Flotation nicht-metallischer Einschlüsse in Flüssigmetall
Kontakt: Dr.-Ing. Tobias Lappan
Dr.-Ing. Sven Eckert
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Projektnummer 284002692:
FLOTINC – Interaktion von Inklusionen bei der Flotation in flüssigen Metallen
Motivation und Zielstellung
Metallurgische Prozesse stehen vor der großen Herausforderung, Hochleistungswerkstoffe wie Aluminiumlegierungen oder Stähle auf möglichst kosten- und energieeffiziente Weise herzustellen. In diesem Zusammenhang stellt die Verhinderung von nicht-metallischen Einschlüssen eine große Herausforderung dar, was die mechanische Beanspruchbarkeit der metallischen Werkstoffe stark beeinflussen, das Gewicht erheblich verringern und die Qualität des Endprodukts verbessern kann. Aus materialwissenschaftlicher Sicht wirken nicht-metallische Einschlüsse, die typischerweise einen mittleren Durchmesser von etwa 10 µm haben, als Defekte im metallischen Grundgefüge und beeinträchtigen so die Werkstoffeigenschaften. In der Stahlproduktion wird die Pfannenmetallurgie üblicherweise eingesetzt, um die Population der Einschlüsse zu kontrollieren, insbesondere um ihre Konzentration zu reduzieren und den Durchmesser der größten verbleibenden Einschlüsse einzustellen. Dazu wird die Metallschmelze mithilfe von Gasblasen gerührt, die durch chemische Reaktionen in der Pfanne entstehen oder zusätzlich in die Pfanne injiziert werden. Durch die blaseninduzierte Turbulenz wird die Wahrscheinlichkeit von Zusammenstößen zwischen Einschlüssen erhöht, die infolgedessen größere Cluster bzw. Aggregate bilden. Die an den Blasen haftenden Einschlüsse schwimmen zur freien Oberfläche des Metallbades auf, werden in der Schlacke gesammelt und können schließlich entfernt werden.
Trotz ihrer entscheidenden Auswirkungen auf die metallurgische Verarbeitung sind die Aggregationsmechanismen und Wechselwirkungen von Einschlüssen in flüssigen Metallen aufgrund ihrer Komplexität noch immer nicht vollständig verstanden und werden auch nicht angemessen durch Korrelationen erfasst, die bei der Prozessmodellierung und -gestaltung verwendet werden könnten. Dieser Mangel an Wissen resultiert außerdem aus der Komplexität von Experimenten mit flüssigen Metallen sowie aus der Vielschichtigkeit des Problems, die es modernen Simulationen unmöglich macht, die gesamte Physik auf einmal zu erfassen.
Das FLOTINC-Projekt ist diese Problemstellung mit einem innovativen Multiskalen-Konzept angegangen, das sich mit den grundlegenden Aspekten der Aggregationsdynamik von Einschlüssen während der Flotation befasst. Dies beinhaltet auch die Entwicklung von Experimenten mit niedrig schmelzenden Metallen, nämlich Legierungen auf Basis von Gallium, die bei Raumtemperatur flüssig sind. Ziel dieser Experimente war es, das Verhalten von Einschlüssen, die durch Modellpartikel repräsentiert werden, unter Bedingungen abzubilden, über die in der Literatur bisher nicht berichtet wurde. Radiographische Bildgebung mit Röntgen- und Neutronenstrahlung wurde eingesetzt, um die Mehrphasenströmungen in-situ zu visualisieren und Blasen-Partikel- und Partikel-Partikel-Wechselwirkungen im Flüssigmetall zu untersuchen. In diesem Zusammenhang bestand eine wesentliche Herausforderung darin, geeignete Materialpaarungen zu finden, die radiographische Messungen mit einem akzeptablen Kontrast-zu-Rausch-Verhältnis in den Röntgen- und Neutronenbildern ermöglichen.
Flüssigmetall-Experimente
Im Rahmen des FLOTINC-Projekts konzentrierten sich unsere experimentellen Forschungsarbeiten auf die Radiographie von Mehrphasenströmungen mit kleinen Feststoffpartikeln (Abb. 1) in flüssigen Metallen. Zwei sehr ähnliche radiographische Techniken, die jedoch unterschiedliche Strahlungsarten verwenden, wurden zur Visualisierung und Untersuchung von partikelbeladenen Flüssigmetallströmungen in Experimenten im Labormaßstab eingesetzt. Während die Röntgenradiographie in unserem hauseigenen Röntgenlabor durchgeführt wurde, erfolgte die Neutronenradiographie an den bildgebenden Instrumenten NEUTRA und ICON, die an der Schweizer Spallations-Neutronenquelle SINQ am Paul Scherrer Institut betrieben werden. Obwohl die Neutronenradiographie nicht Teil des ursprünglichen Projektantrags war, wurde im Laufe des FLOTINC-Projekts die Radiographie mit thermischen oder kalten Neutronen anstelle von konventionellen hochenergetischen Röntgenstrahlen als zusätzliche bildgebende Methode zur Untersuchung von Partikelbewegungen in Flüssigmetallströmungen identifiziert und etabliert.
Neben dem Schwerpunkt auf Einschlüssen in flüssigen Metallen wurde die radiographische Bildgebung mit Röntgen- und Neutronenstrahlen auch auf Mehrphasenströmungsexperimente mit Partikeln in flüssigem Schaum angewendet. Dessen Strömungsverhalten und Anwendungen unterscheiden sich deutlich von denen flüssiger Metalle. Die Herausforderung, Bewegungen einzelner Partikel in verschiedenen optisch undurchsichtigen Flüssigkeiten zu messen, ist jedoch sehr ähnlich. Um Synergien zu nutzen, wurden Ansätze der Bildverarbeitung sowie die weitere Datenanalyse parallel für Experimente mit Flüssigmetall sowie Schaum entwickelt und stetig verbessert.
Die radiographischen Messungen von Partikelbewegungen in Flüssigmetallströmungen beruhen auf dem Prinzip der Transmissionsabbildung. Dazu werden Partikel benötigt, die eine deutlich höhere Abschwächung für Röntgen- oder Neutronenstrahlen aufweisen als die niedrigschmelzenden Gallium-Legierungen, die in den Laborexperimenten bei Raumtemperatur als Flüssigmetall dienten. Schwermetalle wie Blei (Pb) oder Legierungen mit hohem Bleigehalt (z.B. Pb90Sn10) sowie Wolfram (W) oder Wolframkarbide (z.B. WC-Co) wurden als geeignete Partikelmaterialien für die Röntgenradiographie identifiziert. Das Seltenerdmetall Gadolinium (Gd), Gadoliniumoxid (Gd2O3) oder gadoliniumreiche Partikel sind bestmögliche Kandidaten für die Neutronenradiographie. Solche Modellpartikel wurden zunächst durch Trockensiebung in die erforderlichen Partikelgrößenbereiche klassifiziert, dann mit dem Flüssigmetall zu einer Suspension vermischt und schließlich für die röntgen- oder neutronenradiografischen Untersuchungen verwendet.
Röntgen-Radiographie
Für die röntgenradiographischen Messungen in Flüssigmetallströmungen wurden Partikel auf Basis der Schwermetalle Wolfram und Blei in der eutektischen Gallium-Indium-Zinn-Legierung (GaInSn) verwendet. Theoretisch werden diese Partikel mit dem maximalen Röntgenbildkontrast abgebildet, wenn die Energie des Röntgenstrahls mit den elementspezifischen Adsorptionskanten übereinstimmt. Die radiographischen Experimente wurden mit einem kontinuierlichen Röntgenbremsstrahlungsspektrum durchgeführt. Dessen Energie, die der maximalen Intensität entspricht, kann in Abhängigkeit von der Röntgenröhrenspannung mit Hilfe des Dauvillier‘schen Gesetzes abgeschätzt werden. Modellpartikel von 0,5 mm < d < 1,0 mm im Durchmesser haben ein ausreichendes Kontrast-Rausch-Verhältnis in den Röntgenbildsequenzen, die mit der Bildpixelgröße dpx = 0,1 mm und der Belichtungszeit Te = 5 ms entsprechend der maximalen Bildrate fimg = 200 fps aufgenommen wurden. Für die Röntgenradiographie muss die Partikelgröße größer sein als die Bildpixelgröße, um einen akzeptablen Bildkontrast zwischen den Modellpartikeln und dem umgebenden Flüssigmetall auf der Grundlage ihrer Röntgenschwächungskoeffizienten zu erreichen.
Die Röntgenbildgebung der W- oder Pb-basierten Modellpartikel in blasengetriebenen Flüssigmetallströmungen ist auf eine bestimmte Dicke dl entlang der Röntgenstrahlrichtung begrenzt. Um einen ausreichenden Bildkontrast für die Partikel zu erreichen, muss die Dicke des Flüssigmetalls vergleichsweise gering sein. Die Röntgenbildgebung der Blasen erfordert jedoch eine erhebliche Abschwächung des Röntgenstrahls beim Durchdringen des Flüssigmetalls. Um Partikel und Blasen im Flüssigmetall gleichzeitig mit Röntgenstrahlen sichtbar zu machen, ist die Dicke dl auf weniger als 10 mm begrenzt.
Im Allgemeinen neigen W- und Pb-basierte Modellpartikel stark dazu, sich in Flüssigmetallströmungen abzusetzen. Im Vergleich zur Flüssigmetalllegierung sind die höheren Röntgenschwächungskoeffizienten der Partikel mit höheren Massendichten verbunden, was zu signifikanten Endgeschwindigkeiten solcher Partikel im Flüssigmetall führt. Folglich machten röntgenographische Messungen die Gegenströmung von aufsteigenden Gasblasen und absteigenden festen Partikeln im Flüssigmetall sichtbar. Die Bewegungspfade beider, der Blasen und der Partikel, wurden gleichzeitig gemessen und mit Hilfe von Tracking-Algorithmen analysiert.
Die röntgenradiographischen Experimente mit partikelbeladenen Flüssigmetallströmungen, die durch Blaseninjektion angetrieben werden, liefern visuelle Einblicke in die Auswirkungen von Blasen-Partikel-Wechselwirkungen, wie z. B. Kollisionen zwischen Blasen und Partikeln im Flüssigmetall. Abhängig von den Benetzungseigenschaften der Partikeloberflächen führen diese Blasen-Partikel-Kollisionen möglicherweise zu Anhaftungen und Ablösungen von Partikeln an den Blasenoberflächen. In den Experimenten mit den Pb90Sn10-Partikeln, die von der flüssigen Gallium-Indium-Zinn-Legierung gut benetzt werden, führten die Kollisionen zwischen Argon-Blasen und diesen Partikeln nicht zu stabilen Blase-Partikel-Anhaftungen (Abb. 2).
Neutronen-Radiographie
Für die neutronenradiographischen Messungen in Flüssigmetallströmungen wurden Partikel auf der Basis des Seltenerdmetalls Gadolinium (Gd) in einer untereutektischen Gallium-Zinn-Legierung (GaSn) verwendet. Theoretisch, aufgrund ihres herausragend hohen Neutronenabschwächungskoeffizienten, schwächen kleine Gadolinium-Partikel mit einem Durchmesser von nur 0,05 mm die Neutronenstrahlintensität um mehr als 99,9 % ab und erscheinen somit neutronen-undurchlässig, d.h. mit maximalem Neutronenbildkontrast. In den Radiographie-Experimenten weisen größere Modellpartikel von 0,3 mm bis 0,5 mm im Durchmesser ein ausreichendes Kontrast-Rausch-Verhältnis in Neutronenbildsequenzen auf, die mit der Bildpixelgröße dpx = 0,1 mm und der Bildbelichtungszeit Te = 10 ms entsprechend der maximalen Bildrate fimg = 100 fps aufgenommen wurden. Für die Neutronenradiographie muss die Partikelgröße größer sein als die Bildpixelgröße, da die Neutronenbilder bei dieser kurzen Bildbelichtungszeit ein starkes Bildrauschen aufweisen.
Die neutronenradiographische Visualisierung der Gd-basierten Modellpartikel in Flüssigmetallströmungen wird durch das Bildrauschen erheblich beeinträchtigt. Zudem werden Blasen in flüssigen Metallen mit einem wesentlich geringeren Kontrast-Rausch-Verhältnis abgebildet als bei der Röntgenradiographie. Bei den Neutronen-Bildgebungsinstrumenten NEUTRA und ICON am Paul Scherrer Institut ist der Neutronenfluss der entscheidende Parameter, der die räumliche und zeitliche Auflösung der Neutronenbildsequenzen begrenzt. Im Vergleich zu den thermischen Neutronen bei NEUTRA liefert das ICON-Instrument durch eine größere Strahlöffnung einen höheren Fluss an kalten Neutronen, wodurch sich das Kontrast-Rausch-Verhältnis erkennbar verbessert. Es sei darauf hingewiesen, dass NEUTRA und ICON zu den weltweit führenden Neutronenradiographie-Instrumenten hinsichtlich des technisch verfügbaren Neutronenflusses gehören; sie werden im kontinuierlichen Modus betrieben und bieten eine nahezu homogene Beleuchtung in einem für bildgebende Strömungsmessungen geeigneten, großen Sichtfeld.
Im Gegensatz zu den schweren W- und Pb-basierten Modellpartikeln für die Röntgenradiographie haben die Modellpartikel aus Gadolinium oder Gadoliniumoxid eine effektive Dichte, die nahe an der Massendichte der Flüssigmetalllegierung liegt. Aufgrund ihrer niedrigen Stokes-Zahl eignen sich diese Partikel am besten als neutronen-durchlässige Tracerpartikel für radiographische Messungen und Strömungsanalysen unter Anwendung von Algorithmen der Particle Image Velocimetry (PIV), die für optische Messungen in transparenten Flüssigkeiten fest etabliert sind.
Das neutronenradiographische Experiment der partikelbeladenen Flüssigmetallströmung um ein zylindrisches Hindernis in einem 3 mm flachen Kanal waren durch eine einzelne aufsteigende Blase motiviert. Wie in Abb. 3 gezeigt, wurde dieser Flüssigmetall-Kreislauf mit Hilfe einer elektromagnetischen Induktionspumpe angetrieben, die es ermöglicht, die Strömungsgeschwindigkeit und somit die Reynoldszahl in einem weiten Bereich einzustellen. Mit Hilfe der Gadoliniumoxid-Partikel als Tracer in der Flüssigmetallströmung liefert die Neutronenradiographie visuelle Einblicke in das Strömungsfeld vor und hinter dem Zylinder. Die Unterscheidung und Verfolgung einzelner kleiner Partikel in der Nachlaufströmung des Zylinders, insbesondere vor der Bildung größerer Partikelagglomerationen, ist herausfordernd aufgrund des starken Bildrauschens in den Neutronenbildern. Die Flüssigkeitsströmung im Nachlauf eines Zylinders ist jedoch durch einen wesentlich geringeren Betrag der lokalen Geschwindigkeit gekennzeichnet. Unter der Annahme von Scherströmungsbedingungen in der Nachlaufregion wurden einzelne Partikel mit vergleichsweise langen Verweilzeiten identifiziert, die miteinander kollidieren.
Publikationen
- M. Birjukovs, P. Zvejnieks, T. Lappan, M. Sarma, S. Heitkam, P. Trtik, D. Mannes, S. Eckert, und A. Jakovics: Particle tracking velocimetry in liquid gallium flow around a cylindrical obstacle. Experiments in Fluids, 63(6):99, 2022, DOI: 10.1007/s00348-022-03445-2.
- T. Lappan: X-ray and neutron radiography of optically opaque fluid flows: experiments with particle-laden liquid metals and liquid foams, Dissertation, Technische Universität Dresden, 2021.
- T. Lappan, M. Sarma, S. Heitkam, D. Mannes, P. Trtik, N. Shevchenko, K. Eckert, und S. Eckert: X-ray and neutron radiographic experiments on particle-laden molten metal flows. In: J. Le, et al. (Eds.), Materials Processing Fundamentals 2021, S. 13-29, Springer International Publishing, 2021, DOI: 10.1007/978-3-030-65253-1_2.
- T. Lappan, M. Sarma, S. Heitkam, P. Trtik, D. Mannes, K. Eckert, und S. Eckert: Neutron radiography of particle-laden liquid metal flow driven by an electromagnetic induction pump. Magnetohydrodynamics, 56(2/3):167–76, 2020, DOI: 10.22364/mhd.56.2-3.8.
- T. Lappan, A. Franz, H. Schwab, U. Kühn, S. Eckert, K. Eckert, und S. Heitkam: X-ray particle tracking velocimetry in liquid foam flow. Soft Matter, 16(8):2093-2103, 2020, DOI: 10.1039/C9SM02140J.
- S. Heitkam, T. Lappan, S. Eckert, P. Trtik, und K. Eckert: Tracking of particles in froth using neutron imaging, Chemie Ingenieur Technik, 91(7):1001–1007, 2019, DOI: 10.1002/cite.201800127.