Untersuchung der Querkrafttragfähigkeit textil verstärkter Plattenbalken (D820)
Allgemeine Angaben:
- Diplomarbeit Nr. D820
- Bearbeiter: Alexander Lindorf
- Verantwortl. Hochschullehrer: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach
- Betreuer: Anett Brückner
- Bearbeitungszeitraum: 8/2004 - 11/2004
Zielstellung:
Im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 528 erfolgt am Institut für Massivbau seit einigen Jahren Grundlagenforschung zu textilen Verstärkungen für Stahlbetonbauteile. Bestandteil der Forschung ist die Untersuchung der Querkrafttragfähigkeit von Plattenbalken, welche mit Schichten aus in Feinkornbeton eingelegten Textilgeweben verstärkt sind. Dazu werden anhand von Vierpunktbiegeversuchen unterschiedlich verstärkte Plattenbalken experimentell geprüft. Ein Ergebnis dieser Versuche ist, dass sich durch extern aufgebrachte Verstärkungen an bügelbewehrten Plattenbalken die Querkrafttragfähigkeit gegenüber unverstärkten Balken nachweislich steigern lässt. Durch eine Variation verschiedener Einflussgrößen sind erste Gesetzmäßigkeiten und unterschiedliche Versagensarten sichtbar.
Zahlreiche Parallelen zu den textil verstärkten Plattenbalken weisen Balken auf, die mittels Faserverbundkunststoffen (FVK), auch bekannt als fiber reinforced polymers (FRP), auf Schub verstärkt werden. Diese Methode, bei welcher meist gleichgerichtete Fasern in eine Epoxydharzmasse eingelegt und auch mittels Epoxydharz am Bauteil appliziert werden, hat bisher einen wesentlich höheren Entwicklungsstand erreicht und wird bereits baupraktisch genutzt. Es liegen sowohl zahlreiche Erkenntnisse aus analog durchgeführten Versuchen, als auch eine Vielzahl von Berechnungsansätzen vor. Inwieweit die diesen Ansätzen zu Grunde liegenden Bemessungsmodelle für textil verstärkte Plattenbalken nutzbar sind, ist noch offen. Bei Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den beiden Schubverstärkungsarten soll versucht werden, ein zutreffendes Querkraftmodell für die Bemessung an textil verstärkten Plattenbalken zu ermitteln oder eines auf deren Verhältnisse anzupassen.
Auf Grundlage einer Literaturstudie ist der derzeitige Forschungsstand im Hinblick auf vorhandene Bemessungskonzepte für FRP verstärkte Balken zu erfassen. Die verwendeten Methoden sollen analysiert und bewertet werden. Die Anwendbarkeit der Bemessungsansätze auf textile Verstärkungen soll überprüft werden. Die Parallelen zu den FRP sind aufzuzeigen und wichtige Erkenntnisse auf die weitere Entwicklung der textilen Schubverstärkungen zu übertragen.
Sofern sich keines der Modelle als auf textil verstärkte Plattenbalken anwendbar erweist, sind Vorschläge für eine Modellmodifikation zu unterbreiten bzw. Empfehlungen für zukünftige Untersuchungen zu geben.
Durchführung
Im ersten Schritt ist es erforderlich, die verschiedenen technischen Möglichkeiten und Varianten der Querkraftverstärkung mittels FRP näher zu betrachten. Nachfolgend werden die in der Literatur aufgeführten Bemessungsmethoden näher dargestellt und analysiert.
Im Einzelnen handelt es sich um die Verfahren von:
- TRIANTAFILLOU / 1998
- TRIANTAFILLOU & ANTONOPOULOS / 2000
- KHALIFA ET AL. / 1998
- KHALIFA & NANNI / 2000
- PELLEGRINO & MODENA / 2002
- WATSON BOWMAN ACME CORP. / 2002
- CANADIAN STANDARDS ASSOCIATION (CSA) / 2000
- CHEN ET AL. / 2002
Um Ansagen zu den Vor- und Nachteilen dieser Bemessungsmethoden treffen zu können, werden umfangreiche Nachrechnungen von publizierten Versuchsergebnissen sowohl für verstärkte als auch für unverstärkten Balken durchgeführt. Dabei dient das prozentuale Verhältnis zwischen experimenteller und berechneter Querkrafttragfähigkeit als Grundlage der Bewertung. Trotz einer vorgenommenen, mechanisch begründeten Verbesserung der Bemessungsansätze stellen sie für die Querkraftbemessung von Schubverstärkungen aus FRP ein unzureichendes Hilfsmittel dar. Keines der zumeist schwer nachvollziehbaren Bemessungsmodelle erfasst die Verhältnisse am verstärkten Plattenbalken in ausreichendem Maße. Dies ist sicher einer der Gründe dafür, dass die Bemessungsmodelle bisher nur recht zögerlich in Baunormen aufgegriffen wurden.
[Gelöschtes Bild: /die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_bauingenieurwesen/imb/studium/bauingenieurwesen/biw5-02/Abgeschlossene Arbeiten/D820/d820_01.gif Alternativtext: Bildunterschrift: ] Bild 1: Ergebnisse der Nachrechnungen von FRP verstärkten Balken/ ohne Modifikation
In den analog durchgeführten Nachrechnungen der Versuchsergebnisse des Institutes für Massivbau ist die Anwendbarkeit der Konzepte auf die noch wenig erforschten Verhältnisse bezüglich der Schubtragfähigkeit von textil verstärkten Plattenbalken überprüft worden. Trotz einer auch hier vorgenommenen Modifikation der Ansätze, welche zu durchaus verbesserten Resultaten führt, bleibt das Ergebnis der Untersuchung weit hinter den gestellten Erwartungen zurück. Eine zutreffende Querkraftbemessung an textil verstärkten Plattenbalken wird mit den vorhandenen Bemessungskonzepten nur sehr bedingt erreicht.
[Gelöschtes Bild: /die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_bauingenieurwesen/imb/studium/bauingenieurwesen/biw5-02/Abgeschlossene Arbeiten/D820/d820_02.gif Alternativtext: Bildunterschrift: ] Bild 2: Ergebnisse der Nachrechnungen von textil verstärkten Balken/ ohne Modifikation
Die vorhandenen Bemessungskonzepte basieren meist auf empirischen Zusammenhängen. Sie sind damit ohne die dafür zugrunde gelegten konkreten Messergebnisse aus Belastungsversuchen mit FRP verstärkten Balken kaum verständlich und damit äußerst schwer auf Balken mit einer textilen Verstärkung übertragbar. Um ähnliche empirische Ermittlungen der Verhältnisse bei textil verstärkten Plattenbalken durchführen zu können, reicht die Anzahl der bisherigen Versuche statistisch nicht aus. Dies wird erst mit der weiteren Erforschung dieser Verstärkungsmethode und dem Vorliegen neuer Versuchsergebnisse realisierbar.
Ergebnis
Es wird deshalb ein Querkraftmodell vorgeschlagen, mit dem die beobachteten Effekte nicht auf empirischem Wege, sondern mittels von am Modell nachvollziehbaren mechanischen Zusammenhängen erklärt werden können. Dazu wird das bekannte Fachwerkmodell für die Querkraftbemessung von bügelbewehrten Stahlbetonbalken für das Auftragen einer externen Verstärkung erweitert. Diese Erweiterung führt zu einem einfach statisch überbestimmten Stabwerkmodell, bei welchem material- und geometrieabhängige Stabsteifigkeiten eine wichtige Rolle spielen.
[Gelöschtes Bild: /die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_bauingenieurwesen/imb/studium/bauingenieurwesen/biw5-02/Abgeschlossene Arbeiten/D820/d820_03.gif Alternativtext: Bildunterschrift: ] Bild 3: Mechanisches Fachwerkmodell
[Gelöschtes Bild: /die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_bauingenieurwesen/imb/studium/bauingenieurwesen/biw5-02/Abgeschlossene Arbeiten/D820/d820_04.gif Alternativtext: Bildunterschrift: ] Bild 4: Stabwerkmodell für textil verstärkte Plattenbalken
Die mit Hilfe dieses Modells gewonnenen Erkenntnisse werden zu einem Bemessungsvorschlag aufbereitet. Nachfolgend entsprechend durchgeführte Nachrechnungen der Versuche an textil verstärkten Plattenbalken führen zu deutlich versuchsnäheren Ergebnissen.
Bild 5: Ergebnisse der Nachrechnungen von textil verstärkten Balken/ mit Modifikation sowie gemäß dem neuen Bemessungsvorschlag (L)
Bei dem dargestellten Bemessungsvorschlag handelt es sich um erste Überlegungen auf der Basis noch weniger durchgeführter Belastungsversuche. Ein Vorteil des Bemessungsvorschlages besteht darin, dass auf Grundlage eines verhältnismäßig einfachen statischen Systems Verbesserungen und Erweiterungen leicht zu integrieren sind, um so zu einer umfassenden Bemessungsmethode zu gelangen.
Thesen zur Diplomarbeit
- Die Querkrafttragfähigkeit bügelbewehrter Stahlbetonplattenbalken kann durch eine nachträglich extern aufgebrachte, textile Querkraftverstärkung nachweislich entscheidend erhöht werden.
- Die noch am Anfang ihrer Entwicklung stehenden textilen Querkraftverstärkungen für Stahlbetonplattenbalken sind in ihrer Wirkung gegenüber anderen Methoden der Querkraftverstärkung als interessante Alternative einzustufen.
- Im strukturellen Aufbau, in der Tragwirkung und in der Art und Weise des Bauteilversagens weisen textile Querkraftverstärkungen und Querkraftverstärkungen auf Basis von Faserverbundkunststoffen viele Parallelen auf.
- Für die Querkraftbemessung von Verstärkungen aus Faserverbundkunststoffen bietet die Literatur eine Vielzahl von Bemessungsmethoden, die bisher noch keinen Eingang in nationale Baunormen fanden.
- Eine Modifikation der aus der Literatur entnommenen Methoden für die Querkraftbemessung von Stahlbetonbalken führt zu einer größeren Annäherung an die Realität. Als Grundlage der Modifikation dient das in der aktuellen deutschen Normengebung verwendete Fachwerkmodell.
- Es werden verschiedene Querkraftbemessungskonzepte für mit Faserverbundkunststoffen verstärkten Stahlbetonbalken verglichen. Dies erfolgt unter der Verwendung charakteristischer Kennwerte und eines einheitlichen Anteils des Betons an der Querkrafttragfähigkeit.
- Die in der Literatur enthaltenen Bemessungskonzepte für Schubverstärkungen auf Basis von Faserverbundkunststoffen treffen für die Beschreibung der Verhältnisse an textil verstärkten Plattenbalken nur bedingt zu und sind kaum anpassbar.
- Die Entwicklung eines neuen Bemessungsansatzes für Plattenbalken mit extern aufgebrachten Querkraftverstärkungen ist folgerichtig. Er basiert auf einem statisch unbestimmten Stabwerkmodell unter Verwendung spezifischer Stabsteifigkeiten.
- Das Stabwerkmodell wurde für die Querkraftbemessung des Sonderfalles vertikaler Stahlbügel und einer Querkraftverstärkung, die unter einem Winkel von 45° zur Bauteilachse angebracht wird, aufgestellt.