Entwurf von Tragstrukturen – Natur, Architektur und Ingenieurbau (D850)
Allgemeine Angaben:
- Diplomarbeit Nr. D850
- Bearbeiter: Katrin Schwiteilo
- Verantwortl. Hochschullehrer: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach
- Betreuer: Steffen Marx, Dirk Jesse
- Bearbeitungszeitraum: 11/2009-03/2010
Aufgabe
In der Diplomarbeit sollten Tragprinzipien von natürlichen Strukturen analysiert und daraus allgemeingültige Grundsätze für den Entwurfsprozess abgeleitet werden. Dazu sollten Strukturen auf verschiedenen Maßstabsebenen (Mikro-, Meso- und Makroebene) untersucht werden. Im zweiten Teil der Arbeit sollten diese Prinzipien zur Analyse verschiedener Beispiele der gebauten und natürlichen Umwelt angewendet werden. Dazu war mindestens ein Einzelobjekt näher zu untersuchen und zu beschreiben. Abschließens sollte als Alternative zur realisierten Zentralhaltestelle am Postplatz in Dresden eine eigene Tragstruktur für eine Überdachung entwickelt werden. Anhand dieser Struktur sollte die Anwendung von bionischen Entwurfsprinzipien verdeutlicht werden.
Ergebnisse
Die Natur bietet mit ihren allgemein gültigen Prinzipien (Abb. 1) der Gestaltung von Strukturen einen leicht umsetzbaren und effektiven Leitfaden, nicht nur im Bereich des Bauwesens. Ein gezielter, minimaler Einsatz von Ressourcen, bei gleichmäßiger Auslastung, und energiesparende Methoden, durch Multifunktionalität, Integration, Spezialisierung oder Nutzung kostenfreier Energien, stellen in allen Bereichen des menschlichen Lebens einen Vorbildcharakter dar, ebenso wie die vollständige Wiedereingliederung von zeitlich limitierten Materialien in Stoffkreisläufe. Die Natur behält die Gesamtheit einer Struktur „im Auge“ und optimiert sie in einem langen Evolutionsprozess. Die Einzelfunktionen werden dabei nicht optimal ausgebildet, da sie sonst meist die Gesamtfunktion beeinträchtigen. Natürliche Tragstrukturen können jedoch nicht einfach kopiert werden. Die einzelnen Bereiche der Materialien (Mikro), der Bauteile und Strukturen (Meso) sowie ganzer Tragwerke (Makro) gehen fließend ineinander über und zumeist werden mehrere aus einem Bereich verwendet. Genau dies scheint das Geheimnis der Natur zu sein. Die Schwierigkeit besteht lediglich in der Umsetzung in die Bautechnik. Dennoch bieten natürliche Konstruktionen noch viele, auch neue Ansatzpunkte für „bessere“ Tragwerke.
Am Beispiel der MEDIATHEK in Sendai wird gezeigt, wie gut die intensive Zusammenarbeit von Ingenieuren und Architekten funktionieren kann. Durch die unterbewusste Orientierung an einigen natürlichen Grundprinzipien ist eine einzigartige, funktionelle Tragstruktur entstanden, obwohl die Form des Gebäudes aus einer reinen Fiktion des Architekten herrührt. Die Vorgabe der umfassenden Multifunktionalität und die intensive Einbindung in die Umgebung zogen weitere biologische Grundprinzipien nach sich. Die Gesamtheit der Struktur stand in der langen Planungsphase stets im Vordergrund, auf die die einzelnen Teile abgestimmt wurden. Fast wie es die Natur vormacht. Bei der anschließenden Entwicklung eines Alternativentwurfs für den Postplatz in Dresden entstand ein neuartiges und modernes Tragwerk (Abb. 2). Eine gewisse Anlehnung an natürliche Strukturen ist unübersehbar. Die Umsetzung ist dennoch keine Naturkopie. Sind die Grundprinzipien der Natur die Basis für einen Entwurf, beeinflussen sie diesen mit großer Wahrscheinlichkeit positiv. Der typische Leichtbau, filigran und funktionsbezogen, ist dabei stark vertreten. Je detaillierter die Rahmenbedingungen und Kriterien sowie Funktionen vorgegeben werden, desto individueller und unkonventioneller wird die Lösung, wie die entstandene Vorzugsvariante zeigt. Die Kombination von mehreren Tragstrukturen macht das System zwar komplexer, jedoch auch deutlich wirkungsvoller. Die Realisierbarkeit der außergewöhnlichen Konstruktion konnte nachgewiesen werden. Ob es dabei gelungen ist, eine bessere Alternative für den POSTPLATZ zu erarbeiten, muss jeder Leser selbst entscheiden.