„Schützt, pflegt und entwickelt die Bauökologie!“
Dresden, 11. 12. 2002. „Wenn ein Professor zu seinem 65. Geburtstag Rück- und Ausblick hält, erwartet die gespannt lauschende Zuhörerschaft Gewichtiges – ein Vermächtnis. Nun, ich habe ein Vermächtnis: Schützt, pflegt und entwickelt die junge Wissenschaft Bauökologie!“ Der dies sagte, ist Professor, wurde gerade 65 – und nutzte die Chance des ihm zu Ehren veranstalteten Festkolloquiums, für die von ihm maßgeblich konzipierte und in den vergangenen fünf Jahren geleitete Studienrichtung „Bauökologie und Umweltschutz“ zu werben.
Prof. Hermann Kokenge, Prorektor für Wissenschaft der Technischen Universität Dresden, hob bei seinen Grußworten besonders hervor, dass diese Studienrichtung in vorbildlicher Weise den Empfehlungen der Sächsischen Hochschulentwicklungskommission entspreche. So sei es nur folgerichtig, dass das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kultur die Ausschreibung einer C3 Professur für Bauökologie genehmigt habe.
In seiner Laudatio auf Hans-Günther Coers wies der Prodekan der Fakultät Bauingenieurwesen, Prof. Dr.-Ing Raimund Herz, nicht nur auf die Irrungen und Wirrungen des wissenschaftlichen Werdegangs unter sozialistischen Rahmenbedingungen hin, sondern auch auf den großen Einfluss der Dissertation des Jubilars: „Über die Methodik der wissenschaftlichen Erforschung des Straßenverkehrsflusses – ein Beitrag zur Theorie des Verkehrsablaufes“. Diese Arbeit habe große internationale Anerkennung gefunden - die Coers’sche Methodik war und ist weltweit Gegenstand von Vorlesungen zur Theorie des Verkehrsflusses. Prof. Herz: „Noch Mitte der 90er Jahre hat ein Kollege auf einem Kongress in Australien „Standing Ovations“ bekommen und diese mit gebührender Hochachtung an einen gewissen Herrn Coers von der TU Dresden weitergereicht, weil in dessen Dissertation von 1969 alles nachzulesen sei. Ich kenne wenige Kollegen, deren Dissertation noch 30 Jahre später aktuell ist und zitiert wird.“
Mit der vom Vater ererbten Hartnäckigkeit (Sohn Coers über Vater Coers: „ein westfälischer Dickschädel!“) ließ Coers sich auch nicht durch zwei entzogene Habilitationsthemen entmutigen – und entdeckte bereits in den 70er Jahren für sich die Ökologie: War es zu Beginn noch Umweltplanung im Verkehrsbereich, bezog er bald das gesamte Bauwesen mit ein. Bauökologie war sein Thema, dem er sich – nun mit Rückenwind – nach der Wende immer mehr widmete.
1994 hat Hans-Günther Coers seine Habilitationsschrift „Aktiv leben im Alter – Planungs- und Entscheidungsvoraussetzungen für eine ökologische Erneuerung der urbanen baulichen Umwelt“ an der Fakultät Bauingenieurwesen eingereicht und wurde 1996 Privatdozent für das Fachgebiet „Ökologie und Umweltplanung im Bauwesen“. Seit dem Jahr 1997 ist Coers Studienrichtungsleiter der von ihm gestalteten Studienrichtung „Bauökologie und Umweltschutz“.
Der Ausbau der Studienrichtung zu einem eigenständigen Studiengang „Bauökologie und Umweltschutz“ an der Fakultät Bauingenieurwesen sei sein Traum, sagt Prof. Coers. „Weil der Bauingenieur direkt für nahezu jeden Umwelteingriff in den Industrieländern verantwortlich zeichnet, ist fundiertes ökologisches Wissen zur Minimierung der Folgen seiner Eingriffe unverzichtbar geworden.“ Ökologisches Bauen befasse sich mit Entwurf und Konstruktion eines Bauwerkes; Bauökologie beginne dagegen beim ersten Gedanken an ein Gebäude bereits mit der Frage: Ist dieses Bauwerk überhaupt nötig oder kann die angestrebte Funktion auch durch Umnutzung eines vorhandenen Gebäudes umweltschonender erfüllt werden? „Wir als Bauingenieure haben die Verpflichtung, uns als Mitverursacher der Umweltproblematik zu stellen.“
Wie wichtig der von Prof. Coers vertretene Ansatz ist, zeigten die Referate des Kolloquiums: „Das Sommerhochwasser 2002“ – Anmerkungen aus ökologischer Sicht machte Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Kinze, Präsident des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie. Er stellte mit neuesten Ergebnissen Erfahrungen aus dem Verlauf der Jahrhundertflut in Sachsen dar. Für Kinze (und die Zuhörer des Kolloquiums) war klar: Sowohl Wissenslücken auf dem Gebiet der Auswirkungen des Bauens auf die Umwelt als auch die sträfliche Missachtung oder Unkenntnis des Wissensstandes der Bauökologie hatten schwerwiegende Folgen. (z. B. Klimaveränderungen, weiträumige Flächenversiegelung, Bauen in Überschwemmungsgebieten, Flussregulierung).
Dipl.-Ing. Florian Finkenstein, Absolvent der Studienrichtung Bauökologie und Umweltschutz, demonstrierte mit „Vitalisierung des Campus der TU Dresden“ die Ergebnisse seiner Diplomarbeit. Befähigt mit dem Wissen des ökologisch orientierten Bauingenieurs stellte er anwendungsorientiert Analyse, Diagnose und Therapie des Regenwasser- und Energiemanagements auf dem Campus der TU Dresden dar.
Prof. Dr.-Ing. habil. Günter Harder (Universität Hannover und TU Poznan), der seit Jahrzehnten im Grenzbereich zwischen Umweltplanung, Städtebau und Verkehrsplanung in Theorie und Praxis tätig ist, gab mit seinem Vortrag „Umweltverträglichkeit im Spannungsfeld zwischen Bauökologie und Bauökonomie – kein Widerspruch per se!“ einen Überblick über aktuelle Entwicklungen, bestehende Erfordernisse und künftige Vorhaben europäischer und deutscher Regelungen zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Bauvorhaben und würdigte den Beitrag des Jubilars auf diesem zu hoher Verantwortung verpflichtenden Arbeitsgebiet.
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