Exkursion des Instituts für Slavistik nach Plovdiv 2016
Bericht aus dem Universitätsjournal Nr. 10/2016
Exkursion zur Wiege der slavischen Kultur
Slavistik-Studenten der TUD reisen nach Bulgarien und erkunden Plovdiv
von Martin Henzelmann
Im Rahmen des Seminars Altkirchen- slavisch, das regelmäßig am Institut für Slavistik von Prof. Holger Kuße und Dr. Martin Henzelmann angeboten wird und Einblicke in eine frühe slavi- sche Schriftsprache gibt, wurde in der Pfingstwoche vom 16. bis 20. Mai 2016 eine Exkursion nach Plovdiv in Bul- garien durchgeführt. Das Land gilt als die Wiege der slavischen Kultur und Plovdiv, die zweitgrößte Stadt des Lan- des, beheimatet die Universität »Paisii Hilendarski«, die seit vielen Jahren eine enge Verbindung zum Institut für Slavistik im Rahmen einer ERASMUS-Partnerschaft unterhält. So konnten die zehn Studenten vor Ort auch erste Kontakte im universitären Umfeld knüpfen.
Die Anreise erfolgte über Berlin und Sofia, wo die kleine Delegation von Prof. Dimităr Veselinov, dem Prodekan für Wissenschaft und Projektmanagement an der Fakultät für klassische und neue Philologien der Sofioter Universität »Hl. Kliment Ochridski« am Flughafen begrüßt wurde. Es ging anschließend weiter mit dem Bus nach Plovdiv zum »Hostel Old Plovdiv«, einer im Stil der bulgarischen Wiedergeburtsarchitektur errichteten Herberge.
Am Folgetag fuhr die Gruppe zur Klosteranlage in der Ortschaft Bačkovo, die sich malerisch gelegen im Rhodopengebrige befindet und eines der bedeutendsten Zeugnisse orthodoxer Sakralkultur Bulgariens und der gesamten Balkanhalbinsel darstellt. Besonders in der osmanischen Zeit leisteten hier die Mönche einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der slavischen Schriftkultur. Darüber hinaus stellten sie prächtige Ikonen her, die man noch heutzutage bewundern kann. Die Reiseteilnehmer wurden durch die Anlage geführt und hatten sowohl zur Hauptkirche als auch zum Refektorium Zugang, in dem sich sehr seltene Fresken aus dem 17. Jahrhundert befinden. Wieder in Plovdiv bot sich bei einem Stadtrundgang durch die Altstadt die Gelegenheit, ausgesprochen sehenswerte Kulturdenkmäler zu besuchen: das antike Theater, Kirchen und Moscheen sowie zahlreiche Bauwerke aus der Epoche der bulgarischen Wiedergeburt. Ein gemeinsames Abendessen war gleichzeitig die erste Zusammenkunft mit den Partnern der Plovdiver Universität.
Am dritten Tag wurde an der Plovdiver Universität eine studentische Konferenz mit dem Titel »Interkulturelle Anknüpfungspunkte zwischen Bulgarien, Deutschland und Russland« veranstaltet, auf der Studenten beider Seiten ein umfassendes Rahmenprogramm gestalteten. Die Dresdner Teilnehmer stellten die TUD, das Studium der Slavistik und Elbflorenz vor. In diesem Rahmen hielten Prof. Kuße und Dr. Henzelmann Gastvorträge zur russischen und zur bulgarischen Linguistik, während von bulgarischer Seite aus ein umfangreiches Quiz vorbereitet wurde, bei dem das Wissen über die russische Kultur abgefragt und getestet wurde.
Die nächsten Ziele der Exkursion waren das Freilichtmuseum in Etăr, ein archäologischer Komplex, in dem vor allem die ländliche Bauweise und das traditionelle Handwerk der Bulgaren rekonstruiert wurden, sowie Veliko Tărnovo, die mittelalterliche Hauptstadt des Bulgarischen Reiches. Auf einem Rundgang mit den Plovdiver Studenten und Kollegen wurde neben zahlreichen Bauten aus der Epoche der Wiedergeburt die beeindruckende Festung Carevec erkundet. Diese Anlage ist eine der imposantesten Denkmäler, die von der politischen und kulturellen Bedeutung zeugen, die dem Land ab dem 12. Jahrhundert zukam.
Auf dem Rückweg nach Plovdiv blieb noch etwas Zeit, um das Denkmal am Schipkapass und die dortige russische Kirche zu besichtigen, die an den Russisch-Osmanischen Krieg von 1877/78 und die damit verbundene Unabhängigkeit Bulgariens von der osmanischen Herrschaft erinnert.
Vor der Rückreise nach Dresden bot sich ein Besuch in der Hauptstadt Sofia an. Besonders die sephardische Synagoge, das nach denen in Budapest und Amsterdam drittgrößte jüdische Gotteshaus in Europa, beeindruckte durch ihre aufwändigen Verzierungen und Ausschmückungen. Auch die Geschichte der bulgarischen Juden, die in Deutschland eher wenig bekannt ist, wurde geschildert. Obwohl das Land an der Seite des Hitlerregimes stand, gelang es dem damaligen Zarenreich mit Umsicht und diplomatischem Geschick, keinen einzigen seiner jüdischen Bewohner der Willkür der Nationalsozialisten zu überlassen und sie stattdessen zu beschützen.
In unmittelbarer Nachbarschaft zur Synagoge befindet sich die zentrale Moschee der Stadt, aber auch zahlreiche Kulturdenkmäler und Kirchen lagen auf dem Weg durch das Stadtzentrum, so etwa die Alexander-Newski-Kathedrale, die einer der größten Kirchbauten auf der Balkanhalbinsel ist. Am Nachmittag traf sich die Dresdner Gruppe an der Sofioter Universität mit Dr. Milena Jordanova vom Institut für Turkologie, die durch das Gebäude führte und seine Entstehungsgeschichte erläuterte. Außerdem zeigte sie die nahe gelegene Nationalbibliothek der Heiligen Kyrill und Method, die über unikale slavische und griechische Manuskripte, aber auch über eine der weltweit größten Sammlungen osmanischer Dokumente verfügt.
Die Exkursionsteilnehmer möchten sich ganz herzlich beim Dekanat der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kultur- wissenschaften und bei der Gesellschaft von Freunden und Förderern der TU Dresden e.V. für ihre großzügige Unterstützung sowie bei Assoc. Prof. Dr. Boryan Yanev bedanken, die einen maßgeblichen Beitrag dazu leisteten, dass die Exkursion durchgeführt werden konnte. Auf der Grundlage der gemeinsamen Aktivitäten im Rahmen der Exkursion, über die auch ein Artikel im Journal der Plovdiver Universität erscheinen wird, wurde beschlossen, die bereits bestehenden institutionellen Kontakte zukünftig noch weiter zu intensivieren.