Böschungen
Böschungen begegnen uns z.B. in Küstennähe in Form von Deichen, entlang Verkehrswegen in Form von Lärmschutzdämmen oder auch in abgeböschten Baugruben. Immer steht die Standsicherheit dieser Erdbauwerke im Vordergrund. Die Sicherheit gegen Versagen bei verschiedenen Szenarien lässt sich mit Hilfe analytischer und numerischer Ansätze abschätzen. Diese Verfahren haben jedoch gemein, dass ein Wert für die Scherfestigkeit des anstehenden Bodens vorgeschrieben werden muss. Diese ist jedoch mit der Verschiebung und der dabei mobilisierten Scherspannung gekoppelt, welche in den Berechnungsansätzen nicht berücksichtigt wird.
Handelt es sich zudem um sehr große Böschungen, wie z.B. in einem Tagebau, sind die Berechnungen zur Abschätzung der Standsicherheit anspruchsvoll, da komplexe geologische und hydrologische Verhältnisse vorliegen. Daher werden diese Böschungen mit Messsystemen überwacht, um Informationen zu Verschiebungen und Porenwasserdruckänderungen zu erhalten, welche zusätzlich in die Berechnungen eingebunden werden können.
Gemessene bzw. mit Hilfe von numerischen Verfahren berechnete Verschiebungen in Böschungssystemen werden oftmals hinsichtlich der Früherkennung von Versagenszuständen ausgewertet. Am Institut für Geotechnik wurde untersucht, ob Verschiebungen bzw. die Kombination von Verschiebungen in unterschiedlichen Punkten in einem Böschungssystem auch für die Wiedererkennung von Vorgängen (z.B. Abbau von Porenwasserunter- oder -überdrücken, Kriechen, progressiver Bruch etc.) im Boden herangezogen werden können. Das Augenmerk lag dabei auf Verschiebungen während und nach einem Böschungsaushub. Hierfür wurden numerische Aushubsimulationen durchgeführt, welche verschiedene Vorgänge wie z.B. die Konsolidation nach einem undrainierten Aushub oder einer Grundwasserabsenkung mit anschließendem Aushub betrachteten. Die berechneten Verschiebungen wurden verglichen und hinsichtlich charakteristischer, wiedererkennbarer Muster ausgewertet.
Für eine idealisierte Böschung in homogenem Boden ließen sich dabei eindeutige Wiedererkennungsmerkmale feststellen, d.h. bestimmte Verschiebungsmuster lassen sich spezifischen Vorgängen im Boden zuweisen.
Eine Auswertung von in Feldversuchen gemessenen Verschiebungen und deren Vergleich mit bereits identifizierten Verschiebungsmustern geplant.
Viele Berechnunsgverfahren zur Bestimmung der Böschungsstandsicherheit gehen von vornherein vom Grenzgleichgewicht, einem Gleichgewichtszustand zwischen den einwirkenden und widerstehenden Kräften innerhalb eines Böschungssystems, aus. Die einwirkenden Kräfte werden dabei anhand des Eigengewichtes des potentiellen Gleitkörpers sowie eventuellen Auflasten etc. ermittelt. Die Widerstände werden unter Annahme einer Bruchbedingung, i.d.R. Mohr-Coulomb Modell, bestimmt. Die verwendeten Scherparametern (Reibungswinkel φ', Kohäsion c') spiegeln dabei die maximale Scherfestigkeit des Bodens wider. Jedoch geht aus Laborversuchen hervor, dass bis zur Mobilisierung der maximalen Scherfestigkeit eine Verformung stattfinden muss. Diese Verformung wird bei Standsicherheitsberechnungen vernachlässigt. Bei Böden, welche zur Entfestigung neigen, kann das Ansetzen der Peakscherfestigkeit zu einer Überschätzung der Standsicherheit führen, da nicht zeitgleich in allen Punkten entlang der potentiellen Gleitfläche die maximale Scherfestigkeit erreicht wird.
Das erarbeitete Verfahren ermittelt, mit Hilfe numerischer Elementversuche für Punkte entlang einer Gleitfläche, die Entwicklung der mobilisierten Scherfestigkeit in Abhängigkeit von der Scherdehnung. Die Integration der mobilisierten Scherfestigkeit in Abhängigkeit von der Scherdehnung in allen Punkten führt zu einer dehnungsabhängigen Böschungsstandsicherheit.
Für die Berechnung der Böschungsstandsicherheit werden i.d.R. der Reibungswinkel φ' sowie die Kohäsion c' (Scherfestigkeit im spannungsfreien Zustand) zur Bestimmung des Scherwiderstandes genutzt. Diese, aus Laborversuchen stammenden Parameter, sind bodenspezifisch und unterliegen gewissen Schwankungen, welche statistisch erfasst werden können. Auf Grundlage dieser statistischen Parameterverteilung lässt sich die Böschungsstandsicherheit für verschiedene Parameter berechnen. Daran wiederum lässt sich ein Sicherheitsniveau ableiten. Die wissenschaftlichen Zusammenhänge zwischen der statistischen Verteilung von Scherkennwerten und dem Standsicherheitsniveau sind dabei bisher nicht vollständig geklärt und werden deshalb näher untersucht.