Politische Bildung in digitalen Umgebungen
Obwohl Politik für sie häufig kein besonders attraktiver Gegenstand ist, setzen sich Jugendliche doch oft sehr selbstbewusst mit zentralen politischen Zukunftsfragen oder Fragen nach den Möglichkeiten gelingenden Zusammenlebens in der Gesellschaft auseinander, wie sich in jüngster Zeit am Beispiel von Ereignissen wie der Bundespräsidentschaftswahl, Stuttgart 21 oder auch den Folgen des Unglücks auf der Loveparade in Duisburg nachvollziehen lässt. Diese Auseinandersetzungen, Debatten und Aktionen kommen allerdings immer häufiger sehr spontan zustande und werden von den Jugendlichen selbst nicht selten gar nicht als politische Themen wahrgenommen. Für Jugendliche muss Politik nicht immer ernst, sprachlich verfasst und in zentralen politischen Institutionen verankert sein. Sie setzen sich auch spielerisch, humorvoll und spöttisch mit politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinander. Für diese Auseinandersetzung spielen Medien eine große Rolle, allerdings sind das häufig nicht die selben Medien, über die Erwachsene sich politisch und gesellschaftlich informieren. Damit kommt es zu einer zunehmenden Desintegration der politischen Diskurse. Jugendliche verstehen die Politik und die Art und Weise, mit denen Politik in der Gesellschaft diskutiert und kommuniziert wird, nicht und Erwachsene verstehen die Jugendlichen nicht und können deren durchaus vorhandene politischen Interessen und Stellungnahmen nur sehr schwer einordnen.
Die von UFA und Bosch-Stiftung ins Leben gerufene Plattform DU HAST DIE MACHT möchte zwischen diesen Diskursen vermitteln. Hier sollen politische Inhalte jugendgerecht aufgearbeitet werden und Jugendliche – auch solche, die sich bereits dezidiert von Politik im engeren Sinn abzuwenden begonnen haben – zu aktiven Stellungnahme und Partizipation motiviert werden.
Ob und mit welchen Formaten dies am besten gelingt, erforschen wir im Rahmen eines auf qualitative Interviews mit Jugendlichen verschiedener Alters- und sozialer Gruppen beruhenden Forschungsprojekts. Wir betrachten die Jugendlichen dabei als Experten, die qualifiziert Auskunft geben können, nicht nur über eigene Kommunikationsgewohnheiten, sondern auch über Kommunikationsgewohnheiten von anderen Mitgliedern ihrer Altersgruppe.
Die Schwierigkeiten, auf die wir in diesem Projekt gestoßen sind, liegen entsprechend auch nicht ausschließlich auf der Rezeptionsseite von Web 2.0-Projekten, sondern werden nicht selten bereits auf der Produzentenseite erzeugt.
Hierfür einige Beispiele:
- Durch die klare Definition von Bildungszielen fällt es den Produzenten häufig schwer, Steuerung im Kommunikationsprozess abzugeben. Dies gilt selbst dann, wenn lediglich Partizipation und politische Aktivierung als Bildungsziele formuliert werden.
- Plattformen, die von weltanschaulich neutralen Bildungsträgern verantwortet werden, müssen sich beständig um die Ausgewogenheit der kommunizierten Inhalte bemühen. Allzu provokante Hinweise und Stellungnahmen werden hier in der Regel nicht toleriert. Eben diese provokanten Stellungnahmen haben sich in den sozialen Netzwerken aber als extrem mobilisierend erwiesen. Dieses Dilemma lässt sich im Bildungsbereich nur sehr schwer auflösen.
- Für Träger der politischen Bildung stellen digitale Medien in der Regel eine kostengünstige Möglichkeit dar, eigene Inhalte möglichst effizient zu distribuieren. Diese Vorstellung steht einer offenen Nutzung sozialer Netzwerkmedien heute aber häufig im Weg, denn offene Foren sind extrem betreuungsintensiv. Sie müssen beständig gepflegt und aktualisiert werden. Diese Anforderung übersteigt im Regelfall die personellen und finanziellen Kapazitäten der Bildungsträger.
- Viele Bildungsträger versprechen sich aufgrund der hohen Attraktivität und enormen Nutzungsfrequenzen sozialer Netzwerkmedien einen leichteren Zugang zur Zielgruppe. Sie glauben, dass durch die Nutzung sozialer Dienste Themen interessant erscheinen könnten, die die Zielgruppe ansonsten als uninteressant ablehnen würde. Die Medienwirkungsforschung hat allerdings gezeigt, dass die sozialen Netzwerkmedien vor allem aufgrund von Eigeninteresse funktionieren und deshalb erweist sich fatalerweise das Vorhandensein eines basalen politischen Interesses auch und gerade hier als eine zentrale Zugangsvoraussetzung.
Wir betrachten uns als Forschungsgruppe, die das Projekt begleitet, aber nicht als Satelliten, der mit dem Projekt selbst nichts zu tun hat und möglichst große Distanz zu den Produzenten halten sollte – im Gegenteil sind wir der Überzeugung, dass sich eine Verbesserung der Instrumente politischer Bildung und damit nachhaltiger Innovation in diesem Feld nur entwickeln kann, wenn Ergebnisse möglichst frühzeitig in den Produktionsprozess zurückgespiegelt werden. Aus diesem Grund trifft sich die Forschergruppe an der TU Dresden regelmäßig (ca. alle 8 Wochen) mit der Redaktionsgruppe im UFA Lab zu sogenannten Resonanzgesprächen.
Verantwortlich für die Durchführung des Projektes sind: