Promotionen und Habilitationen
Inhaltsverzeichnis
- Aktuelle Betreuung von Dissertationen und Habilitationen
- Dmytro Memari Fard: "Die erste deutschsprachige Gesamtausgabe der Werke F. M. Dostojevskijs und die Politisierung der Weltliteratur"
- Maksim Lepekhin: "Literarische Samizdat-Zeitschriften: Kommunikations- und Wissensnetzwerke des spätsowjetischen Undergrounds"
- Yulia Penner: "Geometrie der (Stadt)Raummodellierung: Russische und tschechische Literatur der begrenzten Souveränität"
- Anne Seidel: Textkritische Edition von Andrej Tarkovskijs »Zapečatlennoe vremja« (»Die versiegelte Zeit«), Faksimileedition mit sämtlichen überlieferten handschriftlichen Annotationen Andrej Tarkovskijs, Kommentar, Interpretation und begleitende Materialien
- Dr. Tatiana Vaizer: "Intrusion into the Order: Phenomenon of the Russian Public Sphere in 2010-2020s"
- Aktuelle Betreuung von Dissertationen und Habilitationen
Aktuelle Betreuung von Dissertationen und Habilitationen
Dmytro Memari Fard: "Die erste deutschsprachige Gesamtausgabe der Werke F. M. Dostojevskijs und die Politisierung der Weltliteratur"
Die im jungen Piper Verlag erschienenen Werke Dostojevskijs waren nicht nur die erste deutschsprachige Gesamtausgabe des Autors, sondern auch die über Jahrzehnte populärste im deutschen Sprachraum. Diese Untersuchung beschäftigt sich mit der detaillierten Analyse der Übersetzung in der Gesamtausgabe im direkten Vergleich mit dem Original. Die Vorworte und Einleitungen, die unter anderem von Arthur Moeller van den Bruck und Dmitrij Sergejevič Merežkovskij verfasst wurden, ermöglichen den Einblick in die persönliche Ebene der Verfasser und deren Meinung zu Dostojevskij, Russland und Deutschland. Im Verlauf der Gesamtausgabe werden negative Beschreibungen der Deutschen an vielen Stellen verschönert, während die Änderungen in den Charakteristiken der Russen sich in die Phasen vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg einordnen lassen. An manchen Stellen fehlen ganze Absätze, einige neue wurden hinzugeschrieben. Insgesamt lassen sich bei der Analyse eindeutige Strukturen und Trends erkennen. Eines der Hauptziele dieser Arbeit ist die Absichtlichkeiten hinter den einzelnen Auffälligkeiten nachzuweisen.
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Dmytro Memari Fard
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Maksim Lepekhin: "Literarische Samizdat-Zeitschriften: Kommunikations- und Wissensnetzwerke des spätsowjetischen Undergrounds"
Sowjetische inoffizielle Literatur existierte zu großen Teilen dank eines verzweigten und bis heute nicht genau erforschten Systems von Presse- und Kommunikationsorganen. Solange die einzelnen Fakten nicht zu einem Gesamtbild zusammengefügt worden sind, muss die Forschung davon ausgehen, dass jede Zeitschrift ihre eigene klare Thematik und ästhetische oder ideologische Position hatte. Diese Vorannahme benötigt jedoch eine Überprüfung: Die Samizdat-Periodik war ein bei Weitem komplexeres Gebilde, dessen Funktionsweise von einer Vielzahl an Fakten und Mechanismen abhing: von der Politik der Redaktionen, kurzfristigen Entscheidungen und dem Wertekampf innerhalb der Zirkel.
In meiner Arbeit werde ich von der Existenz einiger wenn nicht konfligierender, so doch einander korrigierender Diskurse in unzensierten Gemeinschaften ausgehen, die sich über das Medium der Samizdat-Periodik übertrugen und sich im Laufe der Zeit veränderten. Ihre Erforschung erlaubt es, die Dynamik von ästhetischen Horizonten sowie generell von Bedeutungshorizonten der Mitglieder aufzuzeigen, die in vielerlei Hinsicht die darin ablaufenden Prozesse bestimmte (z. B. die Dominanz einiger ästhetischer Systeme über andere).
Um heute zu rekonstruieren, wie sich die Akteure der inoffiziellen Literatur selbst den literarischen (und im selben Maße – den soziopolitischen) Prozess vorstellten, in den sie einbezogen waren und den sie selbst begründeten, ist es unerlässlich, nicht nur Manifeste genau zu studieren, sondern z.B. auch Rezensionen, polemische Repliken, Nekrologe und viele andere Genres und Aussagen. Dies erlaubt wiederum, jenen möglichen Raum der (künstlerischen) Äußerung zu bestimmen, in dem die Mitglieder verschiedener Gemeinschaften agierten und der die Entwicklung poetischer Systeme beeinflusste.
In meinem Projekt plane ich folgende Thesen zu überprüfen:
- Die Entwicklung der unzensierten Literatur und der größere Einfluss dieser oder anderer ästhetischer Systeme hingen nicht so sehr von textimmanenten Eigenschaften einzelner Werke ab, wie von ihrer Rezeption im heterogenen Umfeld des Inoffiziellen.
- Die Heterogenität des Umfelds war durch die Existenz einiger diskursiver Formationen bedingt, die durch Mitglieder der Gemeinschaft begründet und unterstützt wurden. Die Mitglieder nahmen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Positionen ein und schlugen alternative (sowohl konkurrierende als auch komplementäre) Projekte für die Gestaltung der Gruppen vor;
- Die inoffiziellen Gemeinschaften, wie auch die von ihnen hervorgebrachten Diskurse, waren „fließend“ und nicht ein für alle Mal ausgestaltet: In der inoffiziellen Umgebung vollzog sich eine ständige Entwicklung neuer Formen des Sprechens über die unzensierte Gemeinschaft selbst;
- Die Samizdat-Zeitschriften ermöglichten sehr unterschiedlichen Autoren, vielfältige Vorstellungen von der unzensierten Gemeinschaft zu übermitteln. Dabei waren diese Organe selbst jedoch keine neutralen Medien, sie beeinflussten die Herausbildung der Aussagen – zum Beispiel durch die redaktionelle Politik und Entscheidungen, manche Autoren nicht zu drucken und andere zu drucken.
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Maksim Lepekhin
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Yulia Penner: "Geometrie der (Stadt)Raummodellierung: Russische und tschechische Literatur der begrenzten Souveränität"
In der Dissertation „Geometrie der (Stadt)Raummodellierung: Russische und tschechische Literatur der begrenzten Souveränität“ verbinden sich naturwissenschaftliche Felder wie Mathematik und Geometrie mit solchen aus den Geisteswissenschaften, die Literatur, Medien, und Kultur sowie Geschichte behandeln. Sie behandelt literarische und mathematische (Auf)-Zeichnungsverfahren als Faktoren bei der Genese der Texte und kartographiert die Literatur im Hinblick auf eine kulturanalytische Wissenschafts-geschichte.
Im Rahmen der Dissertation wird den Werken dreier Autoren – Iosif Brodskij (1940-1996) (Leningrader Poetik), Dmitrij Prigov (1940-2007) (Moskauer Konzeptualismus) und Michal Ajvaz (1949) (Prager Text) – gearbeitet. Es wird insbesondere auf die Notationen zweier Systeme eingegangen – auf die Aufschreibesysteme des Mathematischen (mathematische Theorien, Erwähnung von Wissenschaftlern, Gebrauch mathematischer Forme(l)n und geometrischer Zeichen) und auf das geometrische Zeichnen als einen speziellen Teil der Mathematik. Es werden mathematische Notationen – Buchstaben, Formeln, usw., welche ich aus literatur-wissenschaftlichen Perspektive betrachten möchte, von den geometrischen getrennt. Diese schaue ich wiederum aus historischer sowie kulturwissenschaftlichen Perspektive an. Es wird analysiert, wie die Werke auf unterschiedliche Art und Weise Praktiken und Ästhetiken der russischen Avantgarde – von Velimir Chlebnikov (1885-1922), Vladimir Majakovskij (1893-1930) und anderen aufgreifen.
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Yulia Penner
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Anne Seidel: Textkritische Edition von Andrej Tarkovskijs »Zapečatlennoe vremja« (»Die versiegelte Zeit«), Faksimileedition mit sämtlichen überlieferten handschriftlichen Annotationen Andrej Tarkovskijs, Kommentar, Interpretation und begleitende Materialien
Exposé folgt.
Anne Seidel
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Dr. Tatiana Vaizer: "Intrusion into the Order: Phenomenon of the Russian Public Sphere in 2010-2020s"
Die Arbeit ist den grass-roots Strategien der Demokratisierung der Öffentlichkeit in Russland während der dritten und vierten Periode der Putins Regierung gewidmet, d.h. in der Zeit des Zögerns von der bedingten Liberalisierung zur autoritären Monopolisierung oder imitativen Demokratisierung der Öffentlichkeit in Russland.
Unter Öffentlichkeit verstehen wir den Raum, wo gesellschaftlich bedeutsamen Diskursen artikuliert werden und wo die Teilnehmer in die öffentliche Kommunikation eintreten, um eine für sie bedeutsame Situation auszusprechen, die Positionen der Seiten zu identifizieren, eine Lösung für ein bedeutendes Problem zu finden oder einen Konsensus zu erzielen. Öffentliche Räume können offene städtische Räume (Parks, Straßen, Plätze, öffentliche Säle), Medien- / Fernsehplattformen und Medien, Internetportale und soziale Netzwerke sein.
Der Begriff der Öffentlichkeit wird in erster Linie durch den Begriff der Politik nach Hannah Arendt definiert: die Öffentlichkeit ist per se politisch, weil sie über rein soziale und wirtschaftliche Grenzen hinausgeht und auf eine argumentative Auseinandersetzung mit allgemein bedeutsamen Problemen abzielt. Ich zeige, dass die offizielle Publizität des postsowjetischen Russlands diese politische Bedeutung verloren hat, weil es die Stimmen verschiedener sozialer und politischer Gruppen als unwesentlich ausschloss. Das Ziel der Forschung ist zu verfolgen, wie das Politische (d.h. die Fähigkeit, gesellschaftlich bedeutsame Themen aus verschiedenen Perspektiven gleichberechtigt zu diskutieren) in die russische Öffentlichkeit durch grass-roots Demokratisierung rückkehrt.
Ich zeige auch, dass wir im modernen Russland über verschiedene öffentliche Räume sprechen können, die heterogen sind und in denen sozial heterogene Teilnehmer unterschiedliche Diskurse bilden (zu verschiedenen Themen, mit unterschiedlichen Zielen, unterschiedlichen logischen und ausdrucksstarken Mitteln usw.). Im Rahmen dieser heterogenen Öffentlichkeit bildet sich eine Kommunikation, die politische Bedeutung hat und die für die Herausbildung eines neuen liberal-demokratischen politischen Diskurses im postsowjetischen Russland wichtig ist. Ich verfolge:
- wie entstehen neue alternative öffentliche Räume, in welchem Verhältnis stehen sie zur offiziellen Öffentlichkeit;
- wie werden aufgrund dessen die vorherrschenden Machtverhältnisse neu definiert (Neusemantisierung des öffentlichen Raums, Wahl der Themen für die öffentliche Diskussion usw.);
- wie erscheinen offene, demokratisch orientierte Kommunikationsformen vor dem Hintergrund autoritärer, geschlossener, monozentrischer Prozesse;
- wie verschieben sich die Grenzen bisher stabiler Dispositionen des Bedeutendes / Nicht-Bedeutendes in der öffentlichen Diskussion;
- welche Werte (Würde, Freiheit, Wahlrecht, Ehrlichkeit usw.) werden im Kampf zwischen Behörden und Bürgern durch Ansprüche an die Öffentlichkeit gewahrt;
- welche Gattungs- und Stilmerkmale sind in öffentlichen Äußerungen über das politisch Bedeutsames enthalten.
Ich lege besonderes Augenmerk auf die schwer fassbaren, nicht offensichtlichen ethischen Implikationen oder offen formulierten ethischen Werte, die die öffentliche Kommunikation im modernen Russland definieren. Die empirischen Realitäten der russischen Öffentlichkeit 2010-2020 (Straßenproteste, öffentliche Vorträge und Diskussionen, offene Korrespondenz russischer Intellektueller usw.) analysiere ich im Lichte westlicher und russischer Theorien der Öffentlichkeit und der öffentlichen Kommunikation.
Kontaktinformationen
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
NameDr. Tatiana Vaizer
Professur für Slavische Literaturwissenschaft
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01219 Dresden
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