Forschungsschwerpunkte
Prof. Dr. Roswitha Böhm
Auf Spurensuche – Zur Literarisierung von Zeitgeschichte im europäischen Gegenwartsroman (Deutschland, Frankreich, Spanien)
Die zentrale Fragestellung dieses transdisziplinär orientierten Forschungsprojekts ist jene nach der Darstellung von Geschichte, Gedächtnis und Erinnerung im Medium der Literatur. Im Mittelpunkt der Untersuchung, die geschichtsphilosophische mit narratologischen Methoden verbindet, stehen hybride Gegenwartstexte spanischer, französischer und deutscher Autoren und Autorinnen, die sich mit den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts bzw. mit den Nachwirkungen dieser Epoche in der Jetztzeit auseinandersetzen. [Mehr]
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Inhaberin der Professur
NameProf. Dr. Roswitha Böhm
Prorektorin Universitätskultur seit August 2020
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Besuchsadresse:
W48, Raum 4.06 Wiener Straße 48
01219 Dresden
Postadresse:
Technische Universität Dresden
Fakultät SLK
Institut für Romanistik
01062 Dresden
Sprechzeiten:
Vertretung der Professur seit WiSe 2022/23: PD Dr. Bettina Lindorfer
Zu einer Poetik des Prekären. Arbeitswelten in der europäischen Gegenwartsliteratur
Im Gefolge der sozialen Verwerfungen der letzten beiden Jahrzehnte und der daraus entstandenen Diskussion über ‚Prekarität’ und ‚Prekarisierung’ entdecken deutsche, französische und spanische Autor/inn/en wie Moritz Rinke und Kathrin Röggla, Emmanuelle Heidsieck und Yves Pagès oder Laura Meradi und Isaac Rosa, deren Texte in diesem Projekt untersucht werden, Ökonomie, Business und Arbeitswelt als ergiebige literarische Sujets wieder. [Mehr]
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Narrative der Krise in den romanischen Gegenwartskulturen
In dem pluridisziplinär angelegten Forschungsprojekt sollen in kultur-, medien- und literaturwissenschaftlicher Perspektive anhand unterschiedlicher kultureller Artefakte rezente Diskurse und Narrative der ‚Krise‘ untersucht werden, die den ökonomischen und sozialpolitischen Entwicklungen im Gefolge von Globalisierung und Migration um die Jahrtausendwende künstlerischen Ausdruck verleihen. [Mehr]
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Inhaberin der Professur
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Vertretung der Professur seit WiSe 2022/23: PD Dr. Bettina Lindorfer
Observatoire de l‘extrême contemporain | Observatorium der Gegenwartskulturen
Eine Profilierung im Bereich der Gegenwartskulturen wird erreicht durch die Gründung des Observatoire de l‘extrême contemporain | Observatoriums der Gegenwartskulturen, das im Sinne der Dresdener Forschungsprofillinie „Kultur und Wissen“ als ein Ort der Beobachtung, Bilanzierung und Archivierung, aber auch der Begegnung mit Autoren und Autorinnen zu verstehen ist. Über die Organisation von Lesungen, Colloquien u.ä. geschieht die öffentlichkeitswirksame Vermittlung von Informationen über Akteure und Positionen der Gegenwartskulturen an ein universitäres wie außerakademisches Publikum. [Mehr]
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Inhaberin der Professur
NameProf. Dr. Roswitha Böhm
Prorektorin Universitätskultur seit August 2020
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Sprechzeiten:
Vertretung der Professur seit WiSe 2022/23: PD Dr. Bettina Lindorfer
Prof. Dr. Heiner Böhmer
Historische Textsortennetze und Sprachwandel
In diesem Forschungsschwerpunkt werden Überlegungen zur Wechselbeziehung zwischen Varietäten, Textsorten und sprachlicher Innovation und Übernahme (u.a. Koch, Gleßgen) mit dem Ansatz der Einbettung von Texttypen in institutionell verankerte Netze von Kommunikatstypen (germanistische Textlinguistik) verbunden. Dadurch sollte unser Verständnis der Bedingungen von Innovationen in der Geschichte einer Sprache weiter konkretisiert und verbessert werden.
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Professor
NameProf. Dr. Heinrich Böhmer
Professur für Romanistische Sprachwissenschaft (Franz./Span.)
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W48, Raum 409 Wiener Straße 48
01219 Dresden
Sprechzeiten:
- Freitag:
- 13:00 - 14:00
- WS 2024/25
Kontrastive Polysemie-Analysen
Hier sollen längerfristig größere Ausschnitte aus der spanischen, französischen und deutschen Lexik untersucht werden. Genauer geht es um Tripel von polysemen Lexemen mit gleicher Grundbedeutung, für die herausgefunden werden soll, in wie weit sie in den weiteren Bedeutungen abweichen oder sich vielleicht eher gleichen. Zur Realisierung dieses empirischen Vorhabens ist es vor allem nötig, eine moderne Grundlage für die Beschreibung und kontrastive Analyse von Polysemien zu erarbeiten, die den vielfältigen Beiträgen gerecht werden kann, die die Polysemie-Diskussion in den letzten Jahrzehnten bereichert haben.
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Professor
NameProf. Dr. Heinrich Böhmer
Professur für Romanistische Sprachwissenschaft (Franz./Span.)
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- Freitag:
- 13:00 - 14:00
- WS 2024/25
Untersuchungen zur Integrativ-Dynamischen Grammatik (IDG)
Dieses Projekt dient dazu, die Beschreibungs- und Erklärungspotentiale der vom Projektleiter erstmals 2016 vorgestellten, KxG-nahen IDG darzulegen, durch ausführliche Analyse größerer Abschnitte aus authentischen Dialogen vom Typ „Unterhaltung“, narrativer Kurztexte sowie – längerfristig – weiterer Dialog- und Texttypen.
Prof. Dr. Anna-Maria De Cesare Greenwald
Verweis auf das Forschungsportal der TU Dresden FIS
Verweis auf das Forschungsportal der TU Dresden FIS
Verweis auf das Forschungsportal der TU Dresden FIS
Verweis auf das Forschungsportal der TU Dresden FIS
Verweis auf das Forschungsportal der TU Dresden FIS
Prof. Dr. Elisabeth Tiller
Invektivität in literarischen und filmischen Darstellungen von Migration im Italien des 20./21. Jahrhunderts
Das Teilprojekt nimmt literarische und filmische Migrationsnarrationen der italienischen Erzählgemeinschaft in den Blick, um ästhetische Inszenierungen invektiv ausgetragener sozialer Konflikte seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu analysieren. Das Projekt fragt danach, wie dabei Invektiven narrativ funktionalisiert werden, wie Aushandlung und Plausibilisierung sozialer Konflikte, politischer Identifikationsweisen und kultureller Skripte medial erfolgen und welche historischen Diskurspolitiken, Wissensregime und affektiven Dynamiken dies fundieren.[Mehr]
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Professorin
NameProf. Dr. Elisabeth Tiller
Professur für Italienische Literatur- und Kulturwissenschaft
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Besuchsadresse:
W48, Raum 419 Wiener Straße 48
01219 Dresden
Sprechzeiten:
- Mittwoch:
- 17:00 - 18:00
- WS 2024/25
vorlesungsfreie Zeit: Di, 23.07.24, 17:00-18:00 Uhr / Do, 22.08.24, 11:00-12:00 Uhr / Do, 26.09.24, 15:00-16:00 Uhr
GenderConceptGroup der TU Dresden (Roswitha Böhm / Maria Häusl / Stefan Horlacher / Antonia Kupfer / Susanne Schötz / Wieland Schwanebeck / Elisabeth Tiller)
Laufzeit 2020-2022 (1 Postdoc, 1 WMA 50%)
Das Projekt bewegt sich im Feld der kulturwissenschaftlichen Technikfolgenabschätzung für Digitalisierungsprozesse bzw. der Digitalität der gesellschaftlichen Beziehungen und versucht, Konstitutionsbedingungen des digitalen Wandels an der Schnittstelle von Gender- und Technikforschung kritisch zu reflektieren.
Das über das SMWK (RL TG 70) geförderte Projekt Digital Gender: Verhandlungen von Geschlecht zwischen Neuerfindung und Auflösung im 21. Jahrhundert der GenderConceptGroup der TU Dresden, Laufzeit 2020-2022 (1 Postdoc, 1 WMA 50%), untersucht im Zuge der Digitalisierung aufkommende alltagspraktische Veränderungen sowie fiktionale Repräsentationen des Digitalisierungsprozesses aus gendertheoretischer Perspektive. Gesucht wird nach Erkenntnissen zum einen darüber, wie Geschlechtlichkeit und Digitalität interagieren, d.h. welche Auswirkungen Digitalität in ihren verschiedenen Ausprägungen (von künstlicher Intelligenz über Avatare bis zu Cyborg-Mischwesen) auf geschlechtliche Identitäten, Körper sowie die Geschlechterordnung einer Gesellschaft hat. Zum anderen steht im Blick, welche Geschlechterbilder im Zuge der Digitalisierung aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Gegenstand der Analyse sind sowohl aktuelle, fiktional generierte Erzählungen in literarischen und audiovisuellen Medien als auch alltägliche Artefakte der digitalen Mensch-Maschine-Kommunikation (Alexa, Siri und Co.). Das Projekt geht davon aus, dass beide Untersuchungsbereiche aus Sicht der Gender Studies als Seismographen gegenwärtiger und zukünftiger Entwicklungen fungieren können.
Digital Gender bewegt sich im Feld der kulturwissenschaftlichen Technikfolgenabschätzung für Digitalisierungsprozesse bzw. der Digitalität der gesellschaftlichen Beziehungen und versucht, Konstitutionsbedingungen des digitalen Wandels an der Schnittstelle von Gender- und Technikforschung kritisch zu reflektieren. Eines der Projektziele sieht mit Blick auf die Innovationsstrategie des Freistaates Sachsen die Überführung der Forschungsergebnisse in die Lehrer:innenfortbildung vor und reagiert damit gezielt auf Erfordernisse des sächsischen Bildungsbetriebs.
Link zu https://tu-dresden.de/gsw/forschung/projekte/genderconceptgroup
Fiktionalität und Faktualität
Das Projekt hat Interferenzen von Realität und Repräsentation im Blick, die sich zwischen politischen, ökonomischen oder sozialen Ereignissen respektive Gemengelagen und deren medialer Repräsentation ausbilden. Untersuchungsgegenstand sind literarische oder filmische Narrationen des italienischen Kulturraums, die sich explizit mit der politischen Realität des Landes auseinandersetzen. [Mehr]
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Professorin
NameProf. Dr. Elisabeth Tiller
Professur für Italienische Literatur- und Kulturwissenschaft
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W48, Raum 419 Wiener Straße 48
01219 Dresden
Sprechzeiten:
- Mittwoch:
- 17:00 - 18:00
- WS 2024/25
vorlesungsfreie Zeit: Di, 23.07.24, 17:00-18:00 Uhr / Do, 22.08.24, 11:00-12:00 Uhr / Do, 26.09.24, 15:00-16:00 Uhr
Reise- und Entdeckerberichte aus Italien (15./16. Jh.)
Bis ca. 1530 entstehen eine Reihe von Reiseberichten italienischer Reisender und Entdecker, die eine eigene Traditionslinie begründen. Das Projekt untersucht die Spezifika dieser Kulturkontakts-Erzählungen und erarbeitet eine Systematik der narrativen Kodierung des italienischen Geo-Wissens [Mehr].
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Professorin
NameProf. Dr. Elisabeth Tiller
Professur für Italienische Literatur- und Kulturwissenschaft
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W48, Raum 419 Wiener Straße 48
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- 17:00 - 18:00
- WS 2024/25
vorlesungsfreie Zeit: Di, 23.07.24, 17:00-18:00 Uhr / Do, 22.08.24, 11:00-12:00 Uhr / Do, 26.09.24, 15:00-16:00 Uhr
AUSFÜHRLICHE PROJEKTBESCHREIBUNGEN
Auf Spurensuche – Zur Literarisierung von Zeitgeschichte im europäischen Gegenwartsroman (Deutschland, Frankreich, Spanien) Prof. Dr. Böhm
Meine Untersuchung fragt – angelehnt an Michel de Certeau – nach dem „Schreiben der Geschichte“, verlagert diese Fragestellung aber von der Betrachtung historiographischer auf jene literarischer Texte. Das Projekt ist somit an der Schnittstelle von Geschichts- und Literaturwissenschaft angesiedelt und lässt sich dem Forschungsfeld zuordnen, das nach der Medialität von Historiographie bzw. nach der medialen Vermittlung historischer Inhalte fragt.
Analysiert werden neben Erzähltexten von W. G. Sebald und Marcel Beyer, von Patrick Modiano, Cécile Wajsbrot und Agnès Desarthe auch jene von Rafael Chirbes, Alberto Méndez und Antonio Muñoz Molina, die der Konjunktur einer neuen Memorialistik zuzurechnen sind und deren literarische Behandlung europaweit relevanter historischer Ereignisse – so meine These – einen europäischen Erinnerungsraum eröffnen. Diese ‚Romane‘, die fiktionale Elemente mit dokumentarischem Material mischen, behandeln aus der Sicht der zweiten und dritten Generation die Zeit des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur in Spanien, den Nationalsozialismus und das Dritte Reich in Deutschland, die Okkupation und das Vichy-Regime in Frankreich. Die Vernichtung der europäischen Juden ist ein weiterer thematischer Nukleus einer großen Anzahl dieser hybriden Textformen.
Da es sich bei all diesen Spielarten historischen Erzählens um Formen der Gedächtnisarbeit im Modus der Literatur handelt, betrifft eine zentrale Fragestellung des Forschungsprojekts die Verquickung von individueller und kollektiver Geschichte sowie das Verhältnis von Fakten und Fiktion. Die Erzähltexte begegnen der Problematik der Literarisierung von Gedächtnis, Erinnerung und Geschichte mit einer diskursiven Strategie, deren spezifische konzeptionelle und narratorische Gestaltungslösungen in vergleichender Perspektive analysiert werden. Hierbei spielt die Frage nach der Funktion der zur literarischen ‚Rekonstruktion‘ von Vergangenheit herangezogenen materiellen wie immateriellen Spuren eine wichtige Rolle. Dazu gesellt sich häufig die von den weiblichen wie männlichen Autoren bzw. Ich-Erzählern aufgebrachte Frage nach den Schwierigkeiten der von ihnen unternommenen Spurensuche und nach dem Aussage- und Rekonstruktionswert der von ihnen aufgespürten Fundstücke. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Reflexion über das von der Vergangenheit an sie delegierte Vermächtnis, unbekannte Schicksale zu rekonstruieren bzw. Zeugenschaft über deren Geschichte abzulegen.
Zu einer Poetik des Prekären. Arbeitswelten in der europäischen Gegenwartsliteratur (Prof. Dr. Böhm)
Anders als in der Angestelltenliteratur der Weimarer Republik oder in der ‚Literatur der Arbeitswelt’ der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts gilt das Interesse heutiger Autoren und Autorinnen einer technisch hochgerüsteten Dienstleistungsbranche mit qualifizierten Mitarbeitern – oder aber im Gegenteil den prekären Arbeitswelten der Minijobs, Überbrückungstätigkeiten und Aktivierungsmaßnahmen. Gemeinsam ist den Autoren ein großes Unbehagen angesichts eines von den Anforderungen der globalisierten Finanzwelt fremdbestimmten Arbeitslebens, das vom Arbeitnehmer Anpassung, Flexibilität und Engagement fordert, ihm im Gegenzug aber keinen sicheren Arbeitsplatz, kein angemessenes Gehalt und keine Anerkennung mehr bietet. Große Unterschiede weisen die einzelnen Texte hingegen in der ästhetischen Umsetzung des Themas auf. Das Projekt will deshalb unter Berücksichtigung des literarhistorischen Kontextes und mit dem Ziel der differenzierenden Abgrenzung zu Vorläuferphänomenen insbesondere die vielfältigen Berührungspunkte zwischen wirtschaftlichen und sprachlich-literarischen Prozessen herausarbeiten, um die Spezifika einer ‚Poetik des Prekären’ zu ergründen. Die Studie ist Teil eines interdisziplinären Forschungsprojekts, das Krisennarrative der ‚extremen Gegenwart’ untersucht.
Narrative der Krise in den romanischen Gegenwartskulturen (Prof. Dr. Böhm)
Die politische und zugleich ästhetische Reflexion über die Krisenhaftigkeit der gegenwärtigen Lebens- und Arbeitswelt wird in zahlreichen Text- und Bildmedien der jüngeren Zeit zum Thema erhoben – eine Beobachtung, die am Ausgang dieses Forschungsprojekts steht. Auch wenn die Armut, deren pejorative Grundbedeutung im Laufe der Kulturgeschichte stets aufs Neue von Aufwertungskonzepten begleitet wurde, das Signet eines jeden Zeitalters sein mag, so lassen sich doch in den letzten beiden Jahrzehnten aufschlussreiche Veränderungen feststellen, die sich im Gefolge der globalen Finanzkrise nochmals verstärkt haben. Zwar gilt ‚die Krise‘ seit dem Beginn der Industrialisierung als ständige Begleiterin der ökonomisch-technologisch gesellschaftlichen Modernisierung, begreift man sie denn als jenen offenen Übergangszustand einer Gesellschaft, der der Traditionsorientierung entgegensteuert, Orientierungsunsicherheit provoziert und Unsicherheitskompetenz zur Lebensstrategie erklärt. Im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen, politischen und damit einhergehenden sozialen Krisensituation hat sich jedoch ein neues und geradezu proliferierendes Wortfeld herausgebildet, denn in den Medien und in aktuellen, meist soziologischen Publikationen wird nicht nur über ‚Unterschichten‘ und über ‚Neue Armut‘ debattiert, sondern man spricht man über ‚Prekariat’, diskutiert über ‚Prekarität’ und ‚Prekarisierung’. Doch was verbirgt sich hinter diesen Wortschöpfungen? Welches ist das Verhältnis zwischen Prekarität und Armut – ist erstere nichts anderes als ein (modischer) Euphemismus für letztere? Sind die indizierten Prozesse gesellschaftlicher Marginalisierung überhaupt unter dem Begriff der ‚Krise‘ zusammenzufassen?
Die Vielfalt aktuell entstehender Text- und Bildmedien, die sich mit prekären Lebensverhältnissen auseinandersetzen, wirft weitere Fragen auf, die in sozial- und politikwissenschaftlichen Forschungsparametern unbeantwortet bleiben: Welches sind die Spezifika einer literarischen, filmischen und bildnerischen Repräsentation ökonomisch-politischer Krisensituationen? Welche künstlerischen Formen und Verfahrensweisen kommen bei einer Narrativierung dieser Problematik zum Tragen? Wo entstehen Bedeutungsverschiebungen in einem zunehmend globalen Kontext und welche neuen Fokussierungen ergeben sich hierbei aus transdisziplinärer Perspektive? An welcher Stelle gibt es Verflechtungen, Überschneidungen, Interaktionen? Und: In welchem Verhältnis stehen diese aktuellen Entwicklungen zu der Art und Weise, Armut und Prekarität früherer Epochen zu denken?
Das Projekt nimmt nicht nur die ökonomischen und politischen Aspekte, sondern vor allem die kulturgeschichtlichen und -theoretischen Dimensionen einer globalisierten Welt in den Blick. Es leistet einen Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion über die Vernetzung der Welt, indem es lokale wie regionale Modifikationen, Verschiebungen und Hybridformen und damit die Vielschichtigkeit kultureller Austauschprozesse betont. Zurzeit wird ein Antrag zur Einwerbung von Drittmitteln erarbeitet.
Observatoire de l‘extrême contemporain | Observatorium der Gegenwartskulturen (Prof. Dr. Böhm)
Wenn „die Zukunft der Geisteswissenschaften [...] im Bereich der Forschung in der methodologisch bewussten, historisch präzise argumentierenden, gesellschaftlich kommunizierbaren und zugleich die Gesellschaft mitkonstitutierenden Forschung“ liegt, wie es die Empfehlungen des Wissenschaftsrates (2006: 12) postulieren, dann bedeutet die Etablierung einer Forschungsprofillinie zum extrême contemporain, das heißt zur unmittelbaren Gegenwart, die sich mit aktuellen kulturellen und gesellschaftlichen Gegenständen und Fragestellungen der letzten zehn bis zwanzig Jahre (in historischer Fundierung) beschäftigt, ein markantes und zukunftsträchtiges Alleinstellungsmerkmal.
In meiner Beschäftigung mit der Kultur der Gegenwart gehe ich davon aus, dass jene die Chance bietet, ein „univers esthétique et conceptuel jusqu’alors inconnu“ (Proguidis 2001: 9) zu entdecken. Ist es den Künstlern und Künstlerinnen vorbehalten, ein solches Extrem der gesteigerten Wahrnehmung – „ein Staunen, ein Beben, […] eine Intensität, die ungemein fragil ist“ (Lerch 1989: 24) – schöpferisch zu leben, so ist die Arbeit der Kritik auf diesem Terrain ebenfalls durch eine außerordentliche Nähe zum Gegenstand gekennzeichnet. Gemeinsam ist der Produktions- wie der Rezeptionsseite, dass die Kultur des extrême contemporain wie ein Seismograph die Möglichkeit bietet, die unmittelbare Gegenwart fragend zu umkreisen und zu erfassen. Sie dient somit auch als Mittel der Erkenntnis über die conditio humana unserer Gegenwart. In längerfristiger Perspektive soll ein solches Observatorium der Gegenwartskulturen über den Aufbau eines Netzwerks von Gegenwartsforschern als Thinktank fungieren, der über die Behandlung von spezifischen Forschungsprofillinien wie „Prekarität“, „Migration“, „Digitalisierung“ die Reflexion gesellschaftlich und politisch relevanter Fragestellungen geisteswissenschaftlich begleitet und die Geisteswissenschaften auf diese Weise als Lebenswissenschaften (Ette 2008) im Mittelpunkt der Gesellschaft positioniert.
Fiktionalität und Faktualität (Prof. Dr. Tiller)
In diesem Projekt, das von literarischen Texten Ausgang nimmt, aber gleichermaßen filmische Produktionen berücksichtigen wird, stehen Interferenzen von Realität und Repräsentation im Blickpunkt. Dies meint das Zusammenwirken von politischen, ökonomischen oder sozialen Ereignissen respektive Gemengelagen und deren medialer, etwa literarischer oder filmischer Repräsentation, die in der Gegenwart in veränderter Weise interagieren. Fächerübergreifend lässt sich diesbezüglich in den letzten Jahren eine sichtlich dynamisierte Diskussion zum Zusammenspiel von Fiktionalität und Faktualität festmachen: von Fakten aus der realen Realität und fiktionalen Strategien der Generierung imaginärer Welten, die mitunter in Diskussionen eines Neuen Realismus münden. Das Projekt beschäftigt sich mit textuellen oder filmischen Repräsentation von manchmal latenten, insbesondere aber politisch bzw. sozialpolitisch aktuellen Themen, die nicht ausschließlich im Rahmen tradierter literarischer Konventionen, sondern eben auch mit Hilfe von innovativen, grenzüberschreitenden literarischen oder filmischen Verfahrensweisen, von Hybridisierungen und intermedialen Erweiterungen erstellt werden. Zugriffsbereich ist der italienische Kulturraum, der Resonanzraum der italienischen Erzähl- und Deutungsgemeinschaft also, in welchem sich in den letzten Jahren vermehrt literarischen oder filmischen Narrationen antreffen lassen, die sich explizit mit der politischen Realität des Landes auseinandersetzen.
Invektivität in literarischen und filmischen Darstellungen von Migration im Italien des 20./21. Jahrhunderts(Prof. Dr. Tiller)
Das Teilprojekt nimmt literarische und filmische Migrationsnarrationen der italienischen Erzählgemeinschaft in den Blick, um ästhetische Inszenierungen invektiv ausgetragener sozialer Konflikte seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu analysieren. Das Projekt fragt danach, wie dabei Invektiven narrativ funktionalisiert werden, wie Aushandlung und Plausibilisierung sozialer Konflikte, politischer Identifikationsweisen und kultureller Skripte medial erfolgen und welche historischen Diskurspolitiken, Wissensregime und affektiven Dynamiken dies fundieren.[Mehr]
Reise- und Entdeckerberichte aus Italien (15./16. Jh.) (Prof. Dr. Tiller)
Der Venezianer Marco Polo war weder der erste spätmittelalterliche Reisende von der italienischen Halbinsel, der langjährige Reisen in ferne Weltregionen unternommen hatte, noch der erste, der davon schriftlich Kunde gegeben hat. Gleichwohl leitet er eine Tradition ein, die bis zum Ende der großen Entdeckungen um 1530 eine größere Zahl von Reiseberichten prägen wird, welche Händler und Bankiers, Seefahrer, Kartographen und sonstige Reisende nach ihrer Rückkehr nach Europa bzw. auf die italienische Halbinsel verfassen. Das Forschungsprojekt untersucht diese Reiseberichte des 15. und 16. Jahrhunderts nicht nur in Hinblick auf eine rinascimentale Gattungs-Kanonisierung, sondern versucht insbesondere, die Modi der Valorisierung des Erfahrungswissens, der epistemisch zusehends zielgerichteten Wissens-Generierung, der humanistisch angeleiteten Klassifizierung und Kodierung der fremden Anderen bzw. ihrer Kulturen, der sinnstiftenden Narrativierung der durchlebten Kulturkontakte sowie der zugehörigen Weltdeutungskonventionen zu beschreiben und zu analysieren, um die italienische Spezifik dieser Verschriftlichungen ferner Welten systematisch zu erfassen.