30.06.2017
Spitzenforschung in Sachsen: Symbiose der Hochtechnologiefelder „Leichtbau mit Carbon“ und „Energiespeicherung“
Start der Nachwuchsforschergruppe „e-Carbon“
Vor dem Hintergrund globaler Megatrends, wie der Verknappung von natürlichen Ressourcen bei einer gleichzeitig zunehmend individualisierten Lebensweise, stellen Energiespeicherung und Leichtbau wesentliche Schlüsseltechnologien unter anderem im Bereich innovativer Mobilitätskonzepte dar. Eine besondere Bedeutung bei der Entwicklung neuer Hightech-Produkte in diesen Branchen am Standort Sachsen spielt der nachhaltige Einsatz von neuartigen anforderungsgerechten Werkstoffen mit hoher Funktionsdichte, wofür Kohlenstofffasern ein enormes Potenzial aufweisen.
Wissenschaftlern der TU Dresden (TUD) ist es gelungen, eine interdisziplinäre Nachwuchsforschergruppe „e-Carbon“ (ESF-SAB 100310387), bestehend aus Chemikern, Textilern und Kunststofftechnikern ins Leben zu rufen, die in den nächsten 3 Jahren, beginnend ab 1. Juli 2017, maßgeschneiderte und multifunktionale Kohlenstofffasern für die Speicherung hoher Energiedichten gemeinsam entwickeln wird. Dieses zukunftsträchtige Projekt wurde von der TU Dresden und der Sächsischen Aufbaubank SAB-ESF aus mehr als 40 Anträgen als zukunftsweisendes Projekt ausgewählt.
Die komplexe Themenstellung wird durch Nachwuchswissenschaftler der TUD vom Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM), Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) sowie von der Professur für Anorganische Chemie I (AC1) bearbeitet. Durch die interdisziplinäre Ausrichtung des Konsortiums werden die besten Voraussetzungen mit weltweitem Alleinstellungsmerkmal für eine intensive wissenschaftliche und industrielle Vernetzung der Nachwuchsforscher in neuen Forschungsgebieten mit hoher praktischer Relevanz auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene geschaffen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Qualifizierung und Weiterbildung von Fachkräften für den sächsischen Arbeitsmarkt sowie auf der Ausgründung von Start-Ups und der Übernahme unternehmerischer Verantwortung in der Hochtechnologiebranche.
Professor Chokri Cherif, Koordinator der Nachwuchsforschergruppe und Direktor des ITM: „Die Arbeiten der Nachwuchsforschergruppe geben die Initialzündung für die weiterführende Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung auf dem Gebiet der Kohlenstofffasern. Wir werden einen neuen Maßstab in der Kohlenstofffaserentwicklung setzen und besondere Impulse weltweit ausstrahlen.“
Die notwendigen Maschinentechniken und Gerätschaften entlang der gesamten Entwicklungskette ist an den drei Instituten der TU Dresden bereits installiert. 2016 wurde das Research Center Carbon Fibers Saxony (RCCF), ein Forschungszentrum für Kohlenstofffasern durch das ITM und ILK der TU Dresden gegründet, um die einzigartigen Kompetenzen im Bereich der Entwicklung, Erforschung und Herstellung von Kohlenstofffasern frühzeitig am Leichtbaustandort Dresden zu bündeln. Somit steht nun für „e-Carbon“ bereits eine vollständige Stabilisierungs- und Carbonisierungsanlage zur Verfügung, um damit die neuartigen funktionalisierten Kohlenstofffasern zu entwickeln.
Mit den neuen Kohlenstofffasern lassen sich nicht nur Steifigkeiten und Festigkeiten noch deutlich erhöhen, sondern die Struktur kann für weitere Funktionen gezielt eingestellt werden. Die Kohlenstofffasern bieten mit ihrer großen inneren Oberfläche, die bisher nicht zugänglich ist, ein enormes Potenzial für Energiespeichersysteme, die zukünftig im Fokus der Nachwuchsforschergruppe stehen werden. Dies wird maßgeblich durch ein skalenübergreifendes interkonnektierendes Porensystem, d.h. mittels durchgängig vernetzter Hohlräume definierter Größe in den Fasern, ermöglicht. Ein bedeutender Vorteil bei der erweiterten Energiespeicherung besteht darin, dass hierbei die mechanischen Eigenschaften der konventionellen Kohlenstofffasern nicht beeinträchtigt werden und die Kohlenstofffasern sowohl als Aktivmaterial als auch als Stromableiter fungieren.
„Das Maßschneidern der Kohlenstofffasern und die Hybridisierung der Werkstoffe auf der Mikroskala wird deutlich höhere Batteriekapazitäten als bisher erschließen und vollständig neue Konstruktionsbauweisen für die Elektromobilität von der Mikro- bis zur Makroskala ermöglichen“, erklärt dazu Professor Hubert Jäger vom Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK). „Maßgeschneiderte Kohlenstofffasern bedeuten präzise Materialeigenschaften und sind eine Voraussetzung für hochbelastbare und energiereiche Batteriekonzepte mit hohem Leichtbaupotential. Das wird unser Beitrag für die Entwicklung neuartiger Elektromobilitätssysteme sein.“
Innerhalb verschiedener Forschungsschwerpunkte der Nachwuchsforschergruppe sollen Energiespeichersysteme auf Basis von Lithium-Schwefel-Batterien mit hoher Energiedichte Anwendung finden und perspektivisch Konzepte zur Übertragung der erarbeiteten Erkenntnisse im Bereich flexibler Doppelschichtkondensatoren mit schneller Energiespeicherung erstellt werden. Mit den Ergebnissen der Nachwuchsforschergruppe soll der industrielle Durchbruch in der Batterietechnik und der Elektromobilität erreicht werden. Professor Stefan Kaskel stellt nochmal deutlich heraus: „Die Integration von elektrischen Speicherelementen in Bauteile wird neue Märkte für Kohlenstoffmaterialien eröffnen. Sie bildet einen wichtigen Schritt für die Etablierung dezentraler Energiespeichersysteme“.