze stellt Werner Helsper (2021: 121) zudem fest, „dass keiner der Ansätze alle Bereiche und Ebenen dessen, was Profession und Professionalität umfasst, gleichermaßen umfassend betrachtet”. Entsprechend schlägt er die Kombination verschiedener Ansätze zu einem Mehrebenenmodell vor, dass einerseits verschiedene theoretische Ebenen unterscheidet, aber es andererseits auch ermöglicht, sie zueinander in Beziehung zu setzen (ebd.: 133 f.). Helsper differenziert dabei eine gesellschaftstheoretische Makroebene, welche die „gesellschaftliche[…] Bedeutung von Professionen und professionellem Handeln” (ebd.: 133) sowie „die Einbindung von Professionen in Macht- und Herrschaftsstrukturen” (ebd.) in den Blick nimmt, von einer organisatorischen Ebene, die „organisatorische Einbindungen und Rahmungen professionellen Handelns in Organisationen und institutionalisierten Ablaufmustern” (ebd.) betrachtet. Darüber hinaus beschreibt er eine Mikroebene, die sich auf die konkreten interaktiven Handlungen der Professionellen fokussiert (vgl. ebd.), und die Subjektebene, welche „die Professionellen als Akteure im professionellen Handeln” (ebd.), ihr Wissen, ihre Kompetenzen und berufsbiographischen Entwicklungen betrachtet (ebd.).
Basierend auf diesen Erkenntnissen lassen sich die Begriffe Profession, Professionalität, Professionalisierung, Professionskontext und Professionsverständnis voneinander unterscheiden (siehe Abbildung 1). Auch wenn diese Begriffe dem Namen nach eindeutig in einem Zusammenhang stehen, ist „[d]ie Entkopplung [dieser] Konzepte […] notwendig, da die Begriffe selbst unterschiedliche Orientierungen verfolgen" (Liszt 2018: 52). Diese einzelnen Dimensionen sollen im Folgenden überblickshaft beschrieben werden:
Der Begriff „Profession” beschreibt eine „strukturtheoretische Perspektive” (Liszt 2018: 52), die bestimme Berufe aufgrund zusätzlicher Attribute als Professionen einordnet. „Unter einer Profession könnte man in einem ersten Definitionsversuch einen akademischen Beruf verstehen, der besonders ausgewiesen ist, weil er ein für die gesellschaftliche Reproduktion zentrales Problem bearbeitet und das hierzu erforderliche Wissen systematisch anwendet“ (Nittel 2000: 18). Ausgehend von dieser Minimaldefinition haben sich mittlerweile diverse professionssoziologische Theoriestränge herausgebildet (Breuer-Nyhsen 2018: 9). Allerdings entwickeln diese tendenziell eher starre, funktionalistische und indikatorische Konzepte von Profession, die für das dynamische und heterogene Feld der außerschulischen politischen Bildung wenig geeignet sind (Schmidt-Lauff / Lehmann 2012: 29). Daher erscheint es in diesem Bereich sinnvoller, sich „vom Ziel der Errichtung einer […] Profession nach dem Vorbild der klassischen Professionen” (Dinkelaker 2021: 195) abzuwenden und stattdessen eher die „spezifischen Anforderungen einer Professionalität des beruflichen Handelns” in den Blick zu nehmen (ebd.).
Als „handlungstheoretische Perspektive” (Liszt 2018: 52) umschreibt „Professionalität” in diesem Zusammenhang die persönlichen Voraussetzungen und Kompetenzen, über die Professionelle „verfügen [und] die sie in konkreten sozialen professionellen Situationen interaktiv zur Geltung zu bringen vermögen" (Helsper 2021: 56). Um die vielfältigen Merkmalsdimensionen von Professionalität möglichst umfassend abzubilden, kann das von Kunter / Baumert (2011: 32) entworfene Kompetenzmodell auf die außerschulische politische Bildung übertragen werden (siehe Abbildung 2). Dieses Modell identifiziert das Professionswissen in verschiedenen Bereichen als Kern professioneller Kompetenz. Darüber hinaus spielen aber auch die Überzeugungen und motivationalen Orientierungen der Professionellen sowie ihre Fähigkeiten zur Selbstregulation eine zentrale Rolle.
„Weil professionelles Handeln eben nicht auf Schema-F-Mustern und kausalen Rezepten beruht, sondern als komplexes soziales, sinnstrukturiertes interaktives Geschehen störanfällig, situativ und fallspezifisch gelagert und damit fragil ist, bleibt es für Scheitern und Fehler anfällig […]. Gerade dann aber erweist sich Professionalität im reflexiven Umgang und in der (selbst)kritischen kollegialen Auseinandersetzung mit diesen Fehlerquellen und Fehlerpotenzialen” (Helsper 2021: 56).
Zugleich definiert sich Professionalität darüber, dass das Handeln als professionell vom Gegenüber wahrgenommen wird (vgl. Kaupke 2019: 10). Professionalität als „Handlungsqualität” (Scheidig 2016: 307) beruht dementsprechend zwar auf bestimmten, erwerbbaren Kompetenzmerkmalen, muss aber immer wieder aufs Neue situativ hergestellt werden (Liszt 2018: 67).
„Professionalisierung” umschreibt in Abgrenzung dazu eine „prozesshafte Perspektive” (Liszt 2018: 52) mit zwei Dimensionen: Einerseits umfasst Professionalisierung auf individueller Ebene den persönlichen Qualifizierungsprozess, bei dem professionelle Handlungskompetenz entwickelt und dadurch Professionalität ermöglicht wird (Helsper 2021: 56 f.). Idealerweise sollten dabei die Herausbildung von Wissensbeständen und die Entwicklung eines professionellen Selbstbildes (Liszt 2018: 77) das Ergebnis eines interaktiven Professionalisierungsprozesses, d.h. durch die Interaktion und Verzahnung von Wissenschafts- und Praxisperspektiven, sein (Jütte / Walber 2012: 43 f.). Andererseits kann Professionalisierung auch auf kollektiver Ebene stattfinden. Während damit traditionell die Herausbildung einer Profession verbunden wurde, wird kollektive Professionalisierung mittlerweile eher als ergebnisoffener Prozess verstanden (Dinkelaker 2021: 146 f.), der u.a. machttheoretische Entwicklungen (z.B. Ausbau der Einflussmöglichkeiten, Steigerung des Einkommens und sozialen Status) und qualitätsorientierte Professionalisierung (z.B. Entwicklung von Qualitätsstandards oder einer Berufsethik) beinhaltet (Liszt 2018: 72). Gemeinsam können beide Dimensionen dazu beitragen, die Grundlagen für Professionalität bzw. die Professionswerdung zu schaffen und zu institutionalisieren (Helsper 2021: 56 f.).
Der Begriff „Professionskontext” umfasst die „gesellschaftlichen, institutionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen” (Helsper 2021: 56), die eine Handlungsbasis für alle anderen Dimensionen bilden, d.h. die Umgebung, in der eine Berufsgruppe, existiert, agiert und sich entwickelt. Dazu gehören u.a. generelle gesellschaftliche Rahmenbedingungen (z.B. Bevölkerungsstruktur oder kulturelle Infrastruktur), situative Bedingungen (z.B. sozialpolitische oder kommunalpolitische Maßnahmen), soziale und gesellschaftliche Anerkennung oder die Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten (Dinkelaker 2021: 16; Scheidig 2016: 309 f.; Zeuner 2013: 83).
Mit dem Begriff „Professionsverständnis” werden meist das berufliche Selbstverständnis bzw. konkret „die subjektiven Konstruktionen zur eigenen […] Berufsrolle und die Vorstellungen über […] angemessenes [fachliches] Handeln“ (Würfl / Schörner 2020: 187) gemeint. Etwas weiter interpretiert umfasst diese Dimension die subjektive Sicht, d.h. Vorstellungen, Wahrnehmungen und Überzeugungen, politischer Bildner:innen auf die anderen drei Dimensionen.
Literatur zur weiteren Vertiefung:
- Breuer-Nyhsen, Julia (2018): Professionsverständnis in der Sozialen Arbeit als Lehrinhalt in der Hochschulausbildung. Eine Untersuchung an der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Aachen. Masterthesis im Studiengang Soziale Arbeit, Studienschwerpunkt Bildung und Teilhabe. Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen.
- Baumert, Jürgen / Kunter, Mareike (2011): Das Kompetenzmodell von COACTIV. In: Kunter, Mareike / Baumert, Jürgen et. al. (Hrsg.): Professionelle Kompetenz von Lehrkräften: Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV (Waxmann), S. 29-53.
- Dinkelaker, Jörg (2021): Professionalität und Professionalisierung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. In: Dinkelaker, Jörg / Hugger, Kai-Uwe / Idel, Till-Sebastian / Schütz, Anna / Tünemann, Silvia (Hrsg.): Professionalität und Professionalisierung in pädagogischen Handlungsfeldern: Schule, Medienpädagogik, Erwachsenenbildung (Verlag Barbara Budrich). Opladen & Toronto, S. 141-203.
- Helsper, Werner (2021): Professionalität und Professionalisierung pädagogischen Handelns: Eine Einführung (Verlag Barbara Budrich). Opladen & Toronto.
- Hufer, Klaus-Peter / Richter, Dagmar (2013): Politische Bildung als Profession. Verständnisse und Forschung. In: Hufer, Klaus-Peter / Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung als Profession. Verständnisse und Forschungen. Perspektiven politischer Bildung (Bundeszentrale für Politische Bildung). Bonn, S. 13-19.
- Jütte, Wolfgang / Walber, Markus (2012): Interaktive Professionalisierungsszenarien in der Weiterbildung. In: Gruber, Elke / Wiesner, Gisela (Hrsg.): Erwachsenenpädagogische Kompetenzen stärken. Kompetenzbilanzierung für Weiterbildner/-innen (W. Bertelsmann Verlag). Bielefeld, S. 43-54.
- Kaupke, Christian (2019): Das Professionsverständnis in der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. Individuelle Lösungen versus einheitliche Standards (Studylab). München.
- Liszt, Verena (2018): Professionalisierung in der Erwachsenenbildung. Qualitative Untersuchung von Absolventen und Absolventinnen der Wirtschaftspädagogik (Springer). Wiesbaden.
- Scheidig, Falk (2016): Pädagogisches Personal und Professionsentwicklung. In: Hufer, Klaus-Peter / Lange, Dirk (Hrsg.): Handbuch politische Erwachsenenbildung (Wochenschau Verlag). Schwalbach/Ts., S. 303-312.
- Schmidt-Lauff, Sabine / Lehmann, Annika (2012): Entwicklungsstränge im Professionalisierungsverständnis – eine reflexive Positionierung zu gegenwärtigen Kompetenzbilanzierungsverfahren. In: Gruber, Elke / Wiesner, Gisela (Hrsg.): Erwachsenenpädagogische Kompetenzen stärken. Kompetenzbilanzierung für Weiterbildner/-innen (W. Bertelsmann Verlag). Bielefeld, S. 23-41.
- Würfl, Christine / Schörner, Barbara (2020): Professionsverständnis von Schulsozialarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe. Eine quantitative Analyse für Österreich. In: Österreichisches Jahrbuch der Sozialen Arbeit, S. 181-202.
- Zeuner, Christine (2013): Erwachsenenbildung und Profession. In: Hufer, Klaus-Peter / Richter, Dagmar (Hrsg.): Politische Bildung als Profession. Verständnisse und Forschungen. Perspektiven politischer Bildung (Bundeszentrale für Politische Bildung). Bonn, S. 81-96.