Spolien (Klein)

Die Verwendung von Spolien, das heißt eigentlich von „geraubten“ materiellen Zeugnissen vergangener Bauten, zählt seit der Antike zur gängigen Architekturpraxis. Hierfür konnte es sowohl pragmatische Gründe geben, wie z.B. die Einsparung von Baukosten, aber auch ideologische, wenn z.B. durch die Integration bestimmter Element in einen Neubau behauptet oder gezeigt werden sollte, dass in ihm eine ältere Tradition präsent sei. Aber es gab auch ästhetische Argumente für die Verwendung von Architekturspolien, beispielsweise um eine malerische Wirkung oder eine romantische Stimmung zu erzeugen.

Dies zu trennen ist nicht immer leicht, und nicht immer war die Verwendung von Spolien in gleichem Maße möglich oder wurde im gleichen Maße inszeniert.

Daher soll in dem Seminar versucht werden, den Phänomenen von Spolienverwendung über die Jahrhunderte hinweg anhand ausgewählter Beispiele über nachzugehen. Dies geschieht vor allem vor dem Hintergrund, dass die Gegenwartsarchitektur wieder in einem besonderes großem Maße „spolienaffin“ zu sein scheint, jedenfalls in einem viel größeren Maße, als dies in der klassischen Moderne des frühen 20. Jahrhunderts üblich war.

Termine und Themen

•  4.4.    Vorbesprechung
• 22.5.  Blockveranstaltung: Spolienverwendung im Mittelalter; Venedig, San Marco; Rom, Neu-St-Peter
• 26.5.   Spolien in Dresden - ein wissenschaftlicher Spaziergang. Treffpunkt: Residenzschloss, kleiner Schlosshof

Weitere mögliche Referatsthemen für die Blockveranstaltung am 22.5.:

• Frühchristlicher Spoliengebrauch: Konstantinsbogen und Basiliken
• Aachen, Münster
• Magdeburg, Dom
• Romanische Portale an gotischen Kirchen
• Spolien im Landschaftsgarten
• Moderne Lapidarien – (z.B. Chicago, Chicago Tribune Tower)
• Moderne Spolien in Dresden
• Moderne Spolien in Berlin

Literatur: 

• Wolf, Norbert: Beute-Kunst-Transfers; eine andere Kunstgeschichte. Wiesbaden 2010.
• Schattner, Thomas G. [Hrsg.] Spolien im Umkreis der Macht. Akten der Tagung in Toledo vom 21. bis 22. September 2006. Mainz 2009 (Iberia archaeologica ; 12)
•  Esch, Arnold: Wiederverwendung von Antike im Mittelalter; die Sicht des Archäologen und die Sicht des Historikers. Berlin [u.a.] 2005, (Hans-Lietzmann-Vorlesungen; 7).
• Brenk, Beat: Spolia from Constantine to Charlemagne. In: Dumbarton Oaks papers, 41.1987, 103-109.
• Joachim Poeschke (Hrsg.): Antike Spolien in der Architektur des Mittelalters und der Renaissance. München 1996.
• Arnold Esch: Spolien: Zum Wiederverwendung antike Baustücke und Skulpturen in mittelalterlichen Italien. In Archiv für Kunstgeschichte 51 (1969), 2–64.
• Altekamp, Stefan (Hrsg.): Spoliierung und Transposition, Berlin, Boston 2013 (Perspektiven der Spolienforschung ; 1)
• Hansen, Maria Fabricius The spolia churches of Rome : recycling Antiquity in the Middle Ages. Aarhus 2015
• Müller, Rebecca: Spolien und Trophäen im mittelalterlichen Genua: sic hostes Ianua frangit, Weimar, 2002.
• Joubert, Fabienne: Le remploi de portails sculptés dans les monuments de la France gothique, In: Hortus artium medievalium, 17.2011, 201-208
• Kerscher, Hubert (Hrsg.) Spolien – steinerne Zitate der Geschichte. Von Römersteinen, Judensteinen und falschen Gräbern, Regensburg 2016.
• Bosman, Lex: The power of tradition:  spolia in the architecture of St. Peter’s in the Vatican. Hilversum 2004
• Meier, Hans-Rudolf: "Vom Siegeszeichen zum Lüftungsschacht: Spolien als Erinnerungsträger in der Architektur," in: Hans-Rudolf Meier und Marion Wohlleben (eds.), Bauten und Orte als Träger von Erinnerung: Die Erinnerungsdebatte und die Denkmalpflege (Zürich: Institut für Denkmalpflege der ETH Zürich, 2000), 87–98. (pdf)
•  Meier, Hans-Rudolf: Spolien als Instrument der Mimesis in der Gegenwartsarchitektur. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 79. Jahrgang, Heft 3 (2016), Seite 396-409.
• Bongiorno, Biagia (Hrsg.): Spolien in Berlin nach 1945. Motive und Rezeption der Wiederverwendung von Fragmenten. Petersberg 2013 (Berliner Beiträge zur Bauforschung und Denkmalpflege ; 13)
• Engelmann, Iris: "Passagen [...], die in ihr vergangenes Dasein führen"; Spolienportale in der Architektur der Moderne. In: Architectura, 40.2010, 2, 189-200.