Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736): Die Schloss- und Zwingerplanungen für Dresden. Planen und Bauen im "modus Romanus"
Zeitraum: Januar 2016 – August 2019 |
Projekttagung: Vom 9. bis 11. November 2017 fand eine internationale Tagung des von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung finanzierten Forschungsprojekts „Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736): Die Schloss- und Zwingerplanungen für Dresden“ statt. Die interdisziplinär aufgefasste Tagung sollte dazu beitragen, die projektaktuell vornehmlich architekturhistorisch erforschten höfischen Repräsentationsräume Residenzschloss, Taschenbergpalais und Zwingergarten in einen breiteren kunst- und kulturhistorischen Kontext einzubetten. Weitere Informationen finden Sie hier sowie hier. |
Seit Januar 2016 ist ein Forschungsprojekt am Institut für Kunst- und Musikwissenschaft der Technischen Universität Dresden angesiedelt, welches sich mit der spätbarocken, in die Jahre 1704-28 fallenden Planungs- und Baugeschichte des Dresdner Residenzareals unter der Ägide des berühmten Hofbaumeisters Matthäus Daniel Pöppelmann befasst. Dank der freundlichen Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung kann in den kommenden beiden Jahren unter der Leitung von Prof. Dr. Henrik Karge die Erforschung des Themas in Kooperation mit den davon betroffenen Dresdner Institutionen erfolgen. Letztere sind der Staatsbetrieb Staatliche Burgen, Schlösser und Gärten Sachsen gGmbH als innovativer, da auf digitale 3D-Modellierung setzender Kurator des Zwingergeländes, die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB), das Hauptstaatsarchiv des Sächsischen Staatsarchivs und das Sächsische Landesamt für Denkmalpflege als Verwahrinstitutionen des zu erforschenden Quellenmaterials sowie die Staatlichen Kunstsammlungen als Kuratoren des Residenzschlosses und deren Kupferstich-Kabinett als weitere Verwahrinstitution von Quellenmaterial. Bearbeitet wird das Projekt von Dr. Peter Heinrich Jahn und Juliane Pech (geb. Beier) M.A.
Ziel des kunsthistorischen Forschungsprojektes ist die architekturgeschichtliche Bearbeitung der Planungen des kursächsischen Hofarchitekten Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736) für die Neugestaltung des Dresdner Residenzareals, aus welchen als bauliches Fragment der so genannte Dresdner Zwinger hervorgegangen ist – ein hofartiges Gebäudeensemble, das ungeachtet des fragmentarischen Charakters heutzutage als Paradigma festlich-barocken Bauens Weltruhm genießt, während die andere gleichbedeutende Komponente der Planungsbemühungen, der Aus- oder gar Neubau des Residenzschlosses, aufgrund der unterbliebenen Bauausführung weitgehend in Vergessenheit geraten ist.
Die barocken, auf Pöppelmann zurückgehenden Partien des Dresdner Zwingers präsentieren sich heutzutage als ein auf drei Seiten von Exedren und Arkadengängen eingefasster Festplatz, dessen unvollendet gebliebene vierte Seite um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem Museumsbau (sog. Gemäldegalerie) nach Plänen Gottfried Sempers geschlossen wurde. Auftraggeber der barockzeitlichen Bebauung des Zwingerareals war der sächsische Kurfürst Friedrich August, genannt der Starke, welcher zugleich als polnischer König regierte und aus diesem Grund hinsichtlich baulicher Repräsentation ein internationales Anspruchsniveau erfüllt haben wollte. Das in Dresdner Sammlungen und Archiven (v. a. Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek sowie Hauptstaatsarchiv des Sächsischen Staatsarchivs) in erstaunlich großem Umfang erhalten gebliebene zeitgenössische Planmaterial (ca. 120 Blatt) erweist nicht nur, dass die von 1711 bis 1728 erfolgte Bebauung des Zwingerareals stets mit einem beabsichtigten, allerdings niemals realisierten Um- oder gar Neubau des Residenzschlosses verknüpft war (wozu allein ein gutes Dutzend an Entwurfsvarianten existiert), sondern auch, dass im Verlauf der Planungen mehrere Konzeptwechsel erfolgten, welche das Zwingerareal betrafen: von einem Orangeriegarten zu einem Festplatz und schließlich zu einem Sammlungsgebäude. Dabei kam es seit 1704, als Pöppelmann zum Hofbaumeister ernannt wurde, zum Durchspielen von vielerlei Lösungsvorschlägen, welche zu einer planungslogischen Sortierung des überwiegend undatierten und hinsichtlich einer Planungsentwicklung unsystematisch aufbewahrten Planmaterials herausfordern.
Wesentliche Interpretationshilfen liefern zum einen mittels Bildbearbeitungssoftware digital erstellte maßstabsgerechte Konfrontationen, Überlagerungen und Zusammenfügungen von Planmaterial sowie digitale 3D-Modellierungen ausgewählter Planungen, welche, das Zwingerareal betreffend, der Kooperationspartner Staatliche Burgen, Schlösser und Gärten Sachsen gGmbH zur Verfügung stellt, beziehungsweise welche, das Residenzschloss betreffend, vom Medieninformatikbüro ligthframe fx neu hinzumodelliert werden.
Die künstlermonografische Ausrichtung des Forschungsprojekts erscheint durch die europäische Bedeutung Pöppelmanns sowie seine jahrzehntelange Stellung als alleiniger Hofbaumeister gerechtfertigt. Ihre Berechtigung hat außerdem die auf das Jahr 1728 gelegte zeitliche Obergrenze des Untersuchungszeitraums, weil in diesem einerseits mit dem Fertigstellen der stadtseitigen Exedra des Zwingerhofes mitsamt ihres Mittelpavillons (sog. Glockenspielpavillon) die Baumaßnahmen im Residenzareal ihr Ende finden und andererseits sich das Bauinteresse Augusts des Starken auf das in der Dresdner Neustadt gelegene Japanische Palais verlagert, bei welchem Pöppelmann nicht mehr als allein federführender Hofbaumeister tätig sein wird (vgl. an derselben Professur beheimatetes Fritz-Thyssen-Forschungsprojekt zum Japanischen Palais).
Die vordringlichste Aufgabe, die es zu lösen gilt, besteht in der neuen Katalogisierung des überlieferten historischen Planmaterials, welche zugleich geeignet ist, die Planungsentwicklung abzubilden. Das Korrektiv einer auf dem Zeichenpapier verlaufenden Planungsgeschichte liefert bekanntlich die Baugeschichte, so dass ein Überprüfen und Ergänzen der bisher bekannten diesbezüglichen historischen Fakten anhand hierzu aussagekräftiger Bildquellen und Archivalien unumgänglich erscheint. Analytische Fragestellungen sollen sich mit der funktionalen Intention der baulichen Entwürfe ebenso beschäftigen wie mit der stets nur äußerst unsystematisch wie unvollständig erklärten Genese der von Pöppelmann verwendeten Bauformen. Mit letzterem eng verknüpft ist das Ergründen von Pöppelmanns bislang missachteter eklektisch-imitativer Entwurfspraxis, welche als vorlagenbasiertes Entwerfen bezeichnet werden kann. Das Streben nach einer herausgehobenen Repräsentation des sächsisch-polnischen Reiches innerhalb des europäischen Mächtesystems ließ die reichsdeutschen königlichen beziehungsweise kaiserlichen Residenzen in Berlin und Wien ebenso in den Fokus der Vorbildsuche rücken wie die damals einschlägige französische Schlossbaukunst, wobei als Aneignungsmedien zumeist Kupferstiche dienten, z. B. solche Paul Deckers d. Ä. oder innerhalb des Grand Marot. Insbesondere gibt es Berührungspunkte mit dem seinerzeit einflussreichen Atelier des päpstlich-römischen Architekten Carlo Fontana (1638-1714), mit welchem Pöppelmann nachweislich in Kontakt gekommen war. Die Genese der Bauformen lässt sich als Kulturtransfer begreifen, welcher sowohl die Internationalität von Pöppelmanns Planungsbemühungen als auch gleichermaßen dessen Verwurzelung in einem spezifisch deutschen Hofbauwesen ans Licht zu bringen vermag. Als Vergleichspersonen stehen andere zeitgenössische Hofbaumeister mit ähnlichem Schulungshintergrund zur Verfügung, neben den Fontana-Schülern Nicodemus Tessin d. J. (1654-1728; Stockholm) und Filippo Juvarra (1678-1736; Turin) beispielsweise auch Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723; Wien), Johann Lucas von Hildebrandt (1668-1745; ebendort) und Andreas Schlüter (1659-1714; Berlin). Mit der Genese der Bauformen steht in ursächlichem Zusammenhang auch die Frage nach deren daraus sich ableitenden Semantiken, wobei zu klären bleibt, inwieweit diese mit der Ikonografie des überreichen ornamentalen und skulpturalen Baudekors zusammenspielen, dem der Dresdner Zwinger bekanntlich seinen Weltruhm verdankt.
Fragestellungen und Methoden:
- Abgleich von Planungs- und Baugeschichte (vorrangige Methoden: Autopsie von Planmaterial und Bildquellen, Auswertung von Archivalien, Entwurfs- und Baulogiken)
- Analyse von Pöppelmanns Planungen nach funktionalen sowie typologischen Kriterien (vorrangige Methoden: Residenzforschung, Kulturtransfer, Medien- und Performanztheorie)
- Genese der Bauformen (vorrangige Methoden: komparatistisches Eruieren von Vorbild-Derivat-Relationen, Modell- und Transformationstheorie, Kulturtransfer)
- Pöppelmanns Entwurfsstrategie: vorlagenbasiertes Entwerfen (vorrangige Methoden: medientheoretisch und technikgeschichtlich basierte Entwurfsforschung, Rhetorik- und Eklektiktheorien)
- Semantik der Bauformen (vorrangige Methoden: Architekturikonologie, Medientheorie)
Arbeitsziele:
- Katalogisierung des Plan- und Bildquellenmaterials
- Darlegung der Forschungsergebnisse in Buchform
- 3D-Modellierung ausgewählter Planungen zum Residenzschloss als Ergänzung bereits bestehender digitaler 3D-Modelle des Zwingerareals
- Veranstaltung einer projektbezogenen zweitägigen kunstwissenschaftlichen Fachtagung
- Zuarbeit zum Online-Fachportal "Architektur- und Ingenieurzeichnungen" der SLUB/Deutsche Fotothek
Kooperationen:
- Schlösserland Sachsen – Staatliche Burgen, Schlösser und Gärten Sachsen gGmbH, Stauffenbergallee 2a, 01099 Dresden, Abteilung Museen, Projekt „Zurück in die Zukunft – computergestützte Visualisierungen von Planungs- und Bauphasen des Dresdner Zwingers“ (Kooperation mit der Professur für Medieninformatik an der HTW – Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden)
- Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB), Zellescher Weg 18, 01069 Dresden, Abteilung Handschriften, Alte Drucke und Landeskunde sowie Deutsche Fotothek, Online-Fachportal „Architektur- und Ingenieurzeichnungen“
- Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden, Archivstr. 14, 01097 Dresden, Referat 22: Älteres und neueres Archivgut MO-Sachsen
- Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Schloßplatz 1, 01067 Dresden, Referat Bauforschung sowie Plansammlung
- Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Residenzschloss, Taschenberg 2, 01067 Dresden, Kupferstich-Kabinett sowie Grünes Gewölbe/Rüstkammer
- lightframe fx visual effects, Strehlener Straße 14, Raum 506, 01069 Dresden
Erweiterungsplanung für Residenzschloss und Zwingerareal, um 1712/13, digitale virtuelle 3D-Modellierung von Rainer Uhlemann (HTW Dresden/lightframe fx), © Schlösserland Sachsen – Staatliche Burgen, Schlösser und Gärten Sachsen gGmH:
Neubauentwurf für ein Residenzschloss (sog. Große Schlossplanung), um 1716/18, digitale virtuelle 3D-Modellierung von Conny Coburger und Anne Weinert (HTW Dresden), © Schlösserland Sachsen – Staatliche Burgen, Schlösser und Gärten Sachsen gGmbH: