Jan 16, 2019
Historische Schreiborte: Das Klemperer-Haus in Dresden-Dölzschen
Victor Klemperer (1881-1960): Linguist, Professor an der Technischen Hochschule Dresden, Opfer der NS-Rassegesetze, Überlebender des Holocausts und der Bombardierung Dresdens, Analyst der Sprache des NS-Regimes und politisch Engagierter in der DDR.
Bedauerlicherweise ist seine Person heute trotz seines beeindruckenden Lebenslaufs relativ unbekannt. Dabei verdanken wir dem Germanisten und Romanisten einen umfassenden Zeitzeugenbericht der deutschen Geschichte vom Kaiserreich bis zu den Anfangsjahren der DDR.
Seine - zum Teil posthum veröffentlichten - ausführlichen Tagebuchaufzeichnungen dokumentieren gleichermaßen gesellschaftliche Entwicklungen und persönliches Erleben.
In den 30er Jahren verliert der jüdisch stämmige Klemperer trotz Konvertierung zum Protestantismus nicht nur seinen Lehrstuhl, sondern nach und nach sämtliche Arbeitsgrundlagen: das Recht zur Nutzung der Landesbibliothek (damals im Japanischen Palais), den Zugriff zu Literatur und sein Haus in Dresden-Dölzschen.
Dass Klemperer kein Opfer des Holocausts wurde, verdankt er laut eigenen Angaben vor allem seiner „arischen“ Ehefrau Eva, die in den Jahren der Verfolgung treu zu ihm hielt und seine Aufzeichnungen vor der Gestapo verbarg.
Ihr mutiges Engagement ermöglichte es Klemperer nach dem Krieg sein wohl bedeutendstes Werk zu verfassen: Lingua Tertii Imperii – Notizbuch eines Philologen, eine Abrechnung mit der Sprache des Dritten Reichs.
Was bewegte ihn dazu, seine Forschungen selbst unter Extrembedingungen nicht aufzugeben?
"In den Stunden des Elends und der Hoffnungslosigkeit, in der endlosen Öde mechanischer Fabrikarbeit, an Kranken- und Sterbebetten, an Gräbern, in eigener Bedrängnis, in Momenten äußerster Schmach, bei physisch versagenden Herzen - immer half mir diese Forderung an mich selber beobachte, studiere, präge dir ein, was geschieht - morgen sieht es schon anders aus, morgen fühlst du es schon anders: halte fest, wie es eben jetzt sich kundgibt und wirkt." (Victor Klemperer in LTI)
Nach dem Krieg konnten Eva und Victor Klemperer wieder in ihr Wohnhaus Am Kirschberg 19 zurückkehren, wo heute eine Gedenktafel an sie erinnert.