Unsere Experimente
Das Institut für Kern- und Teilchenphysik der Technischen Universität Dresden beherbergt einen Alpha-Detektor mit der weltweit geringsten Untergrundrate. Diese segmentierte Ionisationskammer wurde speziell vom „Helmholz Zetrum Dresden Rossendorf“ (kurz HZDR) entworfen um Raten weit unter zehn Ereignissen pro Tag zu messen. Das sogenannte Frisch-Design wurde adaptiert um die Energieauflösung maßgeblich zu verbessern. In Kombination von theoretischen Vorhersagen des Shockley-Ramo-Theorems und Monte-Carlo-Simulationen wurde die Ionisationskammer auf Pulsformebene abgebildet. Eine Veröffentlichung zum Design und Charakteristik der Kammer wurde in Nim-A publiziert (DOI:10.1016/j.nima.2016.01.033). Bisher wurden mehrere erfolgreiche Messkampagnen mit der Alpha-Kammer durchgeführt.
Eine neue Halbwertszeit von 1,079(26) . 1011 Jahren für das sogenannte Geo-Chronometer 147Sm wurden gemessen und veröffentlicht (DOI:10.1103/PhysRevC.95.034618). Die verwendeten Proben wurden vom „Leibniz-Institut für Festkörper- und Materialforschung Dresden“ hergestellt und auch charakterisiert. Hierfür wurde das Verfahren des Laser-Ablation verwendet um natürliches Samarium auf Silikon im Vakuum aufzutragen. Die Proben wurden im Bereich von 31 nm bis 822 nm hergestellt um systematische Effekte studieren zu können.
Eine konsistente Halbwertszeit von 4,97(16) . 1011 Jahren wurde für das sogenannte Kosmos-Chronometer 190Pt publiziert (DOI:10.1016/j.physletb.2017.02.052). Das natürliche Platin wurde von der Arbeitsgruppe „Transportphänomene in Nanostrukturen“ des HZDR produziert. Die totale Dicke bewegte sich im Bereich von 400 nm. Die Isotopenhäufigkeit von 190Pt wurden zu 0,01125(21)% unter Verwendung gekoppelter Plasma Massenspektrometrie vom „Isotope Climatology Laboratory“, ansässig an der Atomiki-Universität, bestimmt.
Einer der wichtigen Wirkungsquerschnitte für die nukleare Astrophysik (p-Prozess) wurde erneut gemessen und publiziert (DOI:10.1103/PhysRevC.102.045811). Die dafür verwendeten Proben wurden an der Universität Köln am Institut für Kernphysik hergestellt. Die mit 144Sm angereicherten Proben wurden in Braunschweig an der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt aktiviert. Des weiteren wurden die Proben mir Hilfe der „Rutherford-Rückstreu-Spektrometrie“ (engl. Rutherford Backscattering Spectrometry) an der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Die physikalische Analyse mit Hilfe der Alpha-Kammer konnte letztendlich zeigen, dass ein stärkerer Anstieg beim astrophysikalischen S-Faktor zu niedrigen Energien vorhanden ist.
COBRA (Cadmium Zinc Telluride 0-Neutrino Double Beta Research Apparatus) verwendet CdZnTe-Halbleiterdetektoren, um nach dem neutrinolosen Doppelbetazerfall (0νββ) zu suchen. Das Experiment befindet sich in den Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS) in Italien.
CdZnTe ist eine mögliche Quelle der gesuchten Zerfälle und kann gleichzeitig als Detektormaterial verwendet werden. Wie andere Halbleitermaterialien auch, hat es den Vorteil einer hohen Energieauflösung. Zusätzlich ist es sehr rein, also frei von radioaktiven Verunreinigungen, produzierbar. CdZnTe enthält mehrere Isotope, die einen Doppelbetazerfall produzieren können. Das vielversprechendste ist 116Cd, mit einem Q-Wert von 2,814 MeV, höher als alle γ-Peaks, die im natürlichen Untergrund zu erwarten sind.
Ursprünglich bestand das Experiment aus dem COBRA Demonstrator, welcher aus 64 coplanar-grid (CPG) CdZnTe Detektoren besteht. Diese einzelnen Detektorkristalle haben eine Größe von je 1x1x1cm3 und sind in vier Layern a 4x4 Detektoren angeordnet. Von 2011 bis 2019 wurden mit diesem Aufbau Daten genommen. Zurzeit wird dieser Datensatz noch eingehend analysiert, mit dem Ziel Halbwertszeit-Limits für die enthaltenen Isotope aufzustellen.
2018 wurde der COBRA-Aufbau um neun größere CdZnTe-Kristalle erweitert. Der COBRA-Demonstrator zusammen mit diesen neuen Detektoren einer Größe von jeweils 6 cm3 bildet den „extended demonstrator“ (XDEM). Die XDEM-Detektoren verwenden eine neuartige Elektrodenkonfiguration, das sogenannte “quad coplanar grid” (qCPG), welches von einem “guard ring” umgeben ist. Dadurch wird die Detektorleistung verbessert und Untergrundbeiträge durch α-Teilchen, die während der Demonstrator-Phase identifiziert wurden, werden reduziert.
Viele Erkenntnisse aus der Demonstrator-Phase sind in die Konstruktion des XDEM eingeflossen und entsprechend wird erwartet, dass XDEM insbesondere niedrigere Untergrundlevel zeigen wird als der Demonstrator. Das Hauptziel für XDEM ist zurzeit die Messung des 2νββ-Zerfalls von 116Cd. Wichtige Voraussetzungen dafür, an denen zurzeit gearbeitet wird, sind Pulsform-Analysen, Simulationen und Labormessungen, um die Detektoren bis ins Detail zu verstehen.
Für ausführlichere Informationen steht die Website des COBRA-Experiments zur Verfügung: https://www.cobra-experiment.org
Das COMET Experiment, welches derzeit in Japan am “Japan Proton Accelerator Research Complex” gebaut wird, soll nach dem neutrinolosen Übergang von Myonen zu Elektronen im Coulomb Feld von Aluminiumatomkernen suchen. Dieser Prozess ist im Standardmodell der Elementarteilchenphysik stark unterdrückt und ist daher ein exzellenter Kandidat für die Suche nach neuer Physik oder um neue Theorien zu testen. Das Experiment soll in zwei Stufen durchgeführt werden. Phase-I will dabei bereits das aktuelle physikalische Limit des Prozesses von 7 × 10−13 um einen Faktor 100 verbessern.
Alles startet mit einem gepulsten, hoch energetischen Protonstrahl, welcher auf ein stationäres Graphittarget geschossen wird. Dabei wird eine Vielzahl verschiedener Teilchen wie Protonen, Neutronen oder Pionen produziert. Die negativ geladenen Pionen werden gesammelt und fliegen entlang eines C-förmigen Strahlrohrs, um sie von Untergrund zu separieren. Während des Fluges zerfallen sie in Myonen, welche anschließend im sogenannten „Muon Stopping Target“ gestoppt werden. Ein kompliziertes Detektorsystem, bestehend aus einer zylindrischen Driftkammer, Szintillatoren sowie einem Germanium Detektor werden genutzt um die Rate des entstehenden Elektronensignals sowie die Rate der gestoppten Myonen zu messen.
Der Forschungsschwerpunkt in Dresden liegt auf dem Design des Muon Stopping Targets. Aus diesem Grund wurde bereits eine leistungsstarke Geant4 Computersimulation entwickelt und ein erster Mock-Up Entwurf des Targets entworfen und gebaut. Mit beiden Werkzeugen können Eigenschaften wie zum Beispiel die Anzahl gestoppter Myonen vs. Untergrund in den Detektorsystemen studiert werden. Das Ziel ist die Optimierung der Targets sowie die Entwicklung einer Methode die Anzahl gestoppter Myonen in Phase-I zu messen.
Weitere Details können auf der offiziellen Webseite gefunden werden: http://comet.kek.jp/
Der reduzierte Untergrundstrahlung in unterirdischen Labors ermöglicht die direkte Untersuchung von seltenen Kernreaktionen mit geringen Wirkungsquerschnitten bei astrophysikalisch relevanten Energien. Das neue Niederniveau-Beschleunigerlabor Dresden Felsenkeller ist durch Gestein (110m Wasseräquivalent) vor kosmischer Strahlung geschützt. Die Anlage besteht aus einem 5-MV-Pelletron-Beschleuniger und zwei Bunkern, einer für In-Beam-Experimente und einer für Aktivierungsmessungen. Letzteres enthält einen 150% HPGe-Detektor, der mit seiner stickstoffgefluteten Bleiburg und aktiven Myon-Vetodetektoren eine einzigartige Messeinrichtung für den Nachweis seltenster Kernzerfälle bietet. Es wird erwartet, dass der Beschleuniger 50 μA Wasserstoff- (0.3 bis 3.0 MeV), Helium- (0.3 bis 5.0 MeV) und Kohlenstoffstrahlen (1.0 bis 15.0 MeV) liefert, die in einer externen Sputterionenquelle oder in einer internen Ionenquelle erzeugt werden können. Die verfügbaren Targetkammern werden sowohl für Festkörpertargets, als auch für Gastargets und sogar Gas-Jet-Targets geeignet sein. Das wissenschaftliche Programm befasst sich derzeit mit 3He(α,γ)7Be-Reaktion, die eine Schlüsselreaktion sowohl bei der Urknall-Nukleosynthese als auch bei der Verbrennung von Wasserstoff in der p-p-Kette in Sternen darstellt. Eine weitere interessante Reaktion ist 12C(α,γ) 16O (der „Heilige Gral“ in der nuklearen Astrophysik), der das Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauerstoff und die Nukleosynthese schwererer Elemente in Sternen festlegt.
Detailliertere Informationen sind auf der Felsenkeller Homepage zu finden.
Die Beobachtung von Neutrinooszillationen hat gezeigt, dass Neutrinos eine Ruhemasse größer als null haben müssen. Mittels Neutrinooszillationen ist aber nur die Differenz der Massenquadrate zwischen den verschiedenen Neutrinogenerationen zugänglich. Im
Gegensatz dazu könnte der neutrinolose Doppelbetazerfall (0νββ) Informationen auf einer absoluten Massenskala liefern. Dieser Zerfall verletzt die Leptonenzahlerhaltung um 2 Einheiten, was nur möglich ist, falls Neutrinos ihre eigenen Antiiteilchen sind (sogenannte Majorana-Teilchen). Die experimentelle Beobachtung solch einer fundamentalen Teilchen-Antiteilchen-Symmetrie würde theoretische Modelle untermauern, die erklären, warum die Neutrinomassen so klein sind und würde neues Licht auf die Materie-Antimaterie-Asymmetrie im Universum werfen.
Der vorgeschlagene neutrinolosen Doppelbetazerfall (A, Z) → (A, Z+2) + 2e- unterscheidet sich vom 2νββ-Zerfall des Standardmodells durch zwei fehlende Antineutrinos. Dadurch ist die Reaktionsenergie Q gleich der Summe der kinetischen Energien beider emittierter Elektronen. Das ist der wichtigste experimentelle Indikator für den 0νββ-Zerfall. Der Zerfall wird sehr selten erwartet, daher ist die Reduktion des Messuntergrundes von wesentlicher Bedeutung.
Das Experiment LEGEND (Large Enriched GErmanium Neutrino Detector array) sucht nach dem neutrinolosen Doppelbetazerfall von 76Ge. Es ist das Nachfolgerexperiment von GERDA und MAJORANA. Die Labor-Infrastruktur von GERDA wird durch dieses Experiment weiter genutzt. Das Experiment befindet sich im LNGS (Laboratori Nazionali del Gran Sasso) in Italien. 1400 Meter Fels schirmen dieses Untertagelabor gegen kosmische Strahlen ab. Zusätzlich ist der Neutronenfluss in diesem Untertagelabor etwa um Faktor 1000 kleiner als an der Oberfläche wegen der sehr geringen Anteile an Uran und Thorium im Dolomit des Gebirges.
Unverhüllte Germaniumdetektoren aus angereichertem Germanium mit je mindestens 87% 76Ge dienen zugleich als Quelle und Detektor. Sie werden in einem hochreinen Flüssig-Argon-Bad betrieben, das gleichzeitig als Kryostat und Veto dient. Dieses ist von einem Wassertank umgeben. Myonen-Detektoren an der Oberseite des Wassertanks bieten ein zusätzliches aktives Veto gegen kosmische Myonen.
GERDA erreichte einen Untergrund-Index von 10-3 cts/(keV·kg·yr). Bis zur Exposition von 100 kg·yr kann es daher als untergrundfrei bezeichnet werden. Es wurde eine untere Grenze von 1,1 x1026 Jahren (90% C.L.) gesetzt. Der Plan von LEGEND ist eine schrittweise Erhöhung der Detektormasse, im ersten Schritt auf 200kg. Das langfristige Ziel ist eine Tonne an Germaniumdetektoren. Weitere Optimierungen der Abschirmungen versprechen eine entsprechende Reduktion des Untergrund-Index, um untergrundfrei zu bleiben. Auf diese Weise wird die Sensitivität auf die Halbwertszeit auf 1028 Jahre erweitert. Das entspricht einer Majorana-Neutrinomasse von 1 meV.
SNO+ ist das Nachfolgeexperiment des erfolgreichen Sudbury Neutrino Observatory (SNO), das 2015 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. SNO+ wird am Standort von SNO betrieben und benutzt dessen Infrastuktur und Aufbau. Der Neutrinodetektor besteht aus einer Akrylkugel (engl.: acrylic vessel, AV) mit einem Durchmesser von 12 m. Um die Kugel herum befinden sich mehr als 9300 Photoelektronvervielfacher (engl.: Photomultipliertubes, PMTs) auf einer Halterungsstruktur mit 17,8 m Durchmesser. Zur Stabilisierung der Kugel wurden zwei Seilsysteme eingesetzt. Der Zwischenraum zwischen Kugel und PMTs sowie der Hohlraum, in dem sich der Aufbau befindet, sind mit ultrareinen Wasser gefüllt. Das Experiment gehört zum Untergrundlabor SNOLab. Dieses befindet sich 2 km tief (ca. 6000 m.w.e.) in einer aktiven Nickelmine bei Greater Sudbury, Ontario, Kanada.
Im Gegensatz zu SNO wird die Kugel für SNO+ mit dem Flüssigszintillator LAB (lineares Alkylbenzol) befüllt. Das Hauptziel des Experiments ist, wie auch bei anderen von unseren Experimenten, die Suche nach den neutrinolosen Doppelbetazerfall (0νββ). Dazu werden ca. 1,3 t natürliches Tellur in den Szintillator gegeben. Das interessante Isotop ist 130Te.
Es ist auch möglich solare, Geo-, Reaktor- und Supernovaneutrinos mit SNO+ zu messen.
Mehr Informationen befinden sich auf der SNO+ website.