Forschung

Photonen in Lichtstrahlen durchdringen sich ungehindert
Warum können wir uns gegenseitig sehen? Weil Licht sich unbeeinflusst durchdringt! Zu Zeiten von Huygens vor knapp 400 Jahren führte dies zur Wellentheorie des Lichts. Heute wissen wir: Licht besteht aus Photonen, die nur mit Objekten wechselwirken, die elektrische Ladung tragen. Da Photonen selbst elektrisch neutral sind, bewegen sie sich einfach durcheinander hindurch. Lichtschwerter werden Science Fiction bleiben.

Kandidat eines W±W± -> W±W± Ereignisses im ATLAS-Detektor mit zwei elektrisch gleich geladenen Myonen (rot) und fehlendem transversalen Impuls (cyan) der Neutrinos aus den W-Zerfällen, sowie zwei aus den abstrahlenden Quarks entstandenen Teilchenbündeln (gelb).
Im Gegensatz zur elektromagnetischen Wechselwirkung streuen bei der extrem kurzreichweitigen schwachen Wechselwirkung die Botenteilchen W und Z aneinander, denn sie besitzen selbst schwache Ladung. Um dies zu beobachten, müssen bei den Proton-Proton Kollisionen am Large Hadron Collider (LHC) Quarks in jeweils einem Proton zufällig gleichzeitig je ein W oder Z abstrahlen und diese müssen sich danach näher als 1/1000 eines Proton-Durchmessers kommen.
Im Jahr 2014 konnte unsere Gruppe mit Hilfe des ATLAS-Detektors am LHC erstmals den Prozess W± W± -> W± W± , im Jahr 2016 erste Hinweise auf die Streuung von WZ -> WZ beobachten.

Im Standardmodell ist die „Lagrange-Dichte“, seine alles beschreibende Formel der Energiedichte des Universums, eindeutig durch Symmetrien bestimmt. Jeder Term auf der Tasse beschreibt eine bestimmte Klasse von Prozessen über Vertices in Feynman-Diagrammen. Mit unserer Forschung ist es zum ersten Mal möglich, den rot eingerahmten Vertex der „Quartischen Eichkopplung“ zwischen vier W-Teilchen zu untersuchen.
Mit dieser Streuung lässt sich zum ersten Mal die bislang noch unerforschte „Quartische Eichkopplung“ des Standardmodells zwischen vier W- oder Z-Teilchen vermessen und ihr vom Standardmodell vorhergesagter Wert überprüfen. Da der Austausch von Higgs-Teilchen die Streuung entscheidend dämpft, werden sich aus der gemessenen Abschwächung auch neue Erkenntnisse über das die elektroschwache Symmetrie unseres Universums brechende Brout-Englert-Higgs Feld ergeben. So könnte das Feld z.B. noch weitere bisher unbekannte Anregungen haben, oder das 2012 entdeckte Higgs-Teilchen könnte eine Unterstruktur aus neuen Teilchen besitzen. Mit den neuen Daten des "Run 3" des LHC von 2022-2026 bei höchsten Energien wollen wir mehr herausfinden.
Auf den beiden Unterseiten findet man mehr über die wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Forschung sowie eine vollständige Liste der Veröffentlichungen, Vorträge oder Abschlussarbeiten der Gruppe.
Die erste Beobachtung des Prozesses W± W± -> W± W± in 2014 hat in Deutschland und weltweit große Aufmerksamkeit erhalten:
- Erste Evidenz für Streuung von W-Bosonen (FSP-101 ATLAS)
- Zum ersten Mal Streuung von W-Bosonen beobachtet (Weltmaschine.de)
-
Physicists Detect Process Even Rarer than the Long-Sought Higgs Particle (Interactions.org)
-
Had there been no Higgs boson, this observation would have been the bomb
(sciencemag.org)
Von 2017 bis 2021 war unsere Gruppe Teil des EU-COST-Netzwerks "VBScan", in dem europaweit Wissenschaftler:innen der Experimente ATLAS und CMS sowie der Theoretischen Teilchenphysik zusammenarbeiten. Seit 2023 läuft nun in COST das Nachfolgenetzwerk COMETA, bei dem zusätzlich auch Expert:innen für Künstliche Intelligenz von außerhalb der Teilchenphysik mit an Bord sind.