Vergleichende Untersuchung zur Leistungsfähigkeit von saisonal belasteten, klein bemessenen Pflanzenkläranlagen und des Einflusses hoher Sulfidkonzentrationen auf den Betrieb
Förderkennzeichen | 32535/01 |
Finanzierung | Deutsche Bundesstiftung Umwelt |
Bearbeitungszeitraum | 2015 - 2017 |
Projektleitung | Prof. Dr. sc. techn. Peter Krebs |
Projektbearbeitung | Dipl.-Ing. Thomas Schalk |
Veranlassung
Im Jahr 2009 wurde für das Kanuheim Lübbenau eine Bodenfilteranlage zur Behandlung der ausschließlich im Sommerhalbjahr anfallenden Abwässer errichtet. Durch die Berücksichtigung der saisonalen Belastung bei der Bemessung wurde die Anlage mit einer kleineren Oberfläche errichtet als sich nach dem damals gültigen DWA-A 262 ergab. Bau und Betrieb wurden durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt in den Projekten AZ 27143/1 und AZ 27143/2 gefördert. Für die Einhaltung der Mindestanforderungen hat sich die Kläranlage bewährt. Die Nitrifikationsleistung der Anlage war entgegen der erfahrungsgemäß hohen Leistungsfähigkeit von Vertikalbodenfiltern gering. Zusätzlich wurde in den ersten Jahren eine hohe Nitritanreicherung beobachtet. Da die TKN-Oberflächenbelastung im Regelfall die für konventionell bemessene Vertikalfilter zulässigen 10 g/(m²·d) nicht überschritt, ist eine negative Beeinflussung der Nitrifikation durch einen Hemmstoff naheliegend. Als wahrscheinliche Ursache gilt das in der Vorklärung gebildete Sulfid. Das primäre Ziel des Projektes bestand in der Untersuchung des Sulfideinflusses auf die Nitrifikation in Vertikalfiltern, unter Berücksichtigung möglicher Adaptionseffekte.
Durchführung
Die seit 2010 am Kanuheim Lübbenau durchgeführten Messungen wurden fortgesetzt und durch die Untersuchung eines zweiten Vertikalfilters ergänzt, der etwa zehn Jahre länger unter ähnlichen Bedingungen betrieben wurde. Zur Bestimmung der Nitrifikationsleistung unter ungehemmten Bedingungen wurde ein Test zur Ausfällung des Sulfids in der Vorklärung durchgeführt. Darüber hinaus wurde der Einfluss von Sulfid auf die Nitritanreicherung unmittelbar nach Inbetriebnahme von Bodenfiltern in Laborversuchen untersucht.
Ergebnisse
Sowohl in den Vor-Ort-Untersuchungen an der Kläranlage des Kanuheims Lübbenau als auch in den labortechnischen Versuchen wurde bestätigt, dass Sulfid die Ursache für die Hemmung der Nitrifikation ist. Während Sulfid die Ammoniumoxidation dauerhaft in Abhängigkeit der Konzentration hemmt, können sich Nitritoxidierer an hohe Sulfidkonzentrationen adaptieren. Die Nitritoxidation reagiert anfangs empfindlicher auf Sulfid. Kennzeichen dafür ist die in den ersten beiden Jahren festgestellte Nitritanreicherung von bis zu 55 mg NO2-N/l. Die Adaptierung benötigt mehrere Jahre, bleibt aber nach Belastungspausen erhalten. Die NO2-N-Jahresmittelwerte sanken im Projektverlauf von i. M. 28 mg/l im Jahr 2010 auf i. M. 0,1 mg/l im Jahr 2017. Die Oxidation des Ammoniums war bis einschließlich 2016 unvollständig. Die hemmende Wirkung des Sulfids kann durch das Rezirkulationsverhältnis beeinflusst werden. Die Einleitung von nitrathaltigem, gereinigtem Abwasser in die Vorklärung führt zur Oxidation des Sulfids und damit in Kombination mit dem Verdünnungseffekt zur Verringerung der Sulfidkonzentrationen. Die Effektivität ist von der rückgeführten Nitratfracht abhängig und damit von der erreichten Nitrifikationsleistung.
Die schadensbedingte Unterbrechung der Rezirkulation führte infolge des Eintrags sehr hoher Sulfidkonzentrationen zur vollständigen Nitrifikationshemmung. Durch die damit einhergehende Änderung der Redoxverhältnisse im Bodenfilter setzten Phosphor-Rücklösungsprozesse ein, die zur Ausschwemmung von Phosphor aus dem Filter führten. Bei sinkenden Sulfidkonzentrationen normalisierte sich der Anlagenbetrieb wieder, wobei es mehr als zwei Monate dauerte, bis die Nitrifikation erkennbar einsetzte und vier Monate bis zur Überwindung der Hemmung. Auswirkungen auf die Nitritoxidation wurden in diesem Zusammenhang nicht festgestellt. Durch die dauerhafte Erhöhung des Rezirkulationsverhältnisses auf etwa 1 (Abwasser/Rezirkulation) wurde im Jahr 2017 eine weitgehend vollständige Nitrifikation erreicht. Die NH4-N-Ablaufwerte, die in den Jahresschreiben 2010 – 2016 zwischen 22 und 76 mg/l lagen, sanken auf i. M. 4,0 mg/l. Der aus den Ergebnissen abgeleitete IC50 für die Hemmung der Ammoniumoxidation liegt bei rd. 75 mg Sulfid/l und damit deutlich über Werten, die für Belebtschlammsysteme angegeben werden. Der IC50 für die Hemmung der Nitritoxidation lag in den ersten beiden Jahren bei rd. 60 mg/l.
Der auf Grundlage der Ergebnisse konkretisierte Bemessungsansatz wurde in der DWA-Arbeitsgruppe KA-10.1 diskutiert und in das neugefasste DWA-Arbeitsblatt A262 aufgenommen.
Fazit
Die Bemessung eines saisonal belasteten Vertikalfilters mit abgeminderter Oberfläche hat sich bewährt. Die Mindestanforderungen sind seit der Inbetriebnahme eingehalten worden, die Nitrifikation war aufgrund der besonderen Standortbedingungen (hohe Sulfidkonzentrationen) über lange Zeit gehemmt, konnte aber durch Anpassung des Anlagenbetriebs erheblich verbessert werden. Ausgehend von den vor-Ort bestimmten spezifischen Zulauffrachten ergibt sich bei der Nachbemessung eine größere Fläche als auf Basis der ursprünglich zugrunde gelegten Frachten. Infolge von Denitrifikationsvorgängen in der Vorklärung lag die Belastung der Anlage aber im Wesentlichen im Rahmen der Bemessung.
Für Vertikalfilter, bei denen hohe Sulfidkonzentrationen zu erwarten sind, sollte zur Minderung des Hemmeinflusses grundsätzlich eine Möglichkeit zur Rezirkulation vorgesehen werden, das Rezirkulationsverhältnis bei vergleichbaren Bedingungen bei etwa 1 eingestellt werden. Es ist allerdings unklar, ob die nach Inbetriebnahme festgestellte Nitritanreicherung unter diesen Bedingungen auch unterbunden wird. Daher sollten Anlagen bei geforderter Stickstoffelimination zweistufig ausgeführt werden (1. Stufe: CSB- und Sulfidoxidation, 2. Stufe: Nitrifikation).
Schlagwörter
Pflanzenkläranlagen, dezentrale Systeme, Freizeiteinrichtungen, Nitrifikationshemmung, spezifische Zulauffracht
Veröffentlichungen
Schalk T., Marx C., Haupt A., Kühn V., Krebs P. (2020). Long-term effects of sulfide on ammonia oxidation and nitrite accumulation in a seasonally loaded vertical flow
constructed wetland. Wetlands 40 (2) 205-222. https://doi.org/10.1007/s13157-019-01185-4
Schalk T., Ahnert M., Kühn V. (2018). Einsatz klein bemessener Bodenfilter zur Behandlung von saisonal anfallenden Abwässern aus Fremdenverkehrseinrichtungen. KA Korrespondenz Abwasser Abfall 65 (5) 426 - 442.
Schalk T. (2017). Möglichkeiten zur Behandlung saisonal anfallender Abwässer in ländlich strukturierten Gebieten durch Anpassung der Bemessungsgrundlagen und temporäre Aktivierung interner Reserven. Technische Universität Dresden, Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft. Dresdner Berichte, Band 43.
Schalk T. und Kühn V. (2014). Reinigungsleistung und Betriebsverhalten einer auf saisonale Belastungszustände bemessenen Pflanzenkläranlage. Vortrag, DWA-Workshop zur Aktualisierung des DWA Arbeitsblattes A 262 "Bepflanzte Bodenfilter", Potsdam, 24.01.2014.