Mittelalter
Vorgeschichte der Sächsischen LandtagE
Bearbeiter: Roberto Rink
Landdinge, Tage und Landtage:
Das Forschungsprojekt untersucht die Ursprünge und Vorläufer der sächsischen Landtage im Mittelalter. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts sind verschiedenste Versammlungen in den wettinischen Ländern nachgewiesen. Es trafen sich bedeutsame Akteure der mittelalterlichen Gesellschaft, um wichtige Angelegenheiten zu verhandeln und zu beschließen. Die politische Mitbestimmung im Mittelalter greift dabei auf eine lange Tradition zurück. Der Grundsatz aus dem antiken römischen Recht „quod omnes tangit, ab omnibus approbari debet“ (Was alle angeht, muss von allen gebilligt werden) tauchte ab dem 13. Jahrhundert wieder vermehrt auf. Auch im kirchlichen Bereich wurden Konzilien mit festen Beratungsregeln, Papstwahlen und Bischofswahlen abgehalten. Diese Grundsätze wurden in Teilen auch für weltliche Versammlungen beispielhaft, bei denen eine Mitbestimmung der Reichsfürsten bei königlichen Gesetzgebungen oder eine Teilhabe der Stände an der fürstlichen Herrschaft zu beobachten ist.
Die Benennung von Versammlungen als ʽLandtag’ ist jedoch für den sächsischen Raum erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts etabliert. Als ʽLand’ wird der politische, wirtschaftliche und rechtliche Verband der mit Grund und Boden belehnten ʽLandstände’ bezeichnet, zu denen Ritter, Prälaten und Städte zählten. Der begrifflich eingebundene ʽTag’ ist dabei als rechtlicher Ausdruck für einen festgesetzten Termin oder eine Verhandlung zu verstehen. Als frühe Vorläufer der späteren Landtage könnten die Landdinge gelten, von denen 15 zwischen 1185 und 1259 für den sächsischen Raum urkundlich belegt sind. In der Mark Meißen fand dieses höchste Gericht unter Vorsitz des Markgrafen und unter Teilnahme von Ministerialen, Rittern, Edelfreien und Geistlichen in Collm bei Oschatz statt. Hauptsächlich wurden Eigentums- und Erbangelegenheiten geregelt, aber auch politische Themen besprochen. Spätestens ab dem 14. Jahrhundert verloren die Landdinge an Bedeutung und wurden allmählich durch das Hofgericht ersetzt. Als Vorläufer der späteren Ständeversammlungen gelten die Bedeversammlungen des 14. Jahrhunderts. Da die Kosten für Verwaltung, Hofhaltung und kriegerische Auseinandersetzungen der Landesherren in die Höhe schnellten, baten diese ihre Stände in Form von ʽBeden’ um weitere Geldabgaben. Im Gegenzug erwarteten Adel, Klerus und Städte eine größere Einflussnahme auf die Steuer. Mit der Zeit entwickelten sie ein Landesbewusstein und traten mit ständeübergreifenden Zielen dem Herrn gegenüber. Später wurden auf diesen Versammlungen auch andere politische Belange besprochen.
Die Erforschung der Vorgeschichte der sächsischen Landtage im Mittelalter soll schwerpunktmäßig die Entwicklung der politischen Mitsprache der Stände untersuchen. Welche Vorläufer der Landtage gab es im Mittelalter? Wie lassen sich diese Versammlungen charakterisieren? Welche Akteure waren involviert? Wann und in welcher Form begann der Prozess der politischen Partizipation der Stände? Wie organisierten sich die Landstände, um geschlossen ihre Belange dem Landesherrn vorzutragen und welche Rolle spielte dabei das aufkommende Landesbewusstein? In welcher Beziehung standen Landesherr und Stände zueinander? Inwieweit sind die Landdinge und Bedeversammlungen als Vorformen der späteren Landtage zu betrachten?
Neben der sächsischen Perspektive soll der Horizont auf eine vergleichende Betrachtung der Entwicklung von Reichstagen sowie anderer deutscher Landtage erweitert und ein Blick auf die europäische Ebene geworfen werden, wo eine ähnliche Teilhabe der Stände zu beobachten ist. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die „Magna Carta Libertatum“ von 1215, die der englische König mit seinen Baronen abgeschlossen hat und einen frühen Versuch der Kontrolle königlicher Gewalt durch die Stände darstellt. Als Hauptquellen zur Erforschung der Vorgeschichte sächsischer Landtage dienen die Urkunden der Markgrafen von Meißen und der Landgrafen von Thüringen für die Zeiträume von 948 bis 1234 und 1381 bis 1427, welche sich vor allem im Hauptstaatsarchiv Dresden befinden und im Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae abgedruckt sind. Da die Quantität an Quellen zu den Versammlungen nicht so reichhaltig ist wie für spätere Zeiten, ist anhand dieser die Untersuchung des teilnehmenden Personenkreises von wichtiger Bedeutung. Hieran läßt sich herausarbeiten, wer an solchen Zusammenkünften beteiligt war, in welcher Beziehung die Personen zueinander standen und wann sich daraus ein fester Teilnehmerkreis etablierte.
Die Arbeit wird gefördert vom Sächsischen Landtag