Ehrenpromotion Heinrich Rothert
Am 28. März 1994 wurde Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Heinrich Rothert die Ehrendoktorwürde durch den Senat und die Fakultät Bau-, Wasser- und Forstwesen der Technischen Universität Dresden verliehen. Seine herausragenden Verdienste wurden vor allem in der Laudatio von Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter Zumpe am Tag der Verleihung ausführlich herausgearbeitet und gewürdigt. Um einen Überblick über sein erfolgreiches Wirken und seine Verbundenheit zu unserer Fakultät zu erlangen, sei auf die Veröffentlichungen in der Jubiläumsschrift des Instituts für Mechanik und Flächentragwerke Heft 1 aus dem Jahr 2003 verwiesen. Die erste Ausgabe dieser Reihe war anlässlich seines 65. Geburtstages Herrn Professor Rothert gewidmet, das Vorwort soll hier zu seiner Charakterisierung und zur Einordnung seines Schaffens herangezogen werden.
Persönliches Vorwort für Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Heinrich Rothert zur Vollendung seines 65. Lebensjahres
von Wilfried B. Krätzig, Wolfgang Zerna, Ruhr-Universität Bochum
Am 05. Dezember 2003 vollendete Heinrich Rothert sein 65. Lebensjahr, für die beiden Unterzeichner dieser Widmung ein schier unfaßbarer Gedanke! Gehen ihre Gedanken damit doch weit in die Vergangenheit zurück, mehr als 40 Jahre, bis zum jungen Studenten des Bauingenieurwesens an der heutigen Universität Hannover. Der Erstunterzeichner lernte Heinrich Rothert 1962 dort beim Leichtathletiktraining auf der Hochschulsportanlage kennen und spürte sofort die besondere Ausstrahlung, die von ihm ausging: Schon damals USA-erfahren, sah er Deutschland und die Universität Hannover anders, kritischer, als der einige Jahre ältere. Letzterer, damals als Oberingenieur am Massivbauinstitut von Wolfgang Zerna tätig, gewann ihn kurz darauf als studentische Hilfskraft, nach seinem Diplomexamen dann als wissenschaftlichen Mitarbeiter auf einer Assistentenstelle. In einem langen Gespräch mit Heinrich Rothert, das sich auch um die Frage nach Lebensniederlagen und persönliche Motivationen drehte, wurde deutlich, daß dieser überhaupt nur ein Interesse an einer wissenschaftlichen Tätigkeit an dem von Wolfgang Zerna geleiteten Hochschulinstitut hatte, der im Kreise der damaligen Hannoveraner Professoren von allen Jüngeren so ganz anders empfunden wurde: vorurteilsfrei, weltoffen, orientiert auf Spitzenforschung.
Als der Zweitunterzeichner im Frühjahr 1967 die Universität Hannover verließ und an die neu gegründete Ruhr-Universität nach Bochum wechselte, folgte Heinrich Rothert ihm als einer der ersten, nun als Oberingenieur des dort einzurichtenden Massivbauinstituts. Er wurde in Bochum beim Institutsaufbau "auf der grünen Wiese" zum wichtigsten Gesprächspartner und Vertrauten Wolfgang Zernas. Die Idee, in Bochum eine Fakultät für die Grundlagen des Ingenieurwesens als "Fakultät für Maschinenbau und Konstruktiven Ingenieurbau" aufzubauen, vielleicht als Ausbildungsstätte für Ingenieureliten, faszinierte ihn. Gab es doch Vorbilder hierfür in Übersee. Als der Erstunterzeichner im Herbst 1970 aus den USA einem Ruf an die Ruhr-Universität folgte, wurde dieses Ziel tatkräftig zu dritt verfolgt. Allerdings stoppte die Landespolitik bald dieses Bemühen, welches aus heutiger industriepolitischer Sicht ein dominierendes Stimulanz für das Ruhrgebiet gewesen wäre. Statt dessen favorisierte die Landesregierung die Idee einer großen Massenuniversität für Bochum. Doch vieles, was Heinrich Rothert gemeinsam mit beiden Unterzeichnern an der RUB schuf, hatte lange Bestand, so beispielsweise die Diplomprüfungsordnung der inzwischen gegründeten Fakultät für Bauingenieurwesen, die über 20 Jahre lang Gültigkeit besaß.
Als Heinrich Rothert 1973 im Alter von 34 Jahren zum Ordinarius für Mechanik an der Bundeswehrhochschule in Hamburg berufen wurde, lockerte sich diese enge Verbindung, ermöglichte aber um so mehr, den weiteren Werdegang des Jubilars nun aus der Ferne zu begleiten: Bereits 1974 rückte er in die Verwaltungsspitze dieser Hochschule als Vizepräsident auf, hatte aber nach zwei Jahren die zeitökonomischen Probleme einer hochschulpolitischen Tätigkeit für einen ambitionierten Ingenieurwissenschaftler erkannt, um sich fortan wieder auf moderne, avantgardistische Technik zu konzentrieren: Drei weitere Rufe auf C4-Professuren charakterisieren am besten den sich entwickelnden, glänzenden ingenieurwissenschaftlichen Lehrer und Forscher. Die von ihm und seinen Mitarbeitern entworfenen, berechneten oder verifizierten Schalendächer aus Stahlbeton, seine Beiträge zur theoretischen Reifenforschung und vor allen die über 300 m hohen Fernsehtürme der Telekom in Deutschland weisen auf den begabten Ingenieur hin.
Heinrich Rothert hat mit vielen deutschen Bürgern unter der Teilung unseres Vaterlandes schwer gelitten. Oftmals haben beide Unterzeichner in Hannover und Bochum mit ihm Gedanken und Strategien zur wenigstens teilweisen Überwindung ausgetauscht, mit den politisch gewollten Hemmnissen gehadert und mit Erschrecken die wandelnde Meinung der Öffentlichkeit in Westdeutschland vermerkt. Mit zunehmendem Alter hat er sich als einer der wenigen mutig dafür eingesetzt, den Eisernen Vorhang zu durchlöchern. So war es ein großer Glücksfall, daß er ab 1988 als Vorsitzender des Fakultätentages für Bauingenieur- und Vermessungswesen wirkte, gerade rechtzeitig zum Mauerfall. Die Integration des Bauingenieurwesens der neuen Bundesländer in die Hochschulstrukturen Deutschlands und Europas wäre ohne das engagierte Wirken Heinrich Rotherts niemals so schnell und so problemlos verlaufen, wie sie sich heute im Rückblick darstellt! Und sicherlich stände die Fakultät für Bauingenieurwesen der TU Dresden, wohl die beste deutsche Bauingenieurfakultät in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nicht so glänzend dar, ohne ihn!
Eine Persönlichkeit wie Heinrich Rothert bliebe nur durch Hinweise auf sein fachliches, wissenschafts-administratives und hochschulpolitisches Wirken, die hier ja auch nur skizzenhaft sein können, nur höchst unvollständig dargestellt. Auch das ist typisch für den Jubilar: Immer wieder hat er seine Pflichten und Tätigkeiten als Forscher, Lehrer und praktizierender Ingenieur mit den strengen ethischen Maßstäben unserer Geistesgeschichte gemessen: Technik erschien ihm als Glücksfall der Moderne, die Millionen von Menschen in Europa aus einem Leben in Not in ein solches in Wohlstand und persönlicher Freiheit geführt hat. Aber sie war ihm auch immer als Alptraum vielfältiger Mißbrauchsmöglichkeiten gegenwärtig. Wer dächte dabei nicht als erstes an Krieg, Elend und Vertreibung aus der Heimat, beides Kindheitserlebnisse des Jubilars.
In vielen Gedanken, unter anderem im Festvortrag anläßlich seiner Ehrenpromotion, bezieht er sich in diesem Zusammenhang auf den Mangel an Ethik und Moral in unserer Gesellschaft, gegenüber den phantastischen Möglichkeiten der modernen Technik, indem er den Chemiker und Philosophen Hans Sachsse mit den Worten zitiert, daß nicht die Lösung der technischen, sondern der ethischen Probleme unsere Zukunft bestimmen wird. Und er schließt diesen Festvortrag mit einem Satz Albert Einsteins, der die Widersprüchlichkeit zwischen Technik und menschlichem Handeln in die Worte faßte:
"DAS PROBLEM UNSERER ZEIT IST NICHT DIE ATOMKRAFT, SONDERN DAS MENSCHLICHE HERZ".
Sicherlich ist es im Sinne unseres Jubilars, bei seiner Suche nach einer zeitgemäßen Ethik der Ingenieur- und Naturwissenschaften auch den Namen seiner verehrten Gattin Dr. med. Barbara Rothert-Hornof ausdrücklich hervorzuheben.
Wilfried B. Krätzig, Wolfgang Zerna, Ruhr-Universität Bochum