Jul 12, 2021
TUD-Sylber: Disseration zum Zusammenhang zwischen inklusiver Unterrichtsgestaltung und Professionellen Lerngemeinschaften
Mit welchen Handlungsstrategien versuchen Lehrerinnen und Lehrer in berufsbildenden Schulen inklusive Bildung umzusetzen, sowohl auf der Ebene der Unterrichtsgestaltung, als auch im Hinblick auf die Schulorganisation? Diesen Fragen ging Dr. Tobias Geisler im Rahmen seiner Promotion nach, während er bis April 2021 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im TUD-Sylber-Teilprojekt "Umgang mit Heterogenität" tätig war.
Da diese Handlungsstrategien sowohl auf der Ebene der konkreten Unterrichtsgestaltung als auch der Schulorganisation liegen, wurden in zwölf verschiedenen berufsbildenden Schulen zwei Ist-Stand-Analysen im Bundesgebiet angefertigt und diese zueinander in Beziehung gesetzt. Erstens konnten inklusionsbezogene Handlungsoptionen von berufsbildenden Lehrpersonen erfasst und diese durch ein Literaturreview untersetzt werden. Zweitens konnte der Ausbaustand Professioneller Lerngemeinschaften, einer spezifischen Form lernorientierter Kooperation von Lehrkräften, in den jeweiligen berufsbildenden Schulen gemessen werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass die inklusionsbezogenen Handlungsoptionen von Lehrenden in der Berufsbildung individuell sehr stark variieren. Insbesondere im Kompetenzbereich des „Erziehens“ finden sich kontroverse Aussagen wieder, da einige Lehrpersonen erzieherische Aufgaben in der beruflichen Bildung für sich negieren, andererseits wird die Gestaltung von sozialen Beziehungen und Prozessen in heterogenen Lerngruppen als Kernaufgabe beschrieben. Auch wird in den Analysen ersichtlich, dass die befragten Lehrpersonen insbesondere im Kompetenzbereich „Unterrichten“ eine Binnendifferenzierung durch Variation der Komplexität von Inhalten, des zeitlichen sowie aufgabentechnischen Umfangs betonen und den entsprechenden Handlungsspielraum auch für die Konzeption von Lernsituationen auch ausnutzen. Im Gegensatz kann in den Kompetenzbereichen „Diagnostik“ (Eingangsdiagnostik und lernprozessbegleitende Diagnostik) sowie „Individuelle Entwicklungsprozesse“ nur ein kleines Handlungsrepertoire und demzufolge ein großer Entwicklungsbedarf identifiziert werden.
Als wichtigen Faktor bei der Realisierung von inklusionsbezogenen Unterrichtsgestaltungen konnte der Ausbaustand Professioneller Lerngemeinschaften, im Sinne einer unterrichtsbezogenen Lehrendenkooperation, nachgewiesen werden. Fortwährende, kollektive positive Erfahrungsgewinne der Lehrenden sowie ihre zugehörigen Perspektivwechsel zu einem konstruktiven Umgang mit Heterogenität sind eben nicht nur wünschenswert, sondern würden zugleich als Transistor für eine bessere Planung und Gestaltung von individuellen Lernprozessen respektive für das Unterrichten, als Bedingung für erfolgreicheres Lernen von allen Schüler:innen, fungieren.
In der Debatte um die Implementierung inklusiver Lehr-Lern-Settings sollte damit der Entwicklung von Schulorganisation, nun auch aus empirischer Sicht, eine bedeutende Rolle zugeschrieben werden. Für die Ausbildung von Lehrer:innen hat das zur Folge, dass co-kooperative Planungs- und Gestaltungsüberlegungen zu Lehr-Lern-Prozessen sowie Arbeitsweisen angeregt werden sollen. Der reflexive Dialog sollte als Kernelement der Lehrer:innenbildung gesehen werden.
Eine ausführliche Ergebnisdarstellung findet sich in der Dissertation von Herrn Dr. Tobias Geisler wieder, die im August 2021 in der Reihe „Berufsbildung, Arbeit und Innovation“ bei wbv media erscheint.