N2O in Kläranlagen - Teilprojekt 6: Untersuchung von Möglichkeiten der biologischen N2O-Verminderung
Förderkennzeichen | 02 WA 910 2/9 |
Finanzierung | Bundesministerium für Forschung und Technologie |
Bearbeitungszeitraum | 1991 - 1994 |
Projektleitung | Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Lützner |
Projektbearbeitung | Dipl.-Ing. Volker Kühn Dr. rer. nat. Heike Brückner |
Kooperationspartner |
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg - Institut für Biologie II/ Mikrobiologie |
Universität Hannover - Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik | |
Universität Stuttgart - Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft | |
Universität Hamburg - Institut für Allgemeine Botanik, Abteilung Mikrobiologie | |
TU Braunschweig - Institut für Siedlungswasserwirtschaft | |
TU Hamburg-Harburg - Arbeitsbereich Gewässerreinigungstechnik |
Zielstellung
Ausgehend von den ständig sich verschärfenden Anforderungen an die Emissionsbegrenzung von Abwasserreinigungsanlagen ist es notwendig, neben der weitgehenden Entfernung der gelösten und partikulären Abwasserinhaltsstoffe auch die für den Reinigungsprozess benötigte Luft in unbedenklicher Form an die Umwelt zurückzugeben. Im Bereich der Stickstoffelimination spielen dabei gasförmige Stickstoffkomponenten eine entscheidende Rolle. Problembehaftet für biologische Prozesse ist beispielsweise die Elimination von ausgasendem Ammoniak aus der vorhandenen Abluft. Es handelt sich hierbei um eine außerordentlich reaktive Komponente. Einerseits sind chemisch-physikalische Prozesse zur Rückgewinnung, andererseits auch biologische Verfahren zur Umsetzung in unschädliche Stoffe möglich. Dabei können die vielfältigen Erfahrungen aus der biologischen Abwasserbehandlung zur Nitrifikation (NH3 [NH4+] ⇒ NO3- + H+) mit Erfolg eingesetzt werden.
Für die vorliegenden Untersuchungen galt es eine weitere Stickstoffverbindung, das Distickstoffmonoxid (N2O, Lachgas, Stickoxydul), aus Abluftströmen zu entfernen. Grundsätzlich können für eine derartige Verfahrensführung chemisch-physikalische Verfahren zum Einsatz gebracht werden. Unter der Gegebenheit, dass es sich bei Lachgas um ein Inertgas handelt, sind die Anforderungen an die Gasbehandlung jedoch extrem hoch und i. a. nur mit einer thermischen Behandlung und unter Einsatz von Katalysatoren möglich.
Infolge der positiven Erfahrungen mit der biologischen Abluftbehandlung über Biofilter wurde jedoch eine derartige Verfahrensführung als Untersuchungsschwerpunkt gesetzt, da einerseits auf zahlreichen Abwasserbehandlungsanlagen derartige biologische Abluftfilter vorhanden sind, andererseits es sich bei diesen Anlagen um investitions- und betriebskostengünstige Lösungen handelt.
Gemäß dem derzeitigen Wissensstand ist davon auszugehen, dass sich Lachgas sowohl in belüfteten (aeroben) als auch in unbelüfteten (anoxischen) Kläranlagenbereichen als Zwischenstufe der Stickstoffoxidation bzw. -reduktion bildet. Für die Entweichung aus dem Flüssigkeitsstrom kommen prinzipiell zwei Möglichkeiten in Betracht:
- Übersättigung mit N2O ⇒ Ausgasung durch Überschreiten der maximalen Löslichkeit bzw.
- Ausgasung mit einem anderen Gas einerseits durch Überschreitung des Partialdruckes, andererseits durch zusätzliche Zugabe als Strippgas.
Dadurch kann es unabhängig von der Entstehungsquelle bei konventionellen Belebtschlammanlagen sowohl in unbelüfteten als auch in belüfteten Beckenzonen zur N2O-Ausgasung kommen.
Infolge dieser unterschiedlichen Gasaustrittsbedingungen lassen sich die zu erwartenden Gasgemische bezüglich ihrer Zusammensetzung grob klassifizieren:
- Stickoxydulreiches, sauerstoffarmes (bis sauerstofffreies) Gas mit Hauptanteil N2 aus anaeroben/anoxischen Zonen,
- sauerstoffreiches, stickoxydularmes Gas mit Hauptanteil N2 aus aeroben Zonen.
Dabei sind jeweils mehr oder weniger große Anteile an ausblasbaren Abwasserinhaltsstoffen enthalten. Folgende Zielsetzungen für die Abluftreinigungsversuche wurden deshalb formuliert:
1. Labortechnischer Abbau von N2O aus Gasen mit verschiedener Gaszusammensetzung
In diesem Versuchsabschnitt sollten folgende Erkenntnisse ermittelt werden:
- Nachweis einer biologischen Reduktionsmöglichkeit mittels Biofiltration,
- Test ausgewählter natürlicher und synthetischer Materialien für den Einsatz als Filterschüttung in Biofiltern,
- Einfluss von verschiedenen Sauerstoffkonzentrationen auf die mikrobielle Reduktion des N2O und
- Einfluss von Gasen mit inhibierender Wirkung auf den N2O-Abbau.
Für diese Untersuchungen mussten geeignete Versuchsapparaturen (Reaktoren) sowie die geeignete Analysentechnik konzipiert werden.
Grundsätzlich sollten synthetisch hergestellte Gasgemische (Fa. Messer Grießheim) eingesetzt werden, welchen keine organischen Inhaltsstoffe zugefügt waren.
Im Ergebnis wurden die Ermittlung eines geeigneten Filtermaterials, optimaler Prozessparameter und einer zulässigen Filterbelastung bezüglich Lachgas
gefordert.
2. Errichtung einer einstufigen Belebungsanlage mit Fassung der N2O-haltigen Abluft Reduktion auf halbtechnischer Versuchsbasis.
Dazu mussten folgende Teilabschnitte ausgeführt werden:
- Planung einer Versuchsanlage mit Hilfe von Messdaten des Gesamtvorhabens sowie der durchgeführten Laborversuche.
- Aufbau der Anlage sowie Betrieb für eine N2O-Produktion, die die Wirksamkeit der geplanten Filteranlagen signifikant nachvollziehbar macht. Hierfür war die getrennte Erfassung der Abluftströme von Beckenzonen mit unterschiedlichem Sauerstoffmilieu notwendig. Die Behandlung der Abluft aus aeroben Beckenteilen sollte durch einmalige Passage des Filtermaterials der Aerobfilter, die der Abluft aus den anaerob/anoxischen Beckenteilen durch eine Kreislaufstrippanlage mit N2O-Abreicherung in einem anoxisch betriebenen Filter erfolgen.
-
Ermittlung der Prozess- und Leistungsparameter der vorgeschlagenen Filteranlage sowie Bemessungskonzeption für die großtechnische Verwirklichung.
Ergebnisse
Alle durchgeführten Untersuchungen beziehen sich auf Lachgasvolumenanteile größer 10 ppm in den verwendeten synthetischen Gasen und in der Abluft aerober sowie anaerober/anoxischer Beckenteile.
Das Ziel der Laborversuche bestand darin, den N2O-Abbau über eine Filtersäule nachzuweisen und Aussagen über den Reduktionsverlauf zu treffen. Dazu wurden verschiedene Aufwuchsträger, davon zwei künstliche und drei natürliche, getestet. Mit einem N2O/He-Gasgemisch wurde der vollständige mikrobielle Abbau des N2O und die Bildung von Stickstoff und Kohlendioxid unter Substratüberschuss nachgewiesen.
In weiteren Versuchen mit unterschiedlichen Aufwuchsträgern zeigte sich, dass Rindenmulch Vorteile aufweist. Dieses versäuert sehr langsam, so dass der Filter auch nach Ruhepausen von sieben bis zehn Tagen sofort N2O reduziert.
In einem Dauerversuch über 10,5 Wochen wurde N2O bei einer N2O-N-Raumbelastung von 0,067 g/(l · d) und 0,035 g/(l · d) vollständig abgebaut.
Mit einem Gasgemisch aus 512 ppm N2O und 8.672 ppm Sauerstoff und einer N2O-N-Raumbelastung von 0,088 g/(l · d) wurde ein nahezu konstanter N20-Abbau von 20 - 30 % und eine O2-Reduktion von 15 - 20 % bis zum Abbruch des Versuches nach 300 Stunden erreicht. Dazu erfolgte eine einmalige Animpfung der Säule mit Belebtschlamm.
Der Einsatz von Heidekraut-Torf ist nur bei ständiger Beschickung mit einem Elektronenakzeptor möglich, da der pH-Wert bei einer intervallmäßigen Zuführung sehr schnell absinkt und die N2O-Reduktion damit zum Erliegen kommt. Bei einer kontinuierlichen N2O-N-Raumbelastung größer 0,146 g/(l · d) kann der Heidekraut-Torf-Filter auf Grund seiner hohen Substratfreisetzung pro Zeiteinheit wesentlich mehr Stickoxydul umsetzen (CSB-Äquivalent = 1,69 g in 29 Tagen) als Rindenmulch.
Die Verwendung von Rindenmulch-Humus ist nicht zu empfehlen, da das Substrat wahrscheinlich nur aus dem Rindenmulch kommt. Ein weiterer Nachteil des Humus besteht darin, dass er sehr fein ist und damit schnell zum Verstopfen der Saule beiträgt. Die Rindenmulch-Humus-Säule konnte N2O aus einem 0,9 Vol % O2 enthaltenden Gasgemisch erst nach Adaption der Biomasse über mehrere Tage abbauen.
Bei Verwendung inerter Aufwuchsträger ist das gesinterte Polystyren dem Poraver auf seiner einfacheren Handhabung vorzuziehen. Dabei ist jedoch eine ständige Substratzugabe notwendig, wobei gleichzeitig der beim N2O-Abbau ständig ansteigende pH-Wert in der Säule abgesenkt werden muss.
Versuche zum Einfluss von Sauerstoff als Störgas bei der N2O-Reduktion zeigten, dass N2O bis zu einem Anteil von 0,9 Vol % O2 im Abgas (nach Animpfen der Säule mit Biomasse) bei ausreichender Nährstoffzufuhr und konstanter Beschickung mit dem Gasgemisch ohne Probleme abgebaut werden kann. Bei einem Sauerstoffanteil von 4,05 Vol % reichte das Animpfen der Säule nicht aus. Erst nach einer 21-stündigen Beschickung mit einem N2O/N2-Gasgemisch baute der Filter N2O unter O2-Einfluss ab.
Untersuchungen mit dem Inhibitor H2S zeigten, dass 10 mg H2S bei einer Säule mit einem Volumen von 0,49 l und einer Filterfläche von 0,49 · 10-4 m2 ausreichen, um eine Hemmung des N2O-Abbaus von 83,5 % über 40 Stunden zu erreichen. Bei Vorhandensein von 0,9 Vol % O2 und 512 ppm N2O im Abgas wurde nach der Zugabe von 5,0 und 20,0 mg H2S pro Säule keine Hemmung der N2O-Reduktion beobachtet.
Bei der Dosierung von N2O-Stößen zu einem 0,9 Vol % O2 und 512 ppm N2O enthaltenden Gas, zeigte sich, dass Stöße bis 0,32 mg N2O-N (bezogen auf ein Liter Gas = 50 % N2O-N-Erhöhung) vollständig abbaubar sind. Erst bei der Zugabe von 0,64 mg N2O-N wurde Stickoxydul am Säulenausgang nachgewiesen.
Messungen der CO2-Konzentrationen nach dem Filter sowie eine ständige pH-Wert-Kontrolle zeigten, dass der pH-Wert der Säule bei der Beschickung mit N2O/O2-haltigen Gasen (bis zu 500 ppm Sauerstoff im Gas) ständig kontrolliert und wenn nötig, neu eingestellt werden muss. Erst bei Sauerstoffkonzentrationen ab 0,17 Vol % im Abgas stabilisierte sich der pH-Wert durch die großen Mengen an sich bildendem Hydrogencarbonat im schwach basischen Bereich.
Bei Anfahrversuchen mit diskontinuierlicher N2O-Beschickung (6 Stunden N2O/ 18 Stunden ohne N2O) bei einer N2O-N-Raumbelastung von 0,1 g/(l · d) wurde eine Lachgasreduktion sowohl mit N2O/N2-haltigem Gasgemisch als auch mit einem N2O/N2/O2-haltigem Gasgemisch (8.672 ppm O2) nachgewiesen.
Die Errichtung der erforderlichen Versuchsanlage zur Behandlung kommunalen Abwassers mit Abluftfassung wurde erfolgreich durchgeführt. Gleichzeitig wurden 2 betriebsfertige halbtechnische und 2 betriebsfertige kleintechnische Filteranlagen zur Behandlung der anfallenden Abluft hergestellt. Die geplante Kreislaufstrippanlage an anoxischen Beckenteilen mit regelbarer Gasmembranpumpe wurde errichtet. Ein sauerstofffreier Betrieb konnte nur mit zusätzlicher Stickstoffeinspeisung ermöglicht werden.
Die Versuche zur N2O-Erzeugung im Hauptstrom erbrachten keine Möglichkeit, eine willkürliche Lachgaserzeugung für die Beschickung der angeschlossenen halbtechnischen Filter zu realisieren.
Die bei niedriger Abwassertemperatur erreichten Lachgasemissionen konnten ablufttechnisch aufgrund der Freiluftaufstellung aller Anlagenteile nicht behandelt werden.
Versuche zur N2O-Erzeugung auf Basis einer externen Überschussschlammbehandlung erbrachten die Möglichkeit einer willkürlichen Lachgasentstehung. Hierfür wurde eine entsprechende Versuchanlagenkonfiguration erstellt. Die Behandlung dieser Abluft in den kleintechnischen Biofiltern erbrachte keine Eliminationsleistung für das enthaltene N2O. Die vermutlichen Gründe sind in Punkt 5.3. des Berichtes erläutert.
Folgende Ergebnisse zu Ursachen der Lachgasentstehung in kommunalen Belebtschlämmen wurden gefunden:
- Eine N2O-Erzeugung ist am günstigsten mit Hilfe einer Zugabe von leicht metabolisierbarem Substrat bei gleichzeitiger pH-Wert-Absenkung auf Werte unter 5,5 und anschließendem langsamen pH-Wert-Anstieg möglich.
- Acetylen erwies sich als guter Hemmstoff für eine Lachgasreduktion bei allerdings gleichzeitiger hoher Hemmung der Nitrifikation.
- Bedingungen, die bei normalem Kläranlagenbetrieb zu einer verstärkten N2O-Ausgasung führen würden, ohne gleichzeitig eine maßgebliche Verringerung des Reinigungseffektes bzw. einen Betriebszusammenbruch herbeizuführen, konnten nicht nachgewiesen werden.
- Längere N2O-Entstehungsraten, insbesondere in belüfteten Beckenteilen, sind bei
- maßgebenden Verfahrensumstellungen (nachgewiesen 1,5 % der zugeflossenen Stickstofffracht)
- sowie in Betriebsbereichen mit abnehmender Nitrifikationsleistung bei niedrigen Abwassertemperaturen (3..8 °C) (nachgewiesen 10 % der zugeflossenen Stickstofffracht)
zu erwarten.
Eine Elimination von diskontinuierlich anfallenden und gleichzeitig bezüglich der Konzentration stark schwankenden Lachgasmengen in kleintechnischen Abbauversuchen konnte nicht erreicht werden.
Der Abbau gleichmäßig anfallender Lachgasfrachten ist durch eine entsprechende Dimensionierung in Biofiltern möglich. Folgende Dimensionierungsrichtwerte bei einer mittleren Abgastemperatur von 20 °C werden empfohlen (Tabelle 1):
Die vorgeschlagenen Dimensionierungswerte wurden ausschließlich mit synthetischen Gasgemischen ermittelt. Durch wechselnde Sauerstoffanteile, gasförmige organische Stoffe, Temperaturschwankungen und inhibierende Gasanteile können erhebliche Abweichungen auftreten. Ein Abbautest mittels kleintechnischer Versuche ist deshalb notwendig. Als alternatives biologisches Verfahrenskonzept bietet sich für eine eventuell notwendige Lachgasreduktion bei stark schwankendem Anfall bezüglich Dauer und Konzentration die Reinigung in Biowäschern an.
Schlagwörter
Abwasserbehandlung, Stickstoffelimination, Nitrifikation, Denitrifikation, N2O, NO, Treibhauseffekt