Band 7 (T. Grünwald, 2003)
Thomas Grünwald, 2003:
Langfristige Beobachtungen von Kohlendioxidflüssen mittels
Eddy-Kovarianz-Technik über einem Altfichtenbestand im Tharandter Wald
(ISBN 3-86005-314-0)
DISSERTATION
zur Erlangung des akademischen Grades
doctor rerum naturalium (Dr. rer. nat.)
Ziel dieser Arbeit ist die langfristige Quantifizierung des atmosphärischen CO2-Austauschs eines Altfichtenbestandes an der Ankerstation Tharandt sowie die Untersuchung von meteorologischen Einflussgrößen und der Kopplung von CO2- und Wasserhaushalt. Grundlage dafür sind Eddy-Kovarianz-(EC-)Messungen, die im Rahmen der EU-Projekte EUROFLUX und CARBOEUROFLUX seit 1996 durchgeführt werden.
Unter Verwendung von teilweise spezifischen Korrekturverfahren sind auf Basis dieser hochfrequenten Messungen halbstündige Werte des vertikalen atmosphärischen CO2-Flusses berechenbar. Durch die hohe zeitliche Auflösung von 30 Minuten und die kontinuierlichen Messungen lassen sich Aussagen über die Funktion des Ökosystems auf verschiedenen zeitlichen Ebenen (Tag, Jahreszeit, Vegetationsperiode, Jahr) treffen. Die jährlichen Raten des seit 1996 beobachteten Netto-CO2-Austauschs reichen (unter Beachtung unterschiedlich turbulenter Bedingungen des atmosphärischen Transports) von -501 gCm-2a-1 (2001) bis -708gCm-2a-1 (1999). Demzufolge fungiert der Fichtenbestand auf Jahresebene netto als CO2-Senke mit vergleichsweise hohen Beträgen (im Verhältnis zu anderen europäischen Messstandorten). Die Menge des assimilierten Kohlendioxids (Bruttoprimärproduktion) entspricht ca. dem dreifachen Betrag der Netto-CO2-Senke. Zwei Drittel des photosynthetisch gebundenen CO2 werden innerhalb eines Jahres durch Respirationsprozesse im Ökosystem (z.B. Bodenatmung) wieder frei gesetzt.
Zur Identifizierung der Abhängigkeiten zeitlich hoch aufgelöster Werte des CO2-Austauschs (Halbstundenmittel) werden diese in nächtliche (respirationsdominiert) und tägliche Flüsse (überwiegend assimilationsdominiert) getrennt. Wie von kürzeren Kammermessungen bekannt, zeigen sich auch auf Ökosystemebene deutliche Abhängigkeiten von Umweltvariablen: der nächtliche CO2-Austausch zeigt eine exponentielle Abhängigkeit von der Bodentemperatur und wird zudem von der Bodenfeuchte beeinflusst; der tägliche CO2-Austausch ist auf dieser zeitlichen Ebene von der photosynthetisch aktiven Strahlung abhängig, indem er sich asymptotisch einem Sättigungswert annähert. Dieser maximale Wert des assimilationsdominierten CO2-Austauschs variiert mit der Lufttemperatur (wie auch die Lichtnutzungseffizienz und die Tagatmung). Zur Parametrisierung der diese Abhängigkeiten beschreibenden Modelle ist es erforderlich, wenig turbulente atmosphärische Verhältnisse auszuschließen, da die EC-Messungen nur unter ausreichend turbulenten Bedingungen den gesamten atmosphärischen CO2-Austausch repräsentieren.
Auf Jahresbasis zeigen sich mit Ausnahme einer linearen Abhängigkeit der Bruttoprimärproduktion von der mittleren Lufttemperatur nur schwach ausgeprägte Abhängigkeiten (z.B. zur Summe der photosynthetisch aktiven Strahlung). Kein Zusammenhang ist zwischen dem jährlichen Netto-CO2-Austausch bzw. der jährlichen Bruttoprimärproduktion und der Niederschlagssumme bzw. der Länge der Vegetationsperiode erkennbar (letzteres könnte auch an der Definition der Dauer der Vegetationsperiode liegen). Die jährlichen Raten von Gesamt- und Bodenatmung weisen erwartungsgemäß eine deutliche lineare Temperaturabhängigkeit auf, da für deren Berechnung temperaturabhängig modellierte Werte (z.B. Tagatmung) verwendet werden. Aus diesem Grund ist auch auf der Basis von Monatswerten eine exponentielle Abhängigkeit der Atmungskomponenten von der Lufttemperatur gegeben. Die assimilationsdominierten Komponenten Netto-CO2-Austausch und Bruttoprimärproduktion zeigen auf dieser zeitlichen Ebene im Unterschied zu den Jahreswerten eine ausgeprägte lineare Abhängigkeit von der photosynthetisch aktiven Strahlung.
Bisher nicht vollständig geklärt werden konnte die Bedeutung der CO2-Advektion. Nach derzeitigem Stand wird davon ausgegangen, dass diese nicht-turbulenten Flussanteile mit Hilfe der verwendeten Korrekturverfahren indirekt in der Bilanzierung des jährlichen Netto-CO2-Austauschs berücksichtigt werden. Hieraus möglicherweise resultierende systematische Fehler beträfen hauptsächlich den nächtlichen CO2-Austausch und damit die Respirationskomponente.
Der auf Blattebene existente Zusammenhang zwischen Assimilationsrate und stomatärer Leitfähigkeit ist auch auf der Ebene des Ökosystems/Einzugsgebietes empirisch nachweisbar (Kopplung des normierten Netto-CO2-Austauschs der Ankerstation Tharandt und des Bestandesleitwertes des Wernersbachgebietes auf Basis von Tageswerten). Dadurch ist die Möglichkeit der Extrapolation der Zeitreihe des CO2-Austauschs gegeben. Die Berechnungen der jährlichen Netto-CO2-Senke (bis 1972) zeigen unter anderem, dass der CO2-Haushalt mit größerer Sensitivität auf die klimatische Variabilität reagiert als der Wasserhaushalt.
Deutliche Differenzen in der Rate der jährlichen CO2-Senke (C-Äquivalente) wurden zwischen den EC-Messungen und unabhängigen Zuwachsabschätzungen (auf Basis biometrischer Kennziffern) festgestellt. Letztere betragen nur ca. 1/4 bis 1/3 der mikrometeorologisch bestimmten C-Fixierung. Die Ursachen dafür sind noch nicht geklärt.