Studienseminar 22. Januar 2004 an der Martin-Luther-Universität Halle
Ein kurzer Überblick über den Ablauf und den Zweck des deutsch-französischen Studienseminars in Halle
Anlässlich des 41. Jahrestages des Deutsch-Französischen Élysée- Vertrages am 22. Januar 2004 fand an der Martin-Luther- Universität in Halle ein Studienseminar statt. Ostdeutsche Studenten, darunter eine Delegation aus Dresden, trafen vom 19. bis 24. Januar 2004 auf französische Studenten aus Frankreich oder Deutschland.
In fünf unterschiedlichen Arbeitsgruppen galt es den Wiedervereinigungsprozess Deutschlands von 1989 zu analysieren. Die Themen waren:
1. Der Vergleich der friedlichen Revolution von 1989 mit der großen Französischen Revolution von 1789,
2. Die Einschätzung der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und der DDR,
3. Die Wahrnehmung der deutschen Einheit durch die französische Presse,
4. Frankreichbilder in den Medien der DDR (Wandel nach 1989/90) und
5. Der Einfluss der Wiedervereinigung auf deutsch-französische Städtepartnerschaften.
Diese Gruppenarbeiten wurden am Vor- und Nachmittag durchgeführt, erst abends waren verschiedene Gäste zu Vorträgen und Diskussionen eingeladen. Unter diesen befand sich die letzte französische Botschafterin der DDR – Joëlle Timsit –, die zu Gesprächen und Interviews stets bereit war. Außerdem gab der Schriftsteller Erich Loest einen kurzen Einblick in seinen Roman „Nikolaikirche“ und dazu einen Ausschnitt aus der Verfilmung. Weitere wichtige Gäste waren vor allem Wissenschaftler verschiedener Universitäten, wie Prof. Dr. Röseberg, Dr. Casasus, Prof. Dr. von Oppeln u.a., sowie der französische Journalist M. Beaulieu. Diese interkulturelle Mischung deutscher und französischer Zeitzeugen und Wissenschaftler ermöglichte eine sehr effektive und aufschlussreiche Zusammenarbeit, bei der mir nicht bekannte Fakten und unbewusste Sichtweisen gegenwärtig wurden.
Dieses Studienseminar war zweifellos erfolgreich und müsste in seiner Art viel öfter stattfinden. Gründe sind dafür zum Beispiel die Tatsachen, dass
1. die DDR-Geschichte in der Schule zu selten behandelt wird (aus meiner Schulzeit kenne ich lediglich die Daten zur Teilung Deutschlands und zum Mauerbau),
2. Schulabsolventen diesen Jahres schon kaum noch über eigene Eindrücke oder Erfahrungen aus DDR-Zeiten verfügen,
3. Literatur oder Forschungsprojekte basierend auf den französischen Beziehungen zur DDR nur geringfügig eine Rolle spielen,
4. es nicht nur der Aufklärung der jungen deutschen Generation bedarf, sondern auch der Franzosen, da diese ebenfalls ein Recht auf Informationen aus erster Hand haben.
Darüber hinaus sollten die erworbenen Erkenntnisse zur Bedeutung außenpolitischer und interkultureller Verhältnisse genutzt werden, um der Entstehung oder dem Bestehen von Stereotypen entgegen zu wirken, denn ein persönlicher Austausch von Erlebnissen und Meinungen kann das Aufkommen von Vorurteilen und Missverständnissen verhindern oder korrigieren.
Mir ist sehr wohl bewusst, dass die DDR nicht zu den Kapiteln unserer deutschen Geschichte gehört, auf die man stolz sein kann, aber sie bleibt fortwährend ein Teil unserer Vergangenheit und, momentan noch, unserer (Alltags-)Kultur.
Vielleicht wird es in naher Zukunft möglich sein, aus dem in Halle entwickelten Konzept eines Studienseminars anlässlich der deutsch-französischen Freundschaft eine Tradition werden zu lassen. So würde für viele Französischstudenten die Chance bestehen, einmal im Jahr auf französische Deutschstudenten zu treffen und gemeinsam zu Themen der deutsch-französischen Beziehungen zu recherchieren.
Nicole Oelmann
Lehramt Englisch/Französisch