Mikromechanische Analyse von Korngerüsten
Die Mehrheit der konstitutiven Modelle für Böden sind für einen Kontinuumsansatz formuliert. Ihre Entwicklung basiert auf Beobachtungen, des sogenannten Elementverhaltens im Labor. Hierbei werden Bodenproben als homogen angenommen und können durch einen Wert für Spannung und Dehnung beschrieben werden. Durch die Nutzung dieser Variablen bei der mathematischen Beschreibung des Bodenverhaltens, bestehen Kontinuumsmodelle aus Gleichungen der effektiven Spannung, welche die Dehnung abhängig vom geometrischen Anfangszustand und aktuellen Zustand beschreibt.
Eigenschaften von weiterentwickelten Stoffmodellen basieren auf sogenannten inneren Variablen, welche für z.B. die Beschreibung von Anisotropie oder der Verformungsgeschichte verwendet werden. Ein Beispiel hierfür ist der Tensor der intergranularen Dehnungen, welcher die Steifigkeit bei kleinen Dehnungen kontrolliert. Die meisten inneren Variablen basieren auf theoretischen Überlegungen, die experimentelle Überprüfung ist meist schwierig, bzw. fehlt.
Die schnelle Entwicklung optischer Methoden eröffnet die Möglichkeit ein besseres Verständnis des Bodenverhaltens in Laborversuchen zu erhalten. Mittels Röntgentomographie kann der Verformungszustand einer Probe im Elementversuch gezeigt werden, woraus sich erkennen lässt, dass er keinesfalls homogen ist, auch wenn die externe Beobachtung dies vermuten lässt. Um das Bodenverhalten besser zu verstehen, wird am Institut für Geotechnit die Verbindung zwischen dem Verhalten auf Mikro- und Makroebene untersucht. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse können in die Entwicklung von kontinuumsbasierten Stoffmodellen einfließen.
Ein Wechsel der Belastungsrichtung hat große Auswirkungen auf das Bodenverhalten. Dieses Phänomen wurde in der Vergangenheit intensiv mit Standardversuchen untersucht. So ändert sich beispielsweise die Steifigkeit einer Bodenprobe abrupt bei einem Lastwechsel. Außerdem wurde ein Bereich nach einem Lastwechsel gefunden, der sich quasi elastisch verhält. Makroskopisch kann dieses Phänomen mit Hilfe von elasto-plastischen oder hypoplastischen phänomenologischen Modellen über sogenannte Zustandvariablen modelliert werden.
Die folgenden Frage drängt sich auf: Ist diese Verhaltensweise ein ausschließlich makroskopisches Phänomen oder organisiert sich die Struktur des Bodens in einer Art und Weise, die dieses elastische Verhalten abbildet/erklärt? Simulationen mit der Diskreten Elemente Methode (DEM) haben dieses Verhalten bereits mikromechanisch untersucht [z.B. O'Sullivan and Cui, 2009]. Die Autoren fanden, dass sich die Kontaktstruktur während der Lastumkehr kaum ändert: die Koordinationszahl und die Anisotropie der Struktur verändern sich nur leicht und die Bewegungen der individuellen Körner verhalten sich 'elastisch'. Obwohl diese DEM Simualtionen aufgrund der Annahmen zum Kontaktverhalten und den einfachen Partikelformen stark idealisiert sind, könnten die Beobachtungen zumindest qualitativ auf reales Bodenverhalten übertragen werden.
Momentan fehlt es allerdings an einer experimentellen Validierung der mikromechanischen Ergebnisse solcher numerischen Untersuchungen. Daher führen wir entsprechende Experimente im Röntgen-Tomographen durch, um diese Lücke zu füllen.
Mit Hilfe der Röntgen-Tomographie ist es möglich, drei-dimensionale Bilder von Proben zu machen, ohne diese zu zerstören. Dieses Verfahren erlaubt, Bilder einer Probe während einer äußeren Belastung (wie z.B. isotrope, ödometrische oder triaxiale Kompressionsexperimente) zu erstellen.
Diese Bilder können hinsichtlich unterschiedlicher Gesichtspunkte ausgewertet werden:
- Kinematik der Probe, z.B. Verschiebungen und Verzerrungen von einem zum nächsten aufgenommenen Zustand/Bild
- Struktur der Probe, z.B. Positionen der Körner oder die Orientierung von Kornkontakten und Körnern in jedem aufgenommenen Zustand/Bild
- und vielen anderen ...
Unsere Untersuchungen beschäftigen sich vor allem mit der Untersuchung udn Beschreibung der Kornkontakte. Die Bestimmung der Kornkontakte ist aufgrund der inhärenten Eigenschaften von Tomographien allerdings problembehaftet. Unsere grundlegende Studie hat gezeigt, dass die normalerweise verwendeten Bildbearbeitungstools zu einer systematischen Überdetektierung der Kontakte führen (es werden wesentlich mehr Kontakte gefunden als tatsächlich existieren) und ein Bias bei der Bestimmung der Kontaktorientierung eingeführt wird. Für eine quantitative Bestimmung der Kontaktstruktur müssen diese Fehler berücksichtigt und verringert werden.
Um das Verhalten von Granulaten auf der Partikelskala zu untersuchen, existieren verschiedene Verfahren, wie zum Beispiel die Diskrete Elemente Methode, das Lattice-Boltzmann Verfahren oder die contact dynamics Methode. Wir arbeiten mit der Diskreten Elemente Methode: hierbei werden die Interaktionen der elastischen Partikel mit Feder-Reibungs-Dämpfer Kontaktmodellen modelliert – diese können allerdings so formuliert werden, dass sie unterschiedliche Effekte berücksichten.
Wir verwenden diese Simulationen hinsichtlich verschiedener Ziele:
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um die Bildbearbeitungstools, die an echten Tomographien eingesetzt werden sollen, zu validieren. Dafür können numerische Proben kreiert und belastet werden. Aus diesen numerischen Proben können an gewählten Punkten der Belastung synthetische Bilder erstellt werden. Diese Bilder müssen echten Tomographien ähneln, ihre inhärenten Eigenschaften (Rauschen, Unschärfe und den “partial volume effect”) also ebenfalls besitzen. Die Ergebnisse der Auswertung der synthetischen Bilder können mit der Referenzstruktur aus den numerischen Simulationen verglichen werden und erlauben so eine quantitative Bestimmung der Genauigkeit der verwendeten Tools.
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um die Ergebnisse aus den Experimenten zu vervollständigen. Numerische Experimente werden ähnlich, aber vereinfacht, zu den realen Experimenten durchgeführt. Der große Vorteil der Simulationen ist, dass die gesamte Palette an mikromechanischen Größen exakt (unter Berücksichtigung der Modelle) bestimmt werden kann. Dazu gehören unter anderem Kontaktkräfte, die bisher noch nicht direkt aus realistischen Experimenten bestimmt werden können.
Laborversuche, wie beispielsweise der Triaxialversuch, dienen zur Untersuchung des mechanischen Verhaltens von Böden. Dabei wird klassischerweise angenommen, dass sich die Bodenprobe vollkommen homogen verhält und somit die an den Rändern gemessenen Spannungen und Dehnungen in der gesamten Probe herrschen. Dies entspricht jedoch nicht der Realität, denn innerhalb der Probe lokalisieren sich die Dehnungen in sogenannten Scherzonen.
Um dieses heterogene Verhalten genauer zu untersuchen, wird die Mikrostruktur der Bodenprobe mithilfe von Röntgenaufnahmen aufgelöst. Anschließend können einzelne Bereiche genauer analysiert werden. Die Wahl der Größe dieser Bereiche ist dabei von großer Bedeutung: Die untersuchten Elemente müssen repräsentativ sein! Aus diesem Grund haben wir ein zuverlässiges Verfahren zur Bestimmung dieser repräsentativen Volumenelemente in Abhängigkeit der gewählten Variable entwickelt. Damit kann die Bodenprobe folgendermaßen untersucht werden:
- Die Heterogenität verschiedener Variablen kann in ausgewählten Zuständen des Bodens charakterisiert werden.
- Die Entwicklung dieser Heterogenität kann analysiert werden.
- Das Verhalten einzelner Bereiche der Probe kann miteinander verglichen werden.