03.11.2023
Bipolare Störung frühzeitig erkennen und behandeln
Eine kürzlich an der TU Dresden durchgeführte Studie deutet darauf hin, dass Bipolare Störung die gesunde Entwicklung des Gehirns bei Jugendlichen beeinträchtigt und dass wiederholte Episoden den strukturellen Gehirnverfall bei Erwachsenen beschleunigen. Im Rahmen einer systematischen Übersichtsarbeit zu elf Längsschnitt-Bildgebungsstudien beobachtete das Team an der Professur für Klinische Psychologie und Behaviorale Neurowissenschaft den Verlust des Gehirnvolumens von Personen mit Biopolarer Störung im Vergleich zu gesunden Menschen im Laufe der Zeit.
Das menschliche Gehirn ist ein unglaublich komplexes Organ, das sich auch nach der Geburt und während der Pubertät weiterentwickelt und schließlich im frühen Erwachsenenalter seine Reife erreicht. Als Teil des natürlichen Alterungsprozesses beginnt das menschliche Gehirn dann, langsam an Volumen und Struktur zu verlieren. Das Gehirn ist also ein Organ, das vor allem in der Kindheit und Jugend extrem anfällig für Veränderungen ist.
Einige psychische Erkrankungen wie die Bipolare Störung, eine fortschreitende psychische Störung, können erhebliche Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung haben. Obwohl die Erkrankung bereits mit strukturellen Hirnveränderungen in Verbindung gebracht wird, ist nicht klar, wie diese Veränderungen im Laufe der Zeit entstehen. Dies liegt daran, dass es sich bei den meisten Studien zur Gehirnstruktur bei Bipolarer Störung um Querschnittsstudien handelt, bei denen viele Proband:innen zu einem einzigen Zeitpunkt untersucht werden. Dabei treten die ersten psychopathologischen Symptome bei späteren bipolaren Patienten häufig bereits im Kindes- und Jugendalter auf, daher ist es besonders interessant, die bipolare Störung in frühen Stadien (Jugendalter) und den späteren Krankheitsverlauf (Erwachsenenalter) zu untersuchen.
Ein Team von Psycholog:innen der TU Dresden hat sich aus diesem Grund entschlossen, eine systematische Übersichtsarbeit durchzuführen, die sich ausschließlich auf Studien konzentriert, bei denen dieselben Personen im Laufe der Zeit wiederholt untersucht wurden. In ihrer systematischen Literaturübersicht verglichen die Forscher:innen Ergebnisse aus elf Längsschnitt-Bildgebungsstudien mit insgesamt 329 bipolaren Patient:innen und 277 gesunden Kontrollprobanden. Hierbei interessierte sie insbesondere, wie sich die graue Substanz und das Volumen des Gehirns über die Zeit im Zusammenhang mit dem Krankheitsverlauf der Bipolaren Störung verändert.
Dr. Katharina Förster und ihr Team an der Professur für Klinische Psychologie und Behaviorale Neurowissenschaft machten dabei einige wichtige Beobachtungen: Erstens stellten sie eine positive Korrelation zwischen der manischen und depressiven Episoden bei erwachsenen Patienten und dem Ausmaß des Strukturverlustes im Laufe der Zeit fest. Mit anderen Worten: Je schwerer die Erkrankung bei einem Patienten ist, desto schneller altert sein Gehirn. Sie fanden auch heraus, dass Jugendliche mit Bipolarer Störung eine veränderte Gehirnentwicklung aufweisen. Während das Hirnvolumen bei gesunden Jugendlichen zunehmen sollte, blieb es bei Jugendlichen mit einer Bipolaren Störung im Laufe der Zeit stabil oder nahm sogar ab. Ein Teil des jugendlichen Gehirns, der besonders vom Volumenverlust betroffen ist, ist die Amygdala, eine kleine mandelförmige Masse, die mit dem Erleben von Emotionen verbunden ist.
Die Ergebnisse deuten an, dass ein jugendlicher Krankheitsbeginn mit spezifischen hirnstrukturellen Veränderungen assoziiert ist. Diese hirnstrukturellen Veränderungen könnten sich durch ein Zusammenspiel aus Reifungsprozessen des Gehirns und dem Beginn der bipolaren Störung ergeben. Die Ergebnisse deuten auch an, dass bereits diese ersten Episoden in der Jugend mit strukturellen Veränderungen des Gehirns einhergehen.
In der klinischen Praxis sollten daher Jugendliche und junge Erwachsene, die Anzeichen für die Entwicklung einer bipolaren Störung zeigen, im Laufe der Zeit überwacht werden und frühzeitig eine individuell geplante Behandlung, anstelle einer abwartenden Heransgehensweise erhalten.
Originalveröffentlichung:
Förster, K*, Horstmann, RH*, Dannlowski, U, Houenou, J, Kanske, P. Progressive grey matter alterations in bipolar disorder across the life span – A systematic review. Bipolar Disord. 2023; 25: 443-456. https://doi.org/10.1111/bdi.13318
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Medienanfragen:
Dr. Katharina Förster
Professur für Klinische Psychologie und Behaviorale Neurowissenschaft
TU Dresden
Tel.: +49 351 463-42165