Geotechnik historischer Bauwerke
Nicht nur für neu errichtete Bauwerke oder Erdbauwerke muss die Bauwerksgründung bzw. die Standsicherheit geprüft und nachgewiesen werden. Auch für bereits schon seit hunderten von Jahren stehende Bauwerke sind Kontrollen des Tragwerkes und Gründungssystems durchaus notwendig - vor allem dann wenn sich Auflasten ändern, diese auf nicht ausreichend tragfähigem Baugrund gegründet sind oder die Gründung durch äußere Einflüsse (Grundwasserspiegeländerungen, Hochwasser, Pflanzenwuchs etc.) beeinträchtigt wird.
Um Sanierungsmaßnahmen durchführen zu können, sind Baugrunduntersuchungen, die Kenntnis über (Kraft-)Einwirkungen von außen sowie ggf. auch eine Aufarbeitung von bisher durchgeführten Baumaßnahmen notwendig.
Am Schloss Wespenstein (Thüringen) kam es im November 2010 zum Teileinsturz einer Schlossmauer. Die im Innenbereich des Schlosses befindliche Mauer diente Jahrzehnte als Stützmauer für eines darüber großflächig angelegten Plateaus.
Bereits vor dem Einsturz ließen sich Verformungen im Mauerwerk beobachten. Anhand von Bildmaterial konnte eine Wandneigung von ca. 9,5° ermittelt werden. Aufnahmen aus vorangegangenen Arbeiten wiesen außerdem auf bereits größere Risse, Frostsprengungen und beschädigte Fugen in der Mauer sowie ausgelöste Mauerscheiben hin. Zudem ließ sich Pflanzenbewuchs am Mauerwerk feststellen, was auf eine Mauerwerksdurchfeuchtung hindeutete. Weiterhin war bekannt, dass 1988 16m hohe Bäume gefällt wurden, welche auf dem darüber liegenden Plateau standen.
Für die Ermittlung der Einsturzursache wurden Feld- und Laboruntersuchungen durchgeführt, um zum einen das anstehende Hinterfüllmaterial zu klassifizieren. Zum anderen mussten die Scherfestigkeiten des Hinterfüllmaterials sowie des Mauerwerkes und der Mauersteine ermittelt werden. Das Hinterfüllmaterial und Mauerwerk wurden als ein Schieferstein klassifiziert, dessen Eigenschaften stark richtungsabhängig sind.
Mittels Erddruckberechnungen und Berechnungen zum Mauerdruck konnte gezeigt werden, dass die Einsturzursache der Schlossmauer auf einen kontinuierlichen Versagensprozess zurückzuführen ist. Einerseits verursachte der immer größer werdende Wurzeldruck durch die hohen Bäume Verformungen im Mauerwerk. Andererseits konnte sich durch eine fehlende Drainage hinter dem Mauerwerk Wasser ansammeln. Eine zusätzliche Belastung infolge Wasserdrucks war die Folge. Dadurch nahmen die Verformungen zu und die rechnerische Gebrauchstauglichkeit der Mauer war nicht mehr gewährleistet. Auch die Baumfällung konnte die zunehmenden Verformungen nicht unterbinden, sodass ab einer Mauerneigung von ca. 5° auch die Kippsicherheit nicht mehr gegeben war. Weitere Verformungen führten zum Überschreiten der Druckfestigkeit im Mauerwerk und damit zu Rissen sowie Mauerwerksausbrüchen. Diese sukzessive Schwächung war der Grund für den Einsturz der Schlossmauer. Der Auslöser für den Einsturz wird wahrscheinlich der regenreiche November in 2010 gewesen sein, welcher zu einem Anstieg des Wasserdrucks hinter der Schlossmauer geführt hat.
Durch die immer häufiger wiederkehrende Extremwetterereignisse, welche mit dem Klimawandel verbunden sind, werden neben Wohngebäuden auch historische Bauwerke viel öfters der Gefahr des Hochwassers ausgesetzt. Die dadurch entstandenen Schäden am Kulturerbe hatten dieses fachübergreifende internationale Kooperationsforschungsprojekt angeregt, welches sich mit der Denkmalpflege in Bezug auf Hochwasserschutz beschäftigte.
Im CHEF (Cultural Heritage Protection against Flooding)-Projekt wurden die vielfältigen Einwirkungen infolge Hochwassers identifiziert, die Schäden am Kulturerbe klassifiziert und ein möglicher Schutz vorgeschlagen. Diese Vorgehensweise wurde an mehreren Beispielen, wie z. B. dem Schlosspark Pillnitz, den historischen Altstädten von Prag, Regensburg und Grimma oder einer mittelalterlichen Steinbrücke in Písek, vorgestellt. Ein Anliegen dieses Projektes war es, die Problematik des Hochwasserschutzes und der Denkmalpflege aus verschiedenen Gesichtspunkten, wie z.B. der Materialforschung, des Wasserbaus, der Bodenmechanik und Ingenieurgeologie, des Denkmalschutzes usw., zu beleuchten.
Ein Schwerpunkt vom Institut für Geotechnik lag u.a. darin, die Änderungen des Bodenverhaltens infolge Hochwassereinwirkung zu identifizieren. Die daraus resultierenden Einflüsse und möglichen Schäden an historischen Bauwerken wurden daraufhin aus geotechnischer Sicht klassifiziert. Weiterhin wurden mögliche geotechnische Baumaßnahmen für den Hochwasserschutz an zahlreichen Fallbeispielen präsentiert. Die Effekte des Wassers auf das Bodenverhalten während eines Hochwasserereignisses haben eine Schlüsselfunktion, da diese die Interaktion zwischen Boden und Bauwerksgründung beeinflussen. Dadurch können nicht nur Schäden am Denkmal, sondern im Grenzfall auch die Zerstörung des gesamten Gebäudes, eine Folge sein.