Mehrfachrissbildung in Carbonbeton
Inhaltsverzeichnis
Projektdaten
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Bericht aus dem Jahrbuch 2023
Fugenbewegungen überbrücken
In großen, flächigen Bauteilen aus Beton und Stahlbeton findet man oft Fugen. Sie sind integraler Bestandteil von Verkehrs- und Industrieflächen. In Bauteilfugen konzentrieren sich Schadstoffe, wie z. B. Chloride und Sulfate, die im Wasser gelöst in die Fugen transportiert werden und die Bauteile langsam zerstören können. Die Schadstoffe beeinträchtigen die Dauerhaftigkeit der Bauteile und führen ggf. zur Kontaminierung der darunterliegenden Bodenschichten, wenn sie den Beton langsam zersetzen. Um Schäden zu vermeiden, werden Fugenabdichtungen eingesetzt, deren Dauerhaftigkeit i. d. R. auf wenige Jahre begrenzt ist.
Doch warum brauchen diese Bauteile Fugen? Thermisch und hygrisch bedingte Eigenverformungen in flächigen Bauteilen sorgen für Spannungskonzentrationen und Risse, wenn nicht Bewegungs- und Scheinfugen eine Ausdehnung einzelner Bereiche ermöglichen. Eine fugenüberbrückende Deckschicht aus Beton mit Carbonbewehrung verteilt singuläre Fugenverformungen in ein gestreutes, feines Rissbild und kann damit flächige Bauteile vor Schäden schützen.
Eine derartige Deckschicht nimmt über den Fugenkreuzen zweiaxiale Zug- und Druckbelastungen auf. Vergangene Untersuchungen an Textilbeton unter zweiaxialer Zugbeanspruchung standen immer vor der Herausforderung einer zwangsfreien Lasteinleitung in den Probekörper. Leicht wird der innere Spannungszustand des Probekörpers durch Materialverstärkungen im Lasteinleitungsbereich oder die geometrische Form der Lasteinleitung beeinflusst. Ebenso häufig versagte der Probekörper an der Lasteinleitung. In diesem Projekt wird mit der Modifizierung der Lasteinleitung begonnen, um einen gleichmäßigen, zweiaxialen Spannungszustand in Carbonbetonproben zu erzeugen, um das Trag- und Verformungsverhalten, die Rissbildung und das Verbundverhalten von Carbon und Beton unter Querzug erforschen zu können.
Der eingesetzte Luftporenbeton erfordert präzise Arbeit bei der Herstellung, da die Zusatzmittel für die gewünschten Frisch- und Festbetoneigenschaften genau eingestellt werden müssen. Bei ersten Probebetonagen war die Konsistenz zu steif und der Luftporengehalt dementsprechend groß bzw. zu flüssig und es kam zu Entmischungen. Die Mischrezeptur konnte Schritt für Schritt verbessert werden, sodass ein für Straßenanforderungen geeigneter Beton entstand.
Kurzfassung
Fugen sind in flächigen Bauteilen aus Beton, z. B. Industrieflächen, Park- und Verkehrsflächen, Stützwänden etc. integrale Bestandteile, um ungewollte Zwangsrisse zu vermeiden. Thermisch und hygrisch bedingten Eigenverformungen konzentrieren sich in Bewegungs- und Scheinfugen, in welche flüssige Medien einschließlich enthaltener Schadstoffe (Chloride, Sulfate, Alkalien, Kohlenwasserstoffe etc.) eindringen können. Dies beeinträchtigt die Dauerhaftigkeit der Bauteile und führt ggf. zur Kontaminierung der darunterliegenden Bodenschichten oder sogar Ausspülungen. Zur Vermeidung der genannten Schädigungen werden Fugenabdichtungen eingesetzt, die eine auf wenige Jahre begrenzte Dauerhaftigkeit besitzen.
Das Verbundvorhaben der Ruhr-Universität Bochum und der TU Dresden behandelt ein alternatives Lösungskonzept zur Fugenüberbrückung. Mit Hilfe von dünnen, textilbewehrten Betonschichten werden Fugen in unbewehrten oder nur schwach bewehrten Betonbauteilen überbrückt. Als Bewehrung wird Carbonbewehrung, die sich durch einen hohen Korrosionswiderstand und eine vergleichsweise hohe Zugtragfähigkeit auszeichnet, bevorzugt. Durch die großen singulären Fugenbewegungen im Grundbauteil würde bei herkömmlichen Betondeckschichten ein breiter Einzelriss entstehen. Ziel ist es, dass die feine, hochfeste Carbonbewehrung das singuläre Rissbild auf plurale, wesentlich kleinere Risse verteilt.
Die Fugenüberbrückung aus Carbonbeton unterliegt bei den genannten Anwendungen flächiger Bauteile besonderen Beanspruchungen. Dazu gehören Zugspannungen, die sich in der Betondeckschicht bei kalten Jahreszeiten aufbauen, da die Fugen sich öffnen. Umgekehrt entstehen Druckspannungen in der warmen Jahreszeit, wenn sich die Fugen schließen. Bei großen Betonflächen treten diese Spannungszustände an Fugenkreuzen in zwei Richtungen auf. In Dresden wird deshalb das Trag- und Verformungsverhalten unter ein- und zweiaxialer Zugbelastung untersucht. Dabei werden unterschiedliche Materialkombinationen getestet. Untersucht werden die Rissentwicklung unter Zug und Querzug, das Verbundverhalten von Carbongelege und Beton sowie der Einfluss des Querzugs auf den Verlauf der Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung. Daraus folgt die Entwicklung eines Modells zur Beschreibung des Verbundes zwischen Carbongelege und Beton unter zweiaxialer Beanspruchung. Die gesammelten Erkenntnisse fließen in praxistaugliche Regelungen ein, sodass eine Fugenüberbrückung in dieser Bauweise weitreichend angewandt werden kann.