C3-B3: Standardisierte Prüfmethoden sowie Sicherheits- und Bemessungskonzepte
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Bericht aus dem Jahrbuch 2016
Die Verantwortung des Versagens
Ein Versagen tragender Baukonstruktionen ist mit ausreichender Zuverlässigkeit auszuschließen. Hierbei ist entscheidend, dass die Konstruktionen den Einwirkungen, die im Laufe ihrer Lebensdauer präsent sein können, unter angemessenem Einsatz von Materialien zu trotzen haben. Im Allgemeinen können die resultierenden Anforderungen in folgenden Begriffen zusammengefasst werden: Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit. Der Erfolg einer Bauweise hängt maßgeblich von der Erfüllung dieser Bedingungen ab.
Für die Carbonbetonbauweise, welche als relativ junge Art des Baues angesehen werden kann, sind sie nun teilweise grundlegend neu zu definieren. Daher soll dieser Beitrag mit der Betrachtung des Grenzzustands der Tragfähigkeit (GZT), der die Grenze zwischen Funktionstüchtigkeit und -verlust markiert, einen entscheidenden Aspekt beleuchten.
Bei der Berechnung der Zuverlässigkeit für den GZT müssen unvermeidliche Streuungen berücksichtigt werden. Um diesen teilweise schwierigen Sachverhalt abdecken zu können, werden generell Tragwerke mit entsprechend zu erwartenden Einwirkungen innerhalb sogenannter Monte-Carlo-Simulationen analysiert.
In diesen sind, wie der Name andeutet, Eigenschaften – d. h. beispielsweise die Festigkeit von Carbon – unter bestimmten Vorgaben als zufällig angenommen. Das Verhältnis zwischen den zusammengefassten Widerständen R und Einwirkungen S kann als Häufigkeitsverteilungen bspw. für einen Carbonbetonquerschnitt dargestellt werden. Im Anschluss werden die Realisierungen, bei denen die Einwirkungen größer als die Widerstände sind, gezählt, um ableiten zu können, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Tragfähigkeit nicht gewährleistet ist. In diesen Fällen kann also von dem misslichen Fall des Versagens ausgegangen werden. Demnach wird sie als Versagenswahrscheinlichkeit bezeichnet und kann als Komplement zur Zuverlässigkeit betrachtet werden.
Aus der Perspektive der Hersteller ist nun interessant, wie sich einzelne Streumaße der Materialien auf das Tragverhalten im Bauteil auswirken. Dafür wurden sogenannte Sensitivitätsstudien durchgeführt, in denen variable Streuungen berücksichtigt wurden. Eine Möglichkeit, die Einflüsse der widerstandsseitigen Eigenschaften (als streuend angenommen) auf die Versagenswahrscheinlichkeit darzustellen, ist mittels einer äquivalenten Schriftgröße in den entsprechenden Abbildungen der geometrischen und materiellen Verhältnisse gegeben. Darin kann großen Symbolen sozusagen die Verantwortung zugeschoben werden. Folglich sind bspw. Qualitätssicherungsmaßnahmen einzuführen, um die zu fordernden Streuungen einhalten zu können.
Carbonbeton schwingt
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die breite Anwendung eines Werkstoffes in der Baupraxis sind belastbare Materialkennwerte, mit denen das Tragverhalten von Bauteilen ermittelt werden kann – so auch für Carbonbeton. Um einen wesentlichen Baustein hierfür zu schaffen, wurden im Basisvorhaben C3-B3 des Projekts C3 – Carbon Concrete Composite zunächst Standardversuche zur reproduzierbaren Charakterisierung des Verbund- und Zugtragverhaltens des Verbundwerkstoffs festgelegt.
Da für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs für Carbonbeton auch das Ermüdungsverhalten nachzuweisen ist, sollten anschließend Versuchs-
einrichtungen für die Prüfung des Zugtrag- und Verbundverhaltens von Carbonbeton unter nicht vorwiegend ruhender, zyklischer Beanspruchung entwickelt und getestet werden. Für diesen Zweck wurden die vorhandenen Prüfmethoden in Zusammenarbeit mit der MFPA Leipzig GmbH und der RWTH Aachen kontinuierlich weiterentwickelt und optimiert. In den Tests zeigte u. a. der verwendete, bereits standardisierte Zugversuch eine sehr gute Eignung für zyklische Untersuchungen am Verbundwerkstoff Carbonbeton und zur Bestimmung erster Materialkennwerte. In den Versuchen wurden beispielsweise Einflüsse von Belastungsfrequenz und Lastniveau auf das Materialverhalten untersucht. Dabei erwies sich eine Begrenzung der Prüffrequenz auf maximal 10 Hz als sinnvoll. Höhere Prüffrequenzen – untersucht wurden bis zu 30 Hz – führten dagegen zu einem Aufschwingen der Probe. Zudem wurde durch eine Variation von Lastniveau und Amplitude versucht, die Spannungsabhängigkeit der Schwingfestigkeit von Carbonbeton zu ermitteln. Die bisherigen Ergebnisse legen eine Mittelspannungsabhängigkeit nahe. Dies ist jedoch noch durch weitere Untersuchungen zu belegen.
Um zu klären, inwieweit es durch die dynamische Belastung zu einer Zunahme der Probentemperatur kommt, wurde die Temperaturentwicklung exemplarisch während eines Ermüdungsversuchs untersucht. Mit einer Infrarotkamera konnte dabei eine deutliche Erwärmung des Probekörpers um bis zu 10 K gegenüber der Umgebungstemperatur beobachtet werden. An den Rissen lag die Temperatur dabei um bis zu 3 K höher als auf der übrigen Probenfläche, was auf die Reibung zwischen Beton und Bewehrung insbesondere an den Rissen als Ursache für die Erwärmung schließen lässt. Versuche zum Ermüdungsverhalten des Verbundes zwischen Carbon und Beton sind zurzeit noch Gegenstand der Forschung, die im Rahmen weiterer Teilprojekte des C³-Vorhabens fortgeführt wird.
Bericht aus dem Jahrbuch 2015
Gut geprüft ist halb nachgewiesen
In den vergangenen Jahren ist durch das zunehmende Interesse am Einsatz von Carbonbeton in der Baupraxis ein großer Bedarf an Zulassungen, Normen und Richtlinien entstanden. Für Normen und Zulassungen – und damit für eine erfolgreiche Anwendung und Verbreitung von Carbonbeton – braucht man neben Berechnungsmodellen und Sicherheitskonzepten vor allem die Materialkennwerte des Verbundwerkstoffs. Doch was sind eigentlich die essentiellen Kennwerte und wie bestimmt man diese? Da sich zurzeit unterschiedlichste Forschungsstandorte inner- und außerhalb Deutschlands mit Carbonbeton beschäftigen, finden sich auf diese Frage die verschiedensten Antworten. Verbindliche Empfehlungen gibt es noch nicht. Einigkeit besteht zumeist darin, dass die wesentlichen Charakteristika das Zugtragverhalten und das Verbundverhalten sind. Hinsichtlich der anzuwendenden Prüfmethoden hingegen gibt es unterschiedliche Ansätze. Diese Diversität der verfügbaren Prüfmethoden erschwert die Ermittlung vergleichbarer und reproduzierbarer Kennwerte und damit die Beurteilung der ermittelten Kennwerte für die Nachweise, die zur Erlangung von Zulassungen gegenüber den zuständigen Behörden erbracht werden müssen. Um also verlässliche Werte zur Verfügung stellen zu können und so die erforderlichen Prozesse zu vereinfachen, bedarf es einheitlicher – standardisierter – Prüfmethoden. Die Festlegung standardisierter Prüfmethoden ist damit ein wichtiger Schritt in Richtung Vereinfachung, Optimierung und Qualitätssicherung für das Bauen mit Carbonbeton.
Was also muss so ein Standardversuch – egal ob für Verbundverhalten, Zugtragverhalten oder andere Materialeigenschaften – eigentlich können? Und wie müssen die entsprechenden standardisierten Prüfverfahren dann aussehen? Die ersten wichtigen Schritte zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen werden zurzeit im Basisvorhaben B3 des Projekts C3 – Carbon Concrete Composite unternommen. Hier werden in Ringversuchen bei den Partnern TU Dresden, RWTH Aachen und MFPA Leipzig GmbH Prüfverfahren für das Zugtrag- und Verbundverhalten verglichen und daraufhin standardisierte Prüfmethoden für die zukünftige Verwendung zur Materialcharakterisierung von Carbonbeton festgelegt. Mit der Erarbeitung von Nachweis- und Prüfkonzepten für Normen und Zulassungen werden die Arbeiten dann im C3-Vorhaben V1.2 fortgeführt.
Teil Sicherheitskonzept
Vor wenigen Jahren wurde die Thematik Textilbeton ausschließlich dem Stand der Wissenschaft zugeschrieben. Um Bestandteil des Stands der Technik im Bauwesen zu werden, bedarf es einer wirtschaftlichen Festsetzung von Sicherheitsmargen, die eine ausreichende Tragsicherheit der Bauwerke garantieren. Dazu werden im allgemein verwendeten semiprobabilistischen Sicherheitskonzept die Einwirkungs- und Widerstandsseite entkoppelt und mit jeweiligen Beiwerten versehen, die unvermeidbare Streuungen berücksichtigen sollen. Zur Bestimmung dieser Beiwerte für neue Baustoffe wie Carbonbeton und seine Komponenten, für die noch kein ausgeprägter Erfahrungsschatz besteht, müssen Methoden gefunden bzw. vorhandene zielführend angewendet werden, um die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Sicherheit zu gewähren. In diesem Zusammenhang wird das Thema als Teilprojekt innerhalb des Basisvorhabens B3 im Verbundprojekt C3 bearbeitet.
Unter der Annahme, dass sich das operative Sicherheitsniveau für neue Bauweisen in ähnlichen Dimensionen wie das bereits etablierter befindet, ist es an wirklichkeitsnahen Ingenieurmodellen zu validieren. In diesen Modellen müssen mögliche, streuende Einflussparameter als Zufallsvariablen mit einer realitätsnahen Verteilung berücksichtigt werden. Für ein derart erstelltes probabilistisches Modell nach Zuverlässigkeitstheorie 1. Ordnung wird anhand der Auswertung diskreter Realisierungen eine sogenannte Antwortfläche generiert, die eine genaue Abschätzung aller aufnehmbaren maximalen Lasten unter Einbeziehung variabler Eingangsgrößen repräsentiert. Sie repräsentieren somit die möglichen Widerstände im Ingenieurmodell.
Vergleichend dazu können auch die Traglasten ebenso mittels des semiprobabilistischen Sicherheitskonzepts bestimmt werden. Hierfür werden nach Eurocode 2 nominelle Werte – etwa Mittel- oder 5-%-Quantilwerte – für streuende Materialkennwerte gewählt. Nichtsdestominder fehlt für dieses Modell bei Verwendung von Textilbeton ein entscheidender Beiwert: der Teilsicherheitsbeiwert γt* für das Zugtragverhalten des neuartigen Werkstoffs. Dieser muss sinnvoll vorgegeben oder im Umkehrschluss unter Annahme eines ausreichenden Sicherheitsniveaus berechnet werden. Dazu bedarf es lediglich der Verhältnisbildung der Traglasten aus dem probabilistischen und dem semiprobabilistischen Modell, wobei ein Mindestwert von 1,0 unter jeglicher Kombination diskreter Eingangsgrößen eingehalten werden muss.