17.09.2014
SMART Rockets: Raketenstart rückt näher
Mit einem selbstentwickelten Teststand wurde im Rahmen des SMART Rockets Projekts am Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden ein erster offener Brenntest eines Flüssigtreibstofftriebwerkes erfolgreich durchgeführt. In einem Unterstand aus Beton auf dem Flugplatz Großenhain testeten die Mitarbeiter um Projektleiter Dr. Olaf Przybilski das Antriebssystem der Forschungsrakete.
Anfang August 2012 startete das Forschungsprojekt „SMART Rockets – Neuartige Raketensysteme“, finanziert vom DLR in Bonn an der Fakultät Maschinenwesen. Es ermöglicht seit dem Studierenden der Luft- und Raumfahrttechnik eine eigene Rakete zu entwickeln, zu bauen und zu testen. Sie wird 3 Meter lang und 25 Kilogramm schwer sein, 5 Kilometer hoch fliegen und soll Schallgeschwindigkeit erreichen. Der Raketenstart ist bis zum Ende der Projektlaufzeit, Mitte nächsten Jahres, angesetzt.
Im Gegensatz zu einfacheren Raketen mit Feststoff- oder Hybridmotor, wie sie andere Teilnehmer des STERN-Programms des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums entwickeln, wird die Dresdner Rakete mit flüssigem Sauerstoff (-189°C) und Ethanol betrieben. Dazu bedarf es einer aufwendigen Mess- und Erprobungsphase. Studierende, SHK´s und WHK´s haben dafür einen transportablen Teststand für Brennkammer und Raketensystem entworfen, gebaut und zertifiziert. Dieses System bildet alles nach, was zu einem System eines Flüssigtreibstofftriebwerkes gehört: Tanks, Ventile, Rohrleitungen und Ansteuerung. Da flüssiger Sauerstoff beim Vergasen extrem reaktionsfreudig ist, war es bei den Brenntests wie schon bei den Vorarbeiten wichtig, besondere Sorgfalt in Auswahl und Handhabung der verwendeten Teile an den Tag zu legen, da schon kleinste Verunreinigungen negative Auswirkungen haben können. Die erste Brenntestkampagne hat gezeigt, dass der konstruierte Teststand voll funktionsfähig ist. Die reale Vermischungsqualität von Sauerstoff und Ethanol konnte mit der Simulation verglichen und erste Erfahrungen mit verschiedenen Zündsystemen gemacht werden.
"Wir freuen uns sehr, dass der erste Brenntest unseres Treibstoffinjektors ohne Brennkammer, wir führten also eine "offene Verbrennung" durch, gleich so erfolgreich war. Dieser und die nachfolgenden weiteren Zündversuche und Brenntests mit unterschiedlichen Einstellungen der Treibstoffförderdrücke stellen für uns DEN Meilenstein in unserem SMART Rockets Projekt dar. Ist er doch die Grundlage für die folgenden Versuche mit angeflanschter Brennkammer im September, die uns zu einer leichten flugfähigen Motorversion führen wird. Damit kann dann unsere mit den Treibstoffen flüssiger Sauerstoff und Ethanol angetriebenen Rakete ausgerüstet werden um möglichst 5 km Höhe zu erreichen.", so der Projektleiter Dr. Olaf Przybilski.
Parallel zur Entwicklung des Antriebkonzepts und des dazugehörigen Prüfstands mit Propanzünder und Notablass wurden bereits eine ganze Reihe von Problemstellungen wie das Fallschirmsystem, die Aerodynamik und die Nutzlast in Angriff genommen. Auch die Entwicklung und Umsetzung, der für weitere Tests notwendigen mobilen Infrastruktur wie Test- und Startzentrum, Werkstatt und Startturm machen Fortschritte.
Für die nächste Zeit hat die Auswertung der Versuchsdaten mit anschließender Erprobung von Brennkammern bei den Projektmitarbeitern höchste Priorität. Wenn alles klappt, können die Ergebnisse bereits auf dem Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress Ende September in Augsburg vorgestellt werden.
1. Nachtrag vom 15.09.2014:
"Nun ist es vollbracht! Unser erste Brennkammertest unter moderaten Bedingungen ist auf dem „Testgelände Großenhain“ am 11. September 2014 erfolgreich durchgeführt worden! Damit ist uns in kürzester Zeit ein weiterer gigantischer Meilenstein in unserem SMART Rockets Projekt geglückt! Nachdem am 30. Juli 2014 erstmals die Zündung von LOX und Ethanol in einer offenen Verbrennung gelang, ist diesmal eine stählerne Brennkammer mit Graphitinliner ertestet worden. Mein Dank gilt an dieser Stelle, neben den vielen ungenannten Vorarbeitern in den studentischen Arbeiten, vor allem „meinen“ beiden Doktoranden Jan Sieder und Christian Bach mit ihren unermüdlichen logistischen Arbeitsvorbereitungen und den WHK´s Bernd Middendorf, Maximilian Nürmberger und Niklas Voigt, die mit ihrem angeeigneten Fachwissen der unerlässlicher Garant unserer Erfolge der letzten Monate waren.", so Dr. Olaf Przybilski.
2. Nachtrag vom 30.09.2014 von Dr. Olaf Przybilski:
Mit dem „traumhaften“ 78. Versuch auf dem „Rocket Test Center Großenhain“ haben wir am 24. September 2014 unsere erste heiße Testkampagne von SMART Rockets innerhalb des STERN-Programms des DLR überaus erfolgreich beendet. Nach dutzenden Zündversuchen und uns mit der offenen Verbrennung vorsichtig an einen Überschallmotor herantastend, nutzten wir schließlich eine stählerne Brennkammer mit Graphitauskleidung, um zu eruieren, wie unsere Ideen des Injektors und der berechneten Brennraumabmessungen mit den Förderdrücken der beiden Medien LOX und Ethanol zusammenspielten. In den nächsten Monaten wird im Zuge einer ausführlichen Datenauswertung schließlich daraus eine leichte flugfähige Raketenbrennkammer entstehen. Nach „visueller“ Entscheidung zu Gunsten einer für uns optimalen (offenen) Verbrennungsflamme integrierten wir die Brennkammer an der Injektorplatte, mit der uns am 11. September die erste Verbrennung gelang. Mit „moderaten“ Druckbedingungen beginnend, tasteten wir uns an die Zielvorgabe heran: 20 bar Tankbedrückung soll 250 g Gesamtmassendurchsatz und die berechneten 500 N Schub erbringen. Es war nicht nur für uns sehr überraschend, als wir die Temperaturdaten der Versuche beobachteten. Bei rund 2000K Hitze im Innern wurde die Brennkammer außen nur maximal 300°C warm - die Filmkühlung des vom Injektor erzeugten Brennstoffschleiers an der Brennrauminnenwandung wirkte perfekt! Selbst nach mehreren Brennversuchen war die von uns ausgewählte Graphitsorte ohne sichtbare Erosion! Beim vorerst letzten Versuch wegen logistischer Zwänge standen wir kurz vor dem Finale: Rund 200 g Massendurchsatz ergaben knapp 400 N Schub bei rund 2 km/s Austrittsgeschwindigkeit. Es war ein unwirkliches lärmgewaltiges Szenarium! Sehr faszinierend für uns und wie zum Beweis des richtigen Entwicklungsweges, erschienen im Abgasstrahl endlich die Mach´schen Knoten, die „Raketenstrahl-Diamanten“ die anzeigten, dass wir uns auf der Zielgeraden befinden.
Einige Sequenzen sind bei YouTube unter „SMART Rockets @ TU Dresden“ zu bestaunen.
Information:
TU Dresden
Professur für Raumfahrtsysteme
Dr.-Ing. Olaf Przybilski
01062 Dresden
Tel. +49 351 4633 6646