Band 4 (G. Flemming, 2001)
Günther Flemming, 2001:
Angewandte Klimatologie von Sachsen (Basis- und Zustandsklima im Überblick
(ISBN 3-86005-268-3)
Vorwort
Das Klima stellt die zeitliche Synthese des atmosphärischen Zustandes über einen längeren Zeitraum dar. Sucht man nach Gesamtdarstellungen des Klimas von Sachsen, so findet sich wenig Befriedigendes. Die bekannte und oft zitierte "klassische" - aber auch nur mittleren Umfang aufweisende - Übersicht von GOLDSCHMIDT (1950a) ist inzwischen schon mehr als ein halbes Jahrhundert alt! Die meteorologische Forschung hat die regionale Klimatologie zeitweise vernachlässigt. Der hohe Bedarf der Anwendungsgebiete an klimatologischen Ergebnissen wurde damit nicht gedeckt. Die Geografie lieferte zwar ihrerseits verdienstvolle klimatologische Beiträge (z. B. HENDL 1991), jedoch umfassen diese nicht alle Klimaelemente und erscheinen auch in methodischer Hinsicht ergänzungsbedürftig. Die vorliegende Schrift widmet sich vor allem den Zwecken der angewandten Klimatologie. Sie will damit den zahlreichen Interessenten aus Wasser-, Land- und Forstwirtschaft, Hygiene, Medizin, Umweltschutz, Raumplanung, Energie-, Bau- und Verkehrswesen, Industrie u. a. entgegenkommen. Die Fragen der räumlichen Differenzierung und der Wirkungen des Klimas haben Vorrang vor den Problemen der zeitlichen Struktur des Witterungsablaufs. Die Zusammenfassung des Wesentlichen hat höhere Bedeutung als die Aufsummierung des Vorhandenen, ohne andererseits größere "weiße Flecken" zu belassen. Im Einzelnen soll diese Zielstellung durch folgende methodische Gesichtspunkte erreicht werden:
- Übersichtlichkeit im Sinne eines "Baukastensystems" gewährt die "Zweistufenmethode" (Kap.2.2). Sie unterscheidet vom Menschen unbeeinflussbare Erscheinungen (Basisklima: Einflüsse von geografischer Lage, Meereshöhe, Relief) und anthropogen beeinflussbare Prozesse (Zustandsklima: Einflüsse von Gehölzen und Siedlungen).
- Es werden nicht nur Klimaunterschiede innerhalb Sachsens besprochen (Kap. 6 bis 8), sondern vorher in den Kapiteln 4 und 5 auch die klimatologische Einordnung Sachsens in Deutschland bzw. Mitteleuropa (vgl. 2.1).
- Die zeitlichen Entwicklungen (Tagesgang, Jahresgang, Großwetterlagen, Klima der Zukunft) erhalten ein besonderes Kapitel (3), um die Darstellung der räumlichen Unterschiede zu entlasten. Die Großwetterlageneinflüsse werden nur gestreift, da sie in der angewandten Klimatologie ohnehin eine untergeordnete Rolle spielen.
- Es sollen möglichst alle Klimaelemente, neben Temperatur und Niederschlag also auch Strahlung, Wind, Luftfeuchte, Nebel, Bewölkung, Verdunstung und Luftqualität (Immission und Deposition) einbezogen werden. Die Luftqualität gehört als atmosphärische Größe selbstverständlich zum Klima, auch wenn sie in Deutschland in den letzten Jahrzehnten verwaltungstechnisch leider oft vom Klima getrennt wurde.
- Der sonst meist vernachlässigte Messfehler des Niederschlags wird berücksichtigt (vgl. 2.3).
Beim Lesen von Arbeiten regionalklimatologischen Inhalts stößt man immer wieder auf neuen Forschungsbedarf. Das Problem bestand für den Verfasser darin, unter Verzicht auf eigentlich notwendige ergänzende Forschungsarbeiten einen Überblick über den Gegenwartsstand des Wissens zu geben. Die Kenntnislücken erschienen bei Abschluss des Manuskripts teilweise eher größer als zu Beginn. Erschwerend wirkte sich der Umstand aus, dass viele Forschungsergebnisse unveröffentlicht bleiben und deshalb schwer zugänglich sind, sei es in Forschungsberichten von Instituten oder als Gutachten von Ingenieurbüros. Autoren solcher Arbeiten werden gebeten, ihre Ergebnisse über das Klima Sachsens dem Verfasser zugänglich zu machen, damit sie in einer eventuellen späteren Auflage besser berücksichtigt werden können.
Eigentlich müsste eine regionalklimatologische Darstellung drei Teile haben, erstens einen Teil mit den Schwerpunkten Klimagenese, Klimamodellierung und räumlich-zeitliche Struktur des Klimas, zweitens einen Teil, der - unter bewusst auswählender Beschränkung - vom Klima die Brücke zu den Anwendungsgebieten schlägt, drittens einen Karten- und Tabellenteil. Beispielsweise entspricht für das Nachbarland Thüringen das bekannte - heute nicht mehr ausreichende - Buch von KOCH (1953) gleichsam dem ersten Teil, jenes von EHWALD (1956) mehr dem zweiten. Die vorliegende Übersicht für Sachsen stellt in diesem Sinne einen solchen zweiten Teil dar. Die Erarbeitung einer ausführlichen Datenquelle mit zahlreichen Klimatabellen und -karten war trotz dringenden Bedarfs nicht beabsichtigt, diese Aufgabe kann am besten vom Deutschen Wetterdienst gelöst werden. Außerdem geht die Bedeutung gedruckter Datenquellen im EDV-Zeitalter ohnehin zurück. Ferner sind Aufwand und Kosten für die Wiedergabe
moderner vielfarbiger Klimakarten hoch. In der vorliegenden Schrift können als Kompromiss nur einige stark vereinfachte Klimakärtchen wiedergegeben werden. Für die Literaturauswahl bestand der Grundsatz, dass vor allem Übersichtsdarstellungen und für die Anwendungsgebiete besonders wichtige Aufsätze - einschließlich jener aus früherer Zeit - ausgewählt wurden. Auch nur annähernde Vollständigkeit wäre unmöglich gewesen. Die ursprünglich vorgesehene Obergrenze von 100 Seiten wurde dennoch überschritten. Wiederholungen ließen sich nicht immer vermeiden, um die verschiedenen Hauptkapitel unabhängig voneinander lesbar zu halten. Mehr lokale Einzelheiten als Kapitel 4 und 5 enthalten die Kapitel 6 bis 8.
Die Messergebnisse stammen naturgemäß oft aus dem Osterzgebirge, speziell dem Tharandter Wald, d. h. den Untersuchungsgebieten der langjährigen Dienststelle des Verfassers, dem Lehrstuhl für Meteorologie an der Technischen Universität Dresden. Für fördernde Diskussionen danke ich vor allem Herrn Dr. FREYDANK vom Regionalen Gutachtenbüro (Klima- und Umweltberatung) des Deutschen Wetterdienstes in Sachsen, Herrn Dipl.-Met. KÜCHLER vom Landesamt für Umwelt und Geologie sowie Herrn Dipl.-Met. J. FLEMMING, für Rat und Hilfe vieler Art meiner Frau, M. FLEMMING. Gute Zusammenarbeit und vielfältige Unterstützung verdanke ich den Herausgebern und der Redaktion der "Tharandter Klimaprotokolle". Die sächsische Landeszentrale für politische Bildung stellte dankenswerterweise die Übersichtskarte von Sachsen (Abb.1.1) kostenlos zur Verfügung.
G. Flemming
Herbst 2000