Bellottos Dresdner Baustellen
Dresden, 20. 11. 2002. Die großformatigen Bilder von Bernardo Bellotto, die man in der Galerie Alte Meister in Dresden bewundern kann, faszinieren durch ihre fotorealistische Wiedergabe und Detailvielfalt. Am „Tag der Fakultät Bauingenieurwesen“ anlässlich der Verleihung der Diplomzeugnisse und Auszeichnungen hat jetzt der Prodekan der Fakultät, Prof. Dr.-Ing. Raimund Herz, in einem Festvortrag „Bellottos Dresdner Baustellen“ auf Canalettos Veduten unter die Lupe genommen. Zu diesem Vortrag ist inzwischen eine hübsche Broschüre erschienen.
Bellotto, nach jüngsten Forschungsergebnissen am 20. Mai 1722 geboren, wuchs bei seinem Onkel auf, dem berühmten venezianischen Maler Canaletto. Bei ihm lernte Klein Bernardo das Zeichnen – und signierte schon als Teen seine Bilder mit Bellotto detto Canaletto.
1747 kam er, von August III. geholt, als Hofmaler nach Dresden – und erwies sich als fleißiger Maler, der die Technik der Camera Obscura nutzte, um die hohe Detaildichte zu erreichen. Prof. Herz: „Ohne dieses technische Hilfsmittel hätten die Gemälde Bellottos nicht die Bedeutung erlangt, die sie wegen ihrer Realitätstreue rund 200 Jahre später für den Wiederaufbau Warschaus und Dresdens erlangt haben.“
Als besonderen Gag hatte Prof. Herz zu seinem Festvortrag den Nachbau einer barocken Camera Obscura vom Canaletto Forum Pirna e.V. besorgt. Dieser Sänften-Camera entstieg dann Bellottos Zeitgenosse Johann Adolph Hasse, alias Prof. em. Dietrich Franke, um höchstpersönlich am Cembalo, begleitet von Violine und Gambe, die Sonate in C-Dur zu spielen.
Bellotto war Künstler, nicht Dokumentarist: Also hat er mehr gemalt als das, was er durch die Camera obscura sah. Zum Beispiel den Turm der Hofkirche auf der zweiten Vedute von Bellotto, dem berühmten „Canaletto Blick“: Da malt er, wie Prof. Herz mit einem Augenzwinkern erläutert, „ ziemlich präzise etwas, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existiert, nämlich den oberen Teil des Turms.“ Der soll erst fünf Jahre später gebaut werden, zwischen 1752 und 1755. Bis dahin erschien der imaginäre Turm immer mal wieder – und immer ein wenig anders:
Man kann also, bei aller Realität, dem Maler nicht immer glauben, denn er ist auch Künstler und darf somit hinzu dichten, wie Prof. Herz unter Anspielung an ein Horaz-Zitat erläuterte.
Sehr wirklichkeitsnah scheint es allerdings bei den „Trümmern der Kreuzkirche“ zu zu gehen. Man sieht eine Trümmer-Baustelle, an der Prof. Herz fast jeden Zweig des vielfältigen Bauingenieurstudiums fest machen konnte: Der Turm war „beim preußischen Zielschießen im Juli 1760 zerstört“ worden und stürzte „nach ergiebigen Regenfällen im Juni 1765“ endgültig zusammen. Die Baustelle war abgesoffen, und Schuld hatte offensichtlich auch der vom starken Regen überforderte kanalisierte Kaitzbach (die Regenprobleme des Jahres 2002 sind so neu also nicht). Je mehr man ins Detail geht, je mehr sieht man – von den Trümmerfrauen über die Schaulustigen bis hin zum Baustellen-„Häuschen“.
Die Bilder Bernado Bellottos hängen in der „Galerie Alte Meister“ – dort lassen sich die Details nachsehen. Nach der Lektüre der bebilderten 32seitigen Broschüre „Bellottos Dresdner Baustellen“, die man für 5 Euro beim Lehrstuhl Stadtbauwesen der TU Dresden käuflich erwerben kann, weiß man auch, wo ein näheres Nachschauen sich lohnt.
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