Jul 19, 2023
Neue Publikation: Systematisches Review über Journalismus auf Social Media
Facebook, Instagram, TikTok: Immer mehr Medienhäuser nutzen Social-Media-Plattformen, um ihre Inhalte zu verbreiten. Doch um auf den Plattformen erfolgreich zu sein, müssen sich Redaktionen – zumindest teilweise – nach den Logiken der Plattformen richten. Diese zielen vor allem auf eines ab: die Popularität der Inhalte. Diese sogenannte „Plattformisierung“ führt in Forschung und Gesellschaft immer wieder zu der Sorge, dass journalistische Inhalte auf Social-Media-Plattformen an Qualität verlieren: Katzen und Tanzvideos statt Politik und Weltgeschehen?
Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich viele Forschungsarbeiten mit der Produktion von journalistischen Inhalten für TikTok & Co. Allerdings fehlt es dem Forschungsfeld bisher an einer systematischen Zusammenfassung. Dort setzt IfK-Mitarbeiterin Luise Anter mit ihrem systematischen Literature Review an, das jüngst im Fachjournal Journalism Studies erschienen ist. Die Autorin hat 156 einschlägige peer-reviewte Publikationen quantitativ und qualitativ analysiert, um das Forschungsfeld zu umreißen und existierende Evidenz zur Produktion journalistischer Inhalte für Social-Media-Plattformen zu synthetisieren.
Die Ergebnisse offenbaren zunächst ein durchaus vielfältiges Forschungsfeld. Besonders häufig untersuchen Studien Facebook und Twitter, aber zunehmend auch Instagram. Außerdem werden neben klassischen Theorien der Journalismusforschung auch social-media-spezifische Theorien verwendet, wobei letztere an Relevanz gewonnen haben. Schließlich ist das Forschungsfeld geprägt von quantitativen Inhaltsanalysen der Social-Media-Posts, während (qualitative) Umfragestudien und Ethnographien in der Minderheit sind. Deshalb bleiben die redaktionellen Prozesse, die hinter den Social-Media-Posts stehen, häufig eine „Black Box“.
Die Befunde der Studien zeigen, dass Journalismus auf Social-Media-Plattformen nicht generell „soft“ ist, also auf leichte, unterhaltsame und weniger politisch relevante Themen setzt. Vielmehr entwickeln die Redaktionen Strategien, um die eigene, journalistische Logik mit den Erfordernissen der Plattformen zu balancieren. Zum Beispiel werden politische Themen in einer besonders zugänglichen und unterhaltsamen Weise behandelt oder gezielt mit witzigen Inhalten gemixt. Abseits dieses generellen Befundes zeigen sich Unterschiede zum einen mit Blick auf die Redaktionen. Etwa scheinen sich private Medien etwas stärker den Plattformlogiken anzupassen als öffentlich-rechtliche. Zum anderen zeigen sich Unterschiede zwischen Plattformen: Während auf Twitter vor allem nüchterne Nachrichten veröffentlicht werden, entscheiden sich Redaktionen auf Instagram und TikTok öfter für nicht-nachrichtliche Themen, die eine junge Zielgruppe ansprechen sollen.
Das Review schließt mit einigen methodischen und konzeptionellen Ideen, wie das Forschungsfeld zusätzlich an Tiefe gewinnen könnte. Insgesamt endet es mit einer optimistischen Perspektive: Die untersuchten Publikationen zeigen, dass journalistische Inhalte auf Social-Media-Plattformen durchaus demokratisch wertvoll sein können.
Der Artikel ist Teil einer Special Issue über Social-Media-Journalismus, die Dr. Jonathan Hendrickx (Uni Wien) und Michaël Opgenhaffen (KU Leuven) herausgeben. Er ist gleichzeitig Bestandteil der kumulativen Dissertation von Luise Anter. Ein frei zugänglicher Preprint findet sich auf unserer Seite.