Modellierung des Betonverhaltens bei hohen Belastungsgeschwindigkeiten
Inhaltsverzeichnis
Projektdaten
Titel | Title TP Modellierung im Verbundvorhaben: Verhalten von Beton bei hohen Belastungsgeschwindigkeiten | SP Modeling in the joint project Material behaviour of concrete under high loading velocity Förderer | Funding Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Zeitraum | Period 07/2009 – 12/2012 Leiter | Project manager Prof. Dr.-Ing. habil. Ulrich Häußler-Combe Bearbeiter | Contributor Tino Kühn M.Sc. |
Bericht aus dem Jahrbuch 2012
Simulation von Beton unter hohen Dehnraten
Beton verhält sich unter dynamischer Belastung anders als unter ruhender, statischer Belastung. Dies wurde bereits in zahlreichen Experimenten beobachtet. Doch welche physikalischen Ursachen bewirken dieses Phänomen? Inwiefern ändert sich das Betontragverhalten, wenn die Belastungsgeschwindigkeit weiter gesteigert wird? Was passiert dabei im Inneren eines Bauteils? Können Effekte, die an einer kleineren Laborprobe beobachtet wurden, auch auf größere Bauteile übertragen werden?
Um solche und ähnliche Fragen numerisch zu untersuchen, wird in diesem Forschungsprojekt an einer stoffgesetzlichen Formulierung des Betonverhaltens auf der Makroebene gearbeitet. Die numerische Simulation soll abbilden, was im Inneren eines Betonbauteils passiert und wie sich die Spannungen infolge einer dynamischen Belastung örtlich und zeitlich ändern.
Die Abbildung auf dieser Seite zeigt die Simulation einer Betonprobe, die im einaxialen Split-Hopkinson-Bar unter hohen Verzerrungsraten belastet wird. Dabei ist gut zu erkennen, wie sich die Stoßwelle vom Eingangsstab durch die Betonprobe bis zum Ausgangsstab überträgt. Die Abbildung zeigt auch, dass die Spannungen nahe der Mittelachse der Probe höher sind (rote Bereiche) als am äußeren Rand (grüne Bereiche).
Steigende Belastungsgeschwindigkeiten rufen im Beton steigende Dehnraten hervor. Dabei werden geringere und höhere Dehnraten unterschieden. Für beide Bereiche werden unterschiedliche physikalische Ursachen angenommen. Für kleinere Dehnraten bis ca. 1 1/s führen viskose Effekte in der Betonmatrix bzw. Feuchtigkeitsumlagerungen in den Poren zu einer erhöhten Tragfähigkeit. Bei höheren Dehnraten von ca. 100 1/s treten Trägheitseffekte in den Vordergrund, d. h. die Rissufer öffnen sich verzögert und bewirken somit eine scheinbar höhere Tragfähigkeit. Noch höhere Dehnraten, bei denen dann Zustandsänderungen im Werkstoff eine Rolle spielen, werden in diesem Forschungsprojekt nicht betrachtet.
Die numerische Simulation berücksichtigt neben statischen Annahmen beide oben genannten physikalischen Einflüsse mit dem neu entwickelten VERD-Modell (Visco-Elastic Retarded Damage). Ein Vergleich der berechneten Schädigung (rechtes Bild) zeigt, dass bei einer dynamischen Berechnung mit dem VERD-Modell eine erhöhte Betontragfähigkeit numerisch abgebildet werden kann, wohingegen in einer klassischen, statischen Berechnung die Festigkeitserhöhung des Betons unter dynamischer Belastung unberücksichtigt bleibt und damit eine größere Schädigung im Betonbalken ersichtlich wird.
Bericht aus dem Jahrbuch 2011
Viskos-verzögertes Schädigungsmodell für hohe Dehnraten
Beton verhält sich nicht immer so statisch und linear elastisch exakt, wie man es aus der alltäglichen Arbeit damit vermuten mag. Bei höheren Belastungsgeschwindigkeiten, wie sie beispielsweise im zivilen Bereich bei PKW- oder Flugzeugaufprall oder aber auch im militärischen Bereich, z. B. beim Beschuss von massiven Schutzbauwerken (Penetration) auftreten, verhält sich Beton gutmütig und reagiert scheinbar mit einer deutlich höheren Festigkeit, die unter Zugbeanspruchung etwa das siebenfache und im Druckbereich etwa das dreifache der statischen Werte erreichen kann. Diesen Effekt kann man sich bei der Dimensionierung solcher Bauwerke zu Nutze machen. Weitaus wichtiger ist jedoch die korrekte Abbildung dieses Materialverhaltens bei der computergestützten Modellierung nicht alltäglicher Belastungsfälle, wofür im vorgestellten Projekt ein Stoffgesetz entwickelt worden ist.
Das Stoffgesetz basiert auf zwei physikalisch motivierten Annahmen zum dehnratenabhängigen Schädigungsverhalten von Beton. Ausgehend von einem statischen Schädigungsmodell wurde dieses für niedrige Dehnratenbereiche mit einem viskosen Ansatz abgebildet und für höhere Dehnraten mit einem verzögerten Schädigungsmodell modifiziert. Letzteres bildet die strukturelle Trägheit an den Rissufern von Mikrorissen virtuell ab, welche erst bei höheren Rissöffnungsgeschwindigkeiten zum Tragen kommen. Im Gegensatz dazu berücksichtigt das viskose Modell beispielsweise Trägheitseffekte, die durch die Porosität des Mörtels und die dadurch behinderte Strömung der eingeschlossenen Medien zustande kommt.
Das komplexe hochdynamische Verhalten einer durch einen Impuls beanspruchten Struktur lässt das Bild unten an einem simplen Standardversuch erahnen. Im Gegensatz zum statischen Verhalten wird das dynamische im Wesentlichen durch Ausbreitung, Reflektionen und Interferenzen von Zug- und Druckwellen im Bauteil bestimmt. Entsprechend des Belastungsimpulses treten beispielsweise bei niedrigen Dehnraten Druckschädigungen an der Einwirkstelle und den Lagern auf oder aber später Zugschädigungen, welche zum Rissstart an der Unterseite führen. Bei höheren Dehnraten aber führt der Impuls zu lokalen Abplatzungen an der Oberseite des Trägers, was im zweiten Bild dargestellt ist. Das entwickelte Modell ist in der Lage, alle diese Phänomene entsprechend gut abzubilden.