Prager Moderne
»Tripolis Praga«
Die Prager Moderne. Eine Ausstellung
Die erste Glanzzeit der ›Prager Moderne‹ endet mit dem Zusammenbruch des Habsburger Reiches und der Ausrufung der Tschechoslowakischen Republik. Die Protagonisten der Prager Literatur wie Max Brod, Franz Werfel, Egon Erwin Kisch und sogar Franz Kafka verlassen Prag und siedeln sich im deutschen Sprachraum, vor allem in Berlin, an. Danach wird Prag in den dreißiger Jahren noch einmal zu einem Zentrum der Moderne, weil sich die traditionell zweisprachige Tschechoslowakei als Zufluchtsland für deutsche Exilanten anbietet und insgesamt auch eine offene Exilpolitik kultiviert. Diese »zweite Prager Moderne« wird im Jahr 1939 vernichtet; sie steht jedoch unter anderen Rahmenbedingungen als die »erste«, die auch die öffentliche Wahrnehmung nachhaltiger bestimmen konnte. Um das Projekt nicht zu überfrachten, konzentrieren wir uns in erster Linie auf diese »erste« Phase.
Hier gliedern drei zeitliche Schnitte das fast unüberschaubare Material.
Die 1890er Jahre sind geprägt vom Aufbruch in die Moderne. Im engen Kontakt mit tschechischen Autoren wird von jungen deutschen und deutsch-jüdischen Schriftstellern die internationale Avantgardebewegung rezipiert und produktiv angeeignet. »Rene Rilkes Prager Jahre« (Peter Demetz) sind hier exemplarisch zu nennen.
Um 1910 hat sich eine kenntliche Gruppierung von deutschsprachigen Autoren in Prag gebildet. Anders als in anderen Zentren der Moderne ist die Generationsgemeinschaft in diesem relativ kleinen Kreis so stark, daß sich die üblichen Binnengliederungen nicht durchsetzen. Sie alle verkehren in denselben Caféhäusern, sie treffen sich in wechselnden Konstellationen im privaten Umfeld, ohne daß es zu einer Kreisbildung käme. Vielmehr ließe sich diese »Prager Moderne« als Netzwerk beschreiben, das sich übrigens wiederum auch hin zur tschechischen literarischen Szene öffnet. In der berühmten Partnerschaft Kafkas mit Milena Jesenská wird diese deutsch-tschechische Kulturgemeinschaft einmal greifbar. Doch wird die Ausstellung jenseits von biographischen Zufälligkeiten den Blick auf den zeitgleichen Aufbruch tschechischer Künstler und Schriftsteller in die europäische Moderne richten; die vielfältigen Zusammenhänge in der Tageskommunikation der verschiedenen Gruppierungen werden in unserer Ausstellung zum erstem Mal anschaulich gemacht.
Nach 1914 zerbricht die Gruppierung der »Prager Moderne« zunächst durch den Kriegsdienst oder das Ausweichen davor ziemlich schnell. Nach 1918 verlassen die inzwischen berühmt gewordenen deutschsprachigen Protagonisten der literarischen Vorkriegs-Szene die Stadt und siedeln in attraktivere Zentren, die ihnen nun als deutschsprachigen Autoren auch bessere Wirkungsmöglichkeiten eröffnen.
Katalog
»Tripolis Praga. Die Prager Moderne um 1900«. Katalogbuch
Hg. von Walter Schmitz und Ludger Udolph. Dresden: Thelem bei w.e.b.-Universitäts-Verlag, 2001.
(Mitteleuropa-Studien, Band 5). ISBN 3-933592-91-7
Das Katalogbuch zur Ausstellung führt in die Dreivölkerstadt Prag um 1900 zurück. Es stellt die Nationalitätenkämpfe im Aufbruch der Moderne bis zum Zeitbruch 1918 vor - die Kultur der Deutschen, Tschechen und Juden in ihrem Mit- und Gegeneinander und in ihrem Bemühen um Vermittlung und um eine neue Humanität.
»Die Prager Moderne«, schreibt Václav Havel in seinem Grußwort zu vorliegendem Band, »ist ein weiter Begriff, der viele Namen, Stile und Formen zusammenfaßt. Eine farbenfrohe, mutige, tolerante und neuschaffende Zeit. Gleichzeitig eine Zeit voll geheimnisvoller Winkel, voll Trauer, Unverständnis und Entfremdung, laut die Erfahrung der scheinbar legitimen Absurdität der Welt äußernd. Eine Zeit, die uns auf inhaltslose und mechanisierte Kontexte aufmerksam macht und dadurch zu Gewegung auffordert, zu intensiverem Erleben«.
Die zweisprachige Ausstellung wurde mittlerweile an über zehn Stationen präsentiert, u.a.:
- Dresden, 1999-2001
- Liberec, Juni/Juli 2001
- Olmütz, November 2002
- Ostrava, Dezember 2002
- Erfurt, März/April 2003
- Leipzig, Februar 2004
- Chemnitz, Juli 2004
- Bautzen, Juli/August 2008
- Prag, August 2008 (siehe hierzu: http://www.radio.cz/de/rubrik/kultur/die-ausstellung-tripolis-praga-zeigt-das-prager-kulturleben-um-1900)
- Jihlava (Gustav-Mahler-Haus), Mai/Juni 2013
- Friedrichshafen: Bodenseefestival (Graf-Zeppelin-Haus), 25. April-25.Mai 2015, siehe hierzu: http://bodenseefestival.de/2015/04/tripolis-praga/
Presse
haGalil onLine (Magazin): http://www.hagalil.com/archiv/2003/11/prag.htm
Radio Prag: http://www.radio.cz/de/artikel/46788