Jakob Vetter
Projektbeschreibung
Männliche Armutsrisiken in ausgewählten deutschsprachigen Bildungsromanen des 19. Jahrhunderts
Das Promotionsprojekt soll zeigen, dass Armut nicht nur als reales Phänomen (Pauperismus) prägend für die historische Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts war, sondern auch die zeitgenössischen Diskurse und die ästhetische Literatur geprägt hat, die sich nach ihren Spielregeln daran abgearbeitet hat und ihrerseits die Wahrnehmungsmuster von Armut in nicht unerheblichem Maß beeinflusste.
Dabei wird zu zeigen sein, dass Armut in der diskursiven Wahrnehmung zunehmend als individuell verfügbares Risiko und damit als vermeidbarer oder ggf. kurierbarer Zustand aufgefasst wurde. Ferner wird die Gendercodierung dieser Denkfigur untersucht, wobei anzunehmen ist, dass die Konstruktion von Armut als Risiko männlich gedacht wurde.
Untersucht werden sollen markante zeitgenössische theoretische Abhandlungen zum Thema, denen jeweils breit rezipierten Meistertexten aus der hochvalorigen Gattung des Bildungsromans gegenübergestellt werden. Der Bildungsroman dokumentiert in eindrucksvoller Weise die Prozesse der Individualisierung und Subjektivierung in der deutschsprachigen Literatur. Im Zentrum stehen die chronologische innere Entwicklung eines in der Regel männlichen Protagonisten und dessen Reflexionen. Insofern ist die Gattung im höchsten Maße anschlussfähig an das Konstrukt des Risikos, das durch das Beobachten der Zukunft und potentieller Schäden erzeugt wird. Der hier verwendete Risiko-Begriff fußt im Wesentlichen auf der vor einigen Jahren von Niklas Luhmann vorgeschlagenen Unterscheidung von Risiko und Gefahr.
Die Analyse der Romane wird der Frage nachgehen, inwiefern Armut als Risiko wahrgenommen und dargestellt wird und wie verschiedene Textebenen dieses Wahrnehmungsmuster von Armut aufgreifen oder subvertieren.
Kurz-CV
Studium Höheres Lehramt für Gymnasium, Fächer Deutsch/Gemeinschaftskunde, Rechtserziehung, Wirtschaft (2008-2014); Abschluss: Master of Education (2014; 1,3); derzeit Promotionsstudent und ERASMUS-Koordinator an der Fakultät SLK der TUD
Publikationen und Vorträge
Publikationen:
Tagungsbericht: Kontinuität und Wandel von Vorsorgeregimen und Risikodebatten, 20.11.2015 – 21.11.2015 Freiburg im Breisgau, in: H-Soz-Kult, 05.03.2016, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6429>
"[U]nd sah sich plötzlich zu seinem großen Erstaunen von Noth und Sorge umgeben." Männliche Armutsrisiken in Kellers Bildungsroman Der grüne Heinrich. In: Loster-Schneider, Gudrun u.a. (Hg.): GenderGraduateProjects I: Geschlecht – Fürsorge – Risiko. Leipzig 2015, S. 203-225.
Vorträge:
‚Männliche Armutsrisiken in Gottfried Kellers Bildungsroman Der grüne Heinrich. (Vortrag im Rahmen der Graduate Student Conference in German Studies at Yale: Conditions of Precarity - Work, Art, Literature, New Haven 4/2014).
„[U]nd sah sich plötzlich zu seinem großen Erstaunen von Noth und Sorge umgeben.“ Männliche Armutsrisiken in Kellers Bildungsroman Der grüne Heinrich.
(gehalten am 27. November 2013 zum 1. Dresdner Nachwuchskolloquium zur Geschlechterforschung).
Lehre
- WS 2014/15: „[…] zuletzt bekam er meistens doch ein Mädchen und irgend eine Stellung“ (Hegel). Männlichkeit(en) im deutschsprachigen Bildungsroman des ‚langen 19. Jahrhunderts‘: Philister, Kaufleute, Abenteurer, Familienväter, …?
- SS 2015: Theorien, Methoden, Techniken und Übungsbeispiele literaturwissenschaftlicher Textanalyse
- SS 2015: „[…] zuletzt bekam er meistens doch ein Mädchen und irgend eine Stellung“ (Hegel). Männlichkeit(en) im deutschsprachigen Bildungsroman des ‚langen 19. Jahrhunderts‘: Philister, Kaufleute, Abenteurer, Familienväter, …?
- SS 2015: Armut – Risiko – Geschlecht: literarische Armutsrisiken in Erzähltexten des 18. und 19. Jahrhunderts