14.02.2019
Treffen sich Ratgeber und Ratnehmer
Wie jeden Donnerstagabend finden sie sich im Stuhlkreis zusammen. Wie sonst auch gibt es wieder Kekse und Kaffee. Doch während Zeit, Ort und kulinarische Umgebung gleich bleiben, ist das Thema jede Woche ein anderes. Diesmal ist der nächste Schritt des Schreibdrachens dran und nach einer einleitenden Diskussion treffen sich die Teilnehmenden in Dreier-Grüppchen, um Einzelaspekte gezielter auszuarbeiten. Die Personen sind Studierende der TU Dresden, die ihre Ausbildung zum Schreibtutor durchlaufen. Aber was lernen die da? Was macht eine Schreibtutorin?
Zunächst: Schreibtutor/innen bieten Schreibberatungen an. Studierende aller Fachrichtungen, die an einem Schreibprojekt sitzen und ein Problem haben, das nicht fachlich begründet ist, können am Schreibzentrum einen Termin für eine Beratung vereinbaren. Diese Beratungen in Form eines Zweiergespräches führen die Tutor/innen mit einem ganz bestimmten Ansatz durch: Unter dem Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ findet die ratsuchende Person während des Gespräches die für sie optimalen nächsten Arbeitsschritte heraus. Eine Ingenieurin kann einem Soziologen nicht erklären, auf welche Weise er seine empirischen Daten auszuwerten habe. Aber sie kann gemeinsam mit ihm herausfinden, warum er so oft das leere Blatt anstarrt, anstatt es zu beschriften. Sie kann ihm Mut machen, wenn er schon fünf Mal frustriert seine Kapitel umgeschrieben hat oder ihm helfen, seiner Arbeit Struktur zu geben, wenn ein roter Faden noch nicht zu finden ist.
Den Schreibtutor muss man sich während der Beratung dann als ein dreigeteiltes Wesen vorstellen. Er setzt sich zusammen aus der Rolle des Experten, des „Peers“ und des Beraters.
Experte ist er, da er sich auskennt mit den Tücken, die die Arbeit an einem Schreibprojekt zu bieten hat. Fachkundig kann er Methoden vorschlagen, die den Ratsuchenden und sein Schreibprojekt voranbringen. Er ist jedoch kein Dozent, sondern – wie die ratsuchende Person – ebenfalls Student. Daher die Peer-Rolle, die sich vor allem durch das „Gespräch auf Augenhöhe“ auszeichnet. Der Tutor ist zwar geschult in Schreibdidaktik und Gesprächsführung, am Ende unterhalten sich zwei Studierende. Dabei darf der „Peer“ im Tutor jedoch nicht Überhand gewinnen. Als vorgenommenes Ziel steht ein Lösungsansatz für den Ratsuchenden im Raum. Und der ist nicht gefunden, bloß weil man von Student zu Student ein paar Gedanken austauscht. Es kommt also noch eine dritte Funktion hinzu: Die des Beraters. Was macht ein Berater? Klar, er berät. Soll heißen: Er bietet sein Fachwissen, ohne Anweisungen zu erteilen. Er verhilft zur besseren Orientierung im oftmals undurchsichtigen Schreibprozess, wodurch der Ratsuchende am Ende selbst zu einer Lösung gelangt.
Eine eigene effiziente Vorgehensweise beim Schreiben muss übrigens jeder persönlich finden, Tutor/innen nicht ausgeschlossen. Stagnieren sie mit einem Schreibprojekt, kommt es vor, dass sie ihrerseits eine Beratung in Anspruch nehmen. Denn sie wissen: Stagnieren tut jeder mal, egal wie viel Erfahrung er bereits gesammelt hat. Und das beste Mittel gegen Stagnation lautet schließlich: Darüber reden.
Text: Robert Bosse, Schreibtutor des Qualifizierungsjahrganges 2018
Außerdem: Felix Hage, Schreibtutor seit 2016, berichtet über seine Anfänge beim Schreibzentrum: "Ich habe das Schreiben gelernt" (Dresdner Universitätsjournal vom 15. Januar 2019, S.8.)