Titel
Teilprojekt 9 - Minimierung der Gesamtemissionen aus Kanalnetz und Kläranlage - Teil Kanalnetz
Förderkennzeichen | 02-WA9326/8 Teilprojekt II/9 |
Finanzierung | Bundesministerium für Bildung und Forschung |
Bearbeitungszeitraum | 1993 - 1997 |
Projektleitung | Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Lützner |
Projektbearbeitung | Dipl.-Ing. Volker Gebhard |
Kooperationspartner | Universität Hannover Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik |
Hintergrund
Bebaute Siedlungs- und Gewerbegebiete werden im Regelfall über Kanalnetze entwässert. Die Kanäle leiten das häusliche und gewerbliche Abwasser, das gefasste Niederschlagswasser und einen nicht unerheblichen Anteil Fremdwasser mittels Trenn- oder Mischkanalisation ab. Endpunkt dieses Transportweges ist, im Allgemeinen über eine Teilreinigung durch eine Kläranlage (KA), ein nahe liegendes Gewässer.
Für die Bewertung der Entlastung in Gewässer sind quantitative (hydraulischer Stress) und qualitative (Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt) Aspekte zu betrachten. Sauerstoffzehrende Parameter sind der BSB5, der CSB und der Ammoniumstickstoff (NH4-N). Als kritische Nährstoffe werden Phosphat und Nitrat betrachtet. Mit zunehmendem Ausbau der Kläranlagen wurde die BSB5-Gewässerbelastung entscheidend vermindert, so dass erst in den letzten Jahren dem stark sauerstoffzehrenden NH4-N Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die Nährstoffe Phosphat und Nitrat führen nicht unmittelbar zum kritischen Sauerstoffverbrauch, bedingen aber eine ungewünschte Eutrophierung.
Emissionsfreie Entwässerungssysteme sind aus ökonomischen und technischen Gründen Utopie. Es ist Aufgabe der Siedlungswasserwirtschaft, die zur Verfugung stehenden Mittel nach bestem Wissen ökologisch sinnvoll, das heißt, mit höchster Effektivität einzusetzen. Bei der Beurteilung von Investitionen sind die Wechselwirkungen zwischen den Teilsystemen Entwässerungsnetz, Speicher-, Entlastungs- und Kläranlage zu berücksichtigen. Sie bestimmen den Wirkungsgrad des Gesamtsystems und damit die Belastung der Gewässer.
Mit dem Begriff "Gesamtemission" wird die Summe jeweils eines Schadstoffes oder Parameters bezeichnet, der über den Ablaufkanal der Kläranlage sowie über Entlastungsanlagen oder einfache Auslässe der Kanalisation das Entwässerungssystem verlässt. Ausgenommen hiervon sind verfahrenstechnisch bedingte Senken im System, die durch biologische Umsatzprozesse, Klärschlammentnahme, Sand- und Rechengutabzug etc. hervorgerufen werden. Für die Betrachtung der Gesamtemissionen werden häufig die Parameter BSB5, CSB und abfiltrierbare Stoffe (AFS) herangezogen. Die Einbeziehung von P- und N-Verbindungen in praktische Planungen erfolgt noch selten.
Wird das bisherige und derzeitige Vorgehen bei der Planung und Ausführung von Entwässerungssystemen und Abwasserbehandlungsanlagen betrachtet, so stellt sich die gemeinsame Optimierung in den meisten Fällen als Wunschdenken dar, obwohl grundsätzlich eine Abstimmung der Teilsysteme Kanalnetz und Kläranlage auch seitens der Behörden gefordert wird. Die Praxis zeigt, dass Planer und Betreiber von Kläranlagen und Kanalnetzen häufig versuchen, "ihr" System nach ökonomischen Gesichtspunkten und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu optimieren. Hier spielen Fragen der verschiedenen Zuständigkeit für Kanalnetz und Kläranlage eine Rolle. Aber auch Unkenntnis, mangelnde Erfahrungen, fehlende Planungswerkzeuge, zeitlich versetzter Ausbau der Teilsysteme und Ietztlich knappe Finanzmittel sind zu nennen.
Maßnahmen, wie die Mischwasserspeicherung im Entwässerungssystem, können den Wirkungsgrad der Kläranlage sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Dieses Problem wurde in der Literatur bereits mehrfach erörtert /4, 8, 11, 16, 17, 20/. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass verzögerter Mehrzufluss von "dünnem" Mischwasser und damit auch größerer Kläranlagenabfluss in jedem Fall geringere Ablauffrachten bedingt. Zum Beispiel bei NH4-N als Emissionsparameter wirkt eine zu großzügige Mischwasserspeicherung in ablagerungsfreien Einzugsgebieten schnell emissionserhöhend auf das Gesamtsystem. Durch lang anhaltenden Nachlauf von Mischwasser mit geringen NH4-N-Zulaufkonzentrationen kann die NH4-N-Ablauffracht der Kläranlage steigen. Hier wäre bereits die Entlastung im Kanalnetz vorteilhaft. Stellt die begrenzte hydraulische Kapazität der Nachklärung ein Kriterium dar, kommt es durch Schlammverlagerung in die Nachklärung und damit steigendem Schlammspiegel sowie hydraulischen Kurzschlüssen zu erhöhtem Feststoffabtrieb.
Andererseits bedingt die Zulaufkapazität der Kläranlage die Entlastungstätigkeit und den Betriebsaufwand im Entwässerungsnetz. Ein ablagerungsfreier Betrieb ist bei Rückstau durch gedrosselten Abfluss zur Kläranlage häufig nicht gewährleistet.
Auf Grund der o. g. Probleme muss es daher Ziel sein, Kläranlage und Kanalnetz bezüglich des Gesamtwirkungsgrades nach Schmutzfrachtströmen zu optimieren. Dazu müssen die gegenseitigen Beeinflussungen ermittelt und eine Strategie zur gekoppelten Betrachtung entwickelt werden. An dieser Stelle ordnet sich die Zielstellung für das Forschungsprojekt "Minimierung von Gesamtemissionen" ein. Bei der Beurteilung im Rahmen des Projektes sollte die praktische Anwendbarkeit und nicht die Entwicklung von Modellen und Programmen im Vordergrund stehen. Entsprechend dem Forschungsantrag wurde die Aufgabe mit marktüblichen Planungswerkzeugen (Vorschriften, Modellen, Simulationsprogrammen) und minimalem Messaufwand durchgeführt.
Zielstellung/Konzeption
Zielstellung des Projektes war die Minimierung von Gesamtemissionen anhand von Variantenrechnungen bei Kombination verschiedener Ausbaustufen für Kläranlage und Kanalnetz. An einem konkreten Fall sollte der Frage nachgegangen werden, wie sich ein stufenweiser Ausbau gestalten kann und welche Zielstellungen für einen Endausbau anzustreben sind.
Dazu wurden am Beispiel eines großen städtischen Einzugsgebietes Messungen und Modelluntersuchungen für Kanalnetz und Kläranlage durchgeführt. Betrachtet wurden die gewässerrelevanten Parameter CSB, Stickstoff und Phosphor. Für die Untersuchungen zum Forschungsprojekt wurde das rechtselbige Einzugsgebiet der Stadt Dresden (Dresden-Neustadt) ausgewählt. Durch die Wahl des relativ großen Entwässerungsgebietes musste eine Konzeption erarbeitet werden, die die Bearbeitung des Vorhabens im Rahmen des Forschungsprojektes ermöglichte. Die Durchführbarkeit war dabei an eine enge Zusammenarbeit mit dem städtischen Entwässerungsbetrieb und dessen Vorleistungen gebunden.
Um die Gesamtemissionen des bestehenden und des zu planenden Entwässerungssystems abschätzen zu können, wurde das Kanalnetz mit Hilfe eines Schmutzfrachtmodells beschrieben. Es waren zahlreiche Regenentlastungen und vorhandener Kanalstauraum für die Schmutzfrachten und für die Abflussmengen zu berücksichtigen. Weiterhin musste die Reaktion der bestehenden bzw. zu projektierenden Kläranlage und die Belastung aus dem Netz, insbesondere bei Mischwasserzufluss, ermittelt und zur Gesamtemission aufsummiert werden.
Die Bearbeitung des Teilprojektes erfolgte in direkter Zusammenarbeit mit dem Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik der Universität Hannover (ISAH). Dabei wurde durch das ISAH das Teilsystem Kläranlage und durch das Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft der TU Dresden (ISI) das Teilsystem Kanalnetz bearbeitet.
Die Konzeption sah vor, zur Bilanzierung des Schmutzfrachtverlaufes an den Systemausgängen Simulationsrechnungen mit einem hydrologischen Schmutzfrachtmodell durchzuführen. Da es sich um ein großes Einzugsgebiet mit vielen Randbedingungen handelte, wurden außerdem zur Plausibilitätsprüfung hydrodynamische Abflussberechnungen für das Einzugsgebiet durchgeführt. Die Abflüsse und Entlastungsmengen des Schmutzfrachtmodells wurden hierbei mit den berechneten und kalibrierten Abflüssen des hydrodynamischen Modells abgeglichen. Die Abflussberechnungen erfolgten mit dem Programmpaket HYSTEM/EXTRAN Version 5.1 und die Schmutzfrachtberechnungen mit KOSIM Version 3.1-GSV als eine Sonderversion mit der Möglichkeit zur Ausgabe von Ganglinien an jedem Teilgebiet. Kalibrierungen erfolgten für Trocken- und Regenwetter anhand gewonnener Ganglinien für Abfluss und Schmutzfracht aus durchgeführten Messungen und Probenahmen zeitgleich für Kläranlage und Kanal. Die anschließenden Schmutzfrachtberechnungen erfolgten für den Ist-Zustand und einen gestellten Planungszustand mit verschiedenen Ausbaustufen. Eine zusammengestellte Regenserie wurde als Belastung für die Simulation des Teilsystems Kanalnetz zugrunde gelegt. Die berechneten Ganglinien bildeten den Input zur Modellierung der Ablauffrachten der Kläranlage. Diese wird durch den Projektpartner ISAH durchgeführt und separat als Abschlussbericht vorgelegt. Mit Vorlage dieses Berichtes werden anhand der aufsummierten Emissionen die gewählten Varianten und Ausbaustufen bewertet.
Im Einzelnen wurde nachfolgendes Vorgehen gewählt:
- Messungen im Kanalnetz:
Durchführung einer Messphase zur Erfassung von Abfluss- und Schmutzfrachtganglinien für Trockenwetter- und Mischwasserabflug im Einzugsgebiet.
- Grobnetzerfassung (IST-Zustand):
Das Kanalnetz wurde im IST-Zustand für das hydrodynamische Berechnungsmodel) im Grobnetz erfasst. Der IST-Zustand widerspiegelt die Situation zum Zeitpunkt der Messphase.
- Kalibrierung/Verifizierung für das dynamische Abflussmodell (IST-Zustand): Der erfasste Datenbestand für das Abflussmodell wurde anhand der durchgeführten Messungen für Trockenwetter und anschließend für Einzelereignisse kalibriert und verifiziert.
- Erstellung des Systemplans für das Schmutzfrachtmodell (IST-Zustand):
Für das Einzugsgebiet wurde ein Systemplan im IST-Zustand erstellt. Dieser war für die Berechnung mit einem hydrologischen Schmutzfrachtmodell erforderlich.
- Ermittlung von Tagesganglinien
Aus den gemessenen Schmutzfrachtganglinien für Trockenwettertage wurde ein mittlerer Tagesgang gebildet. Dieser fand Eingang in die Vorgaben zur Schmutzfrachtberechnung (Anlage 1).
- Kalibrierung/Verifizierung der Schmutzfrachtberechnung (IST-Zustand):
Die Kalibrierung des Schmutzfrachtmodells erfolgte anhand der gemessenen Mischwasserereignisse und der Abstimmung mit den Rechenergebnissen der hydrodynamischen Abflussberechnung.
- Erweiterung des verifizierten Systemplans auf den PLANUNGS-Zustand:
Der Systemplan für die Schmutzfrachtberechnung wurde auf den Planungszustand erweitert und anhand von Vergleichsrechnungen mit dem ebenfalls erweiterten Abflussmodell) auf Plausibilität überprüft und gegebenenfalls korrigiert.
- Ermittlung des Gesamtspeichervolumens/Variantenentwicklung:
Für den PLANUNGS-Zustand wurde das Gesamtspeichervolumen nach A-128 bei einem Drosselabfluss von 2Qs + Qf ermittelt und als 100 % Speicherausbau zugrunde gelegt (Tabelle 1, Variante E). Bezogen auf das ermittelte Gesamtspeichervolumen wurden feste Ausbaustufen von 25 %, 50 % und 150 % vorgegeben und mit unterschiedlichem Drosselabfluss betrieben. Das diente der Darstellung des Systemverhaltens.
- Aufteilung/Optimierung des Gesamtspeichervolumens:
Das Speichervolumen wurde nach dem Aufteilungsverfahren aufgeteilt und die Beckenanordnung hinsichtlich der mittleren jährlichen Entlastungsfrachten des Kanalnetzes für die Langzeitsimulation (15 Jahre) optimiert. Die Optimierung erfolgte für den Drosselabfluss bei 2Qs+Qf und 100 % Beckenausbau (Variante E). Für die weiteren Variationen der Beckenvolumina (Varianten C, D, F) blieb die Beckenanordnung unverändert.
- Erstellung einer Regenserie
Aus dem Datenkontinuum wurde eine synthetische Regenserie mit einem Monat Dauer (11 Ereignisse) zusammengestellt. Es wurde Wert darauf gelegt, dass möglichst viele Belastungskombinationen enthalten waren. Der Umfang der Serie musste auf die Handhabbarkeit bei der Kläranlagensimulation begrenzt werden.
- Schmutzfrachtberechnungen mit der Regenserie:
Für die in Tabelle 1 aufgeführten Varianten wurden Schmutzfrachtberechnungen mit der aufgestellten Regenserie durchgeführt. Die Entlastungsfracht für jeden betrachteten Parameter wurde für die späteren Variantenvergleiche mit Variante Bb zu 100 % gesetzt. Gleichfalls erfolgte mit den berechneten Zulaufganglinien die Kläranlagensimulation. Bei Vorliegen der Ergebnisse der Kläranlagensimulation kann aus den Entlastungs- and Ablauffrachten beider Teilsysteme die Gesamtemission für jede Variante gebildet werden.
Die verschiedenen Varianten der Schmutzfrachtberechnung sind in Tabelle 1 dargestellt. Zu jeder dieser Varianten ergeben sich weitere 4 Ausbaustufen der Kläranlage.
Ergebnisse der Simulation für die Berechnungsvarianten
Die Darstellung der Ergebnisse kann an dieser Stelle nur für die entlasteten Frachten aus dem Kanalnetz erfolgen. Somit können an dieser Stelle noch keine Gesamtemissionsaussagen getroffen werden. Die Ergebnisse der Kläranlagensimulation liegen erst mit dem Abschlussbericht des Projektpartners ISAH vor und werden dort vorgestellt.
Zur Bewertung der Ergebnisse wurde der prozentuale Bezug auf Variante Bb (Planung ohne Becken) gewählt. Das heißt, die bei dieser Variante entlasteten Frachten entsprechen jeweils 100 %. Die Simulationsergebnisse sind in den Anlagen 14 bis 19 dargestellt. Die Entlastungsfrachten entsprechen im Verlauf den erwarteten Ergebnissen. Da noch keine Emissionen der Kläranlage einbezogen sind, ergeben sich einfache und logische Strategien, für deren Vorhersage im Allgemeinen keine Simulationen erforderlich sind. Werden Beckenvolumen oder Drosselabfluss, erhöht, sinkt für alle Parameter die aus dem Netz entlastete Fracht. Durch Überlagerung von Speicherung und Klärwirkung ist der Gradient für verschiedene Parameter unterschiedlich. Dieser ist allerdings nur durch Simulation bestimmbar.
Die entlasteten Frachten sind bezogen auf die Beckengröße und den Drosselabfluss zur Kläranlage dargestellt. Als kritische Parameter für Gewässer sind in erster Linie CSB und NH4-N zu betrachten. Wählt man ein Kriterium für die "zulässige Entlastung" z. B. A-128 (es können auch anderen Vorgaben sein), Iässt sich für ein Ausbauziel und einen Drosselabfluss sehr leicht die zugehörige Emission ablesen. Bedeutung im Sinne einer Minimierung von Gesamtemissionen erhält das natürlich erst unter Hinzunahme der Emissionen aus der Kläranlage.
Für Drosselabfluss und Beckenvolumen sind dann folgende Auswirkungen zu
erwarten:
- Erhöhung des Beckenvolumens:
Mindert den Abschlag aus dem Netz. Entlastung erfolgt später. Damit kommt es zu höherer Verdünnung und Iängerer Absetzzeit. Es wird besser gereinigtes Wasser entlastet. Durch Iängere Absetzzeit werden auch zunehmend schwer absetzbare Partikel zur KA geführt. Die zur KA geführte Fracht steigt für absetzbare Parameter progressiv und wird vergleichmäßigt. Hydraulische Spitzen auf der KA werden gedämpft. Belastet die KA durch lang anhaltenden MW-Zufluss . Mehr NH4-N (nicht absetzbar) aus dem SW-Anteil wird in den Becken gehalten. Durch nachlaufendes Mischwasser kann es zur Verdrängung und damit zu höherem NH4-N-Abschlag kommen.
- Erhöhung des Drosselabflusses:
Mindert den Abschlag aus dem Netz. Mehr NH4-N-Anteil wird zur KA geführt. Speicherbecken werden schneller geleert. Verbessert die Selbstreinigung von Becken. KA wird hydraulisch stärker belastet. Die Nachklärung reagiert empfindlicher. Die verfügbare Absetzzeit verkürzt sich. Die zur KA gelangende Fracht ist stärker spülstoßabhängig.
Am Rand der Auswertung der Simulationen kam ein Problem zutage, auf das an dieser Stelle aufmerksam gemacht werden soll. Bei praktischen Planungen besteht oftmals Spielraum bei der Festlegung des Drosselabflusses, vor allem wenn nach dem Aufteilungsverfahren gearbeitet wird. Gefordert wird nur die Weiterleitung von wenigstens 2Qs+Qf. Es kann aber auch bis zum 1,2-fachen des Drosselabflusses der KA mehr sein.
In den Diagrammen ist zu erkennen, dass eine restriktive Bemessung nach A-128 bei unterschiedlichem Speicherausbau zu unterschiedlichen Entlastungsfrachten führen kann. Zur Verdeutlichung wurden in Abb. 12 die Entlastungen an CSB und NH4-N gegenübergestellt.
Für den CSB, der für die Richtlinie A-128 Bezugsparameter ist, schwankt die zulässige Entlastungsfracht relativ gering (im Beispiel um 3 %). Das heißt, wenn Drosselabfluss und Beckengröße im Verhältnis nach A-128 stehen, ist es nach der CSB-Fracht nahezu gleich, ob ein großes Becken bei kleinerem Qm, oder ein kleineres Becken bei größerem Qm geplant wird. Das ist auch Ziel der Richtlinie und korrekt.
Schaut man sich die Auswirkung aber in Bezug auf gelöste Parameter z. B. NH4-N an, sieht die Situation anders aus. Im Beispiel schwankt die NH4-N-Entlastungsfracht bei gleichen Voraussetzungen um 18 %. Aus der Sicht ist, wenn für den Planer Spielraum besteht, auf ein kleineres Becken und größeren Drosselabfluss zu orientieren.
Es ist festzustellen, dass mit steigender Absetzbarkeit des betrachteten Parameters die Beziehung zwischen Drosselabfluss und Beckengröße nach A-128 frachtausgleichender verläuft. In der Richtlinie muss deutlicher auf die Folgen der Variation der Bemessungsdaten hingewiesen werden.
Zusammenfassung
Im vorliegenden Forschungsbericht wurde ein großes städtisches Einzugsgebiet in Bezug auf die Emission von gewässerschädigenden Abwasserparametern aus dem Kanalnetz untersucht. Der Forschungsbericht stellt einen Abschnitt des Teilprojektes "Minimierung von Gesamtemissionen aus Kanalnetz und Kläranlage" dar. Der zweite Abschnitt wurde von der Universität Hannover, ISAH, bearbeitet und befasste sich mit der Beschreibung der Emissionen aus der Kläranlage.
Für die Beschreibung des Teilsystems "Kanalnetz" wurde ein hydrologisches Schmutzfrachtmodell angewandt. Es wurden die Gebietsdaten erhoben und anhand durchgeführter Messungen das Modell kalibriert und verifiziert. Durch Beaufschlagung mit einer synthetischen Regenserie wurden die entlasteten Schmutzfrachten für die Parameter CSB, TKN, NH4-N und Pgesamt aus dem System ermittelt. Die sich ergebenden Abfluss- und Frachtganglinien am Systemauslass zur Kläranlage wurden für die Simulation mit einem dynamischen Kläranlagenmodell verwendet, so dass Kanalnetz und Kläranlage die gleichen Belastungen zugrunde lagen. Bei Erweiterung der Modelle auf einen gestellten Planungshorizont wurden die Simulationen durch Variation der Ausbaustufen von Kanalnetz und Kläranlage durchgeführt und ausgewertet. Endaussagen zur Gesamtemission von Kläranlage und Kanalnetz sind erst mit Vorlage des Schlussberichtes durch das ISAH möglich und werden dort vorgenommen.
Im Bericht wurde speziell auch auf die Problematik der Auswirkung von Ablagerungen in flachen Kanalnetzen auf die Gesamtemissionen eingegangen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Emissionsbewertung für das Gesamtsystem Kanalnetz und Klaranlage in Abhängigkeit von der Art des Einzugsgebietes vorgenommen werden muss. Es ist eine grundlegende Unterscheidung in ablagerungsfreie und ablagerungsbehaftete Einzugsgebiete zu treffen.
Bei ablagerungsfreien Systemen ist eine Frachterhöhung primär durch die Verschmutzung des Regenabflusses bedingt. Diese beruht im Wesentlichen auf der Abspülung der Oberflächen und ist zeitlich auf die ersten 2…3 mm des effektiven Niederschlagsabflusses beschränkt (First-Flush-Effekt). Dann wirkt der Regenabfluss verdünnend auf die Mischwasserkonzentration. Die Mischwasserfracht nähert sich über die Zeit der Trockenwetterfracht. Sekundär kann die hydraulisch bedingte Abrasion von Sielhaut eine Frachterhöhung bewirken. Dauber und Novak /5/ geben am Beispiel eines Regenereignisses für das Kanalnetz Zürich einen Anteil von bis zu 30 % gemessen an der Gesamtfracht an, der recht hoch erscheint.
Bei ablagerungsfreien Systemen ist das für die Gesamtemission kritische spezifische Speichervolumen wesentlich geringer anzusetzen als für ablagerungsbehaftete Gebiete. Es ergibt sich aus dem Zeitraum bis zur einsetzenden Mischwasserverdünnung.
Bei ablagerungsbehafteten Systemen treten zwei Verschmutzungsgrößen in den Vordergrund. Zum einen ist das die bereits oben genannte Oberflächenabspülung bei Regenbeginn, welche zeitlich beschränkt ist. Zum anderen wird diese von Remobilisierungsvorgängen überlagert, die durch das verfügbare Ablagerungspotential limitiert sind. Das ist ein ausgeprägt dynamischer Prozess und vor allem vom Abflussgeschehen abhängig. Die Verschmutzungsgröße Sielhaut spielt eine untergeordnete Rolle. Die Mischwasserfracht kann über mehrere Stunden gegenüber der Trockenwetterfracht erhöht sein.
Ablagerungen sind ein Gemisch aus organischem und anorganisch-mineralischem Material, wobei mit einer Schichtung der Ablagerungen zu rechnen ist. Bei einer Remobilisierung kommt es häufig nur zum Abtrag der oberen Schichten. In den Ablagerungen herrschen sauerstofflimitierte Verhältnisse. Die biologische Aktivität ist im Allgemeinen sehr hoch. Leicht abbaubares Substrat ist schnell umgesetzt. Das ist positiv bei der direkten Entlastung in Gewässer, kann sich aber nachteilig auf biologische Reinigungsprozesse der Kläranlage wie Denitrifikation und biologische P-Elimination auswirken, zumal Mischwasser in den meisten Fällen eine Temperaturabsenkung des Abwassers bewirkt.
Auf Grund von physikalischen und biologischen Vorgängen können in den Ablagerungen und bei der Remobilisierung Partikel entstehen, die praktisch nicht mehr absetzbar sind und im Belebungsbecken hydrolysiert werden. Andererseits ist der mineralische Anteil sehr hoch. Letzteres führt zu verbesserten Schlammabsetzeigenschaften. Auf diesen Anteil zeigen Speicher- und Klärbecken (z.B. Regenüberlaufbecken, Vorklärung, Nachklärung) einen großen Einfluss.
In den häufigsten Fällen lässt sich nicht klar in ablagerungsfreie und -behaftete Einzugsgebiete trennen. Die Festlegung von spezifischem Speichervolumen kann dennoch nach den o. g. Grundsätzen erfolgen. Das entspricht dem auch bisher verfolgten Gedanken, Speicherraum dort zu schaffen, wo die größte Verschmutzung zu erwarten ist.
Bei ablagerungsbehafteten Gebieten sollte auf einen simulationstechnischen Nachweis der Speichervolumina orientiert werden. Die Aussagekraft des A 128 reicht hier nicht aus. Problematisch ist nach wie vor die Beschaffung der erforderlichen Datenbasis und die Verfügbarkeit von Simulationsmodellen, die Akkumulation und Abtrag ausreichend genau beschreiben. Hier ist der Entwicklungsstand der Modelle auf dem Sektor der Kläranlagensimulation zwar nicht befriedigend, aber wesentlich weiter als die Beschreibung des Stofftransportes im Entwässerungssystem. Das wird auch weiterhin ein Feld für Spezialisten bleiben.
Schlagwörter
Kanalisation, Niederschlag-Abfluss, Schadstoffe, Mischwasser, Simulation, Trockenwetter, Regenwasserbehandlung, Mischwasserbehandlung