Geschmackswandel. Kulinarische Ästhetik und Gesellschaft im deutschsprachigen Raum vom späten 18. bis ins 21. Jahrhundert
Inhaltsverzeichnis

Carl Friedrich von Rumohr: Entwurf für das Titelblatt zum „Geist der Kochkunst“, ca. 1822, Federzeichnung (Staatliche Graphische Sammlung München)
Bislang konzentriert sich die interdisziplinäre historische Ernährungsforschung zum 19. und 20. Jahrhundert vor allem auf die Kost für das Gros der Gesellschaft und auf die Industrialisierung der Ernährung. Fragen der exquisiten Küche und Tafelkultur spielen nur in einigen wenigen Studien eine Rolle, die die soziale Distinktion des Tafelns untersuchen.
Unsere interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppe fokussiert auf die kulinarische Ästhetik als Kern der modernen Kochkunst. Sie untersucht, inwieweit exquisite Küche und Tafelkultur – ähnlich wie bildende Kunst, Musik, Architektur, Medien und Mode – einem Geschmackswandel unterliegen. Dieser folgt kunstimmanenten Logiken, ist zugleich aber – wie andere Ausformungen künstlerischer Kreativität auch – als Teil von Gesellschaft und deren Veränderungsprozessen zu verstehen. Ästhetische Vollzüge lassen sich in der Kochkunst auf allen Ebenen des Herstellungs- und Degustationsprozesses feststellen – mit Blick auf Produkte, Zubereitungsweisen, Tellerarrangements, Geschirr, Besteck und Gläser, Servierformen, das Ambiente und nicht zuletzt die Verkostung selbst. In ihrem Zusammenspiel können diese unterschiedlichen Dimensionen des Ästhetischen als ‚Gesamtkunstwerk‘ verstanden werden, das alle Sinne einbezieht.
Im Mittelpunkt steht der deutschsprachige Raum vom späten 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Ziel ist es, die Entwicklung der kulinarischen Ästhetik in ihren gesellschaftlichen Kontexten als kulturwissenschaftliches Forschungsfeld auf eine völlig neue Grundlage zu stellen und als Teil der Kulturgeschichte der europäischen Moderne zu etablieren. In die Untersuchung einbezogen werden geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Ansätze: Neben geschichtswissenschaftlichen und kunstgeschichtlichen Arbeiten sind mit digitalen Verfahren durchgeführte korpuslinguistische Auswertungen sowie lebensmittelchemische Analysen geplant.
Mitglieder der Arbeitgruppe
Mitglieder der Arbeitsgruppe: Prof. Dr. Michael Brauer (Universität Salzburg), Dr. Barbara Denicolò (Universität Salzburg) PD Dr. Annette Dorgerloh (HU Berlin), Prof. Dr. Michael Hellwig (TU Dresden), Prof. Dr. Gisela Hürlimann (TU Dresden), Prof. Dr. Marcus Köhler (TU Dresden), Prof. Dr. Josef Matzerath (TU Dresden), Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker (TU Dresden), Prof. Dr. Andreas Rutz (TU Dresden), Dr. Samuel Wittwer (SPSG Potsdam/Berlin)
Fellows: Prof. Dr. Maren Möhring (Universität Leipzig), Dr. Daniel Deckers
Publikationen
Dissertationen (Open Access)
Marco Iwanzeck: Dresden à la carte. Entstehung und kulinarische Einordnung der Restaurantkultur 1800 bis 1850 (Land kulinarischer Tradition. Ernährungsgeschichte in Sachsen, Bd. 3), Ostfildern 2016. Zum Volltext
Benedikt Krüger: Gehobene und exquisite Küche in der Konsumgesellschaft. Dresden um 1900 (Land kulinarischer Tradition. Ernährungsgeschichte in Sachsen, Bd. 2), Ostfildern 2015. Link zum Volltext
Mario Kliewer: Geschmacksgaranten. Sächsische Hoflieferanten für exquisite Nahrungsmittel um 1900 (Land kulinarischer Tradition. Ernährungsgeschichte in Sachsen, Bd. 1), Ostfildern 2015. Zum Volltext
Weitere Publikationen
- Daniel Deckers/Josef Matzerath: Das Deutsche Küchen- und Weinwunder. Gourmandise in Deutschland, 1970-2025 (Kulinarische Ästhetik.Studien zur Geschichte des Kochens, Essens und Trinkens 1), Bielefeld 2025.
- Matzerath, Josef: Die kulinarische Partizipation der Parlamente. Ausspeisungen, Diäten und Tafeln sächsischer Landtage 1612-1918. In: Manca, Gianna/Westphal, Siegrid (Hg.): Repräsentation und Partizipation. Vom Mittelalter bis heute / Rapresentanza politica e partecipazione. Dal medioevo a oggi, Berlin 2024, S. 113-128.
- Matzerath, Josef: „Pizza in der DDR“. https://wordpress.ernaehrungsgeschichte-in-sachsen.de/2019/12/09/pizza-in-der-ddr/
- Matzerath, Josef: Vom Garten zur Verkostung. Die Bedeutung exzellenter Zutaten für die Gourmandise. In: Aha!-Heft. Miszellen zur Gartengeschichte und Gartendenkmalpflege, Nr. 5, Dresden 2019, S. 40-47. DOI: https://doi.org/10.25531/aha.vol5.p40-47
- Matzerath, Josef: Leerstelle Kochbuch. Der Mangel an Kulinaria in öffentlichen Bibliotheken. In: Bonte, Achim/Rehnolt, Juliane (Hg.): Kooperative Informationsinfrastrukturen als Chance und Herausforderung. Festschrift für Thomas Bürger zum 65. Geburtstag, Berlin Boston 2018, S. 416-425. DOI: https://doi.org/10.1515/9783110587524-042
- Matzerath, Josef: Ernährung oder Genuss? Dissoziation der Ernährung vor historischer Perspektive. In: Der Architekt. Die bescheidene Gesellschaft. Bedarf, Bedürfnis und die Architektur der Gegenwart, 1/2018, S. 33-38. Online-Ausgabe: http://derarchitektbda.de/ernaehrung-oder-genuss/
- Matzerath, Josef: Hauptsach gudd gess. Authentizität in der Küche. In: Der Architekt. Authentizität, 4/2017, S. 48-52. Online-Ausgabe: http://derarchitektbda.de/gudd-gess/
- Pötzsch, Ernst Max: Vollständige Herrschaftsküche des Kronprinzen von Sachsen. Herausgegeben von Josef Matzerath unter Mitarbeit von Georg Jänecke, Mechthild Herzog und Hannah Aehle, Ostfildern 2013. https://slub.qucosa.de/api/qucosa%3A75492/attachment/ATT-0/
Video-Beiträge
Vortrag von Jürgen Dollase: "Wem gehört die Kochkunst? Warum man Kochen und Essen grundsätzlich neu denken sollte." Vortrag in der SLUB Dresden, 5. Juli 2022 (01:47:24 Std.) © SLUB Dresden
Vortrag von Jürgen Dollase: "Ich finde das aber lecker! Kritiksysteme rund ums Essen und Kochen." Vortrag an der TU Dresden, 6. Juli 2022 (01:29:09 Std.)
Der Osten - Entdecke wo du lebst Knacker trifft Wildhase
Die Kulinarik-Sammlung Dresden
Di., 12.04. 2022 21:00Uhr 44:30 min
Video-Cast zur Ausstellung „Future Food“ im Deutschen Hygienemuseum Dresden, 20. März 2020 (00:24:02 Std.) © Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Matzerath, Josef: Ernährung oder Genuss? Dissoziation der Ernährung vor historischer Perspektive Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA), Berliner Gespräch, 2. Dezember 2017 (00:47:38 Std.)