Teilprojekt D4
Verstärkung von normalkraft- und torsionsbeanspruchten Bauteilen mit textilbewehrtem Beton inkl. Großversuche
Leitung
Prof. Dr.-Ing.
Manfred Curbach
Institut für Massivbau
Mitarbeiter
Dr.-Ing.
Regine Ortlepp
Dipl.-Ing.
Frank Schladitz
Ziele
Hauptziel dieses Projektes ist, das Zusammenwirken zwischen Altbeton, Stahlbewehrung und Textilbeton im Hinblick auf eine Normalkraft- und Torsionsverstärkung darzulegen.
Hierzu sind zunächst Normalkraftversuche an kurzen Stützen (auch Stützenköpfe genannt) und an ca. 2 m hohen Stützen durchzuführen. Bei beiden Probekörperarten sollen sowohl kreisförmige als auch quadratische und rechteckige Querschnitte untersucht werden. Die kurzen Stützen sind so konzipiert, dass sie dem Lasteinleitungsbereich einer längeren Stütze entsprechen.
Die Torsionsversuche sind an ca. 2 m langen Balken mit Kreis- und Rechteckquerschnitt durchzuführen.
Im Anschluss an die Versuche sollen Ingenieurmodelle zur Beschreibung des Tragverhaltens entwickelt werden.
Abschließend sind an Hand von Großversuchen an Stützen die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus den Versuchen an kleinformatigen Bauteilen auf großformatige Bauteile sowie die Vorhersagefähigkeit der im SFB 528 entwickelten Berechnungsmodelle zu bestätigen.
Ergebnisse
Die bis zum Anfang 2011 durchgeführten Studien umfassen quadratische, runde und rechteckige Stahlbetonquerschnitte. Die im Labor hergestellten Probekörper werden nach dem Aufrauen der Oberfläche vorgenässt und anschließend im Handlaminierverfahren mit Textilbeton verstärkt. Neben den verschiedenen Bewehrungsmaterialien (alkaliresistentes Glas (AR-Glas) und Carbon) und unterschiedlichen Bewehrungsgraden (1-6 Lagen textile Bewehrung) werden auch die Einflüsse unterschiedlicher Eckausrundungen am Altbetonprobekörper betrachtet.
Für die Belastungsversuche werden Druckprüfmaschinen (Bild 1) sowie ein eigens entwickelter Torsionsprüfstand (Bild 2) genutzt. Die Messung der belastungsabhängigen Verformung während der Versuche erfolgt mit Dehnmessstreifen, induktiven Wegaufnehmern und photogrammetrischen Messverfahren.
Normalkraftverstärkung
Bei den stützenförmigen Probekörpern wurden entsprechend lange Streifen textilen Geleges um den Altbetonquerschnitt gewickelt. Nach jeder Umrundung wurde eine dünne Feinbetonschicht aufgebracht.
Bei allen Versuchen wurden zum Teil erhebliche Traglaststeigerungen gegenüber den unverstärkten Referenzproben erzielt. Diese Traglaststeigerung setzt sich aus zwei Anteilen zusammen. Der erste Anteil beruht auf der Vergrößerung des Stützenquerschnitts infolge der zusätzlich aufgebrachten Feinbetonschicht. Der zweite Anteil beruht auf einer Umschnürungswirkung durch die Umwicklung mit textiler Bewehrung. Diese Umschnürung erzeugt einen dreiaxialen Spannungszustand im Betonkern der Stütze und führt somit zu einer deutlichen Steigerung der Tragfähigkeit. Ergebnisse der Untersuchungen an runden Stützen belegen diese Umschnürungswirkung deutlich. Bei den eckigen Stützen konnte nachgewiesen werden, dass die Umschnürungswirkung mit zunehmendem Radius der Eckausrundungen antieg. Des Weiteren wird die Umschnürungswirkung mit zunehmendem Bewehrungsgrad größer.
Torsionsverstärkung
Bei den auf Torsion belasteten Probekörpern wird die textile Bewehung in einem Winkel von 45° angeordnet. Somit waren die Bewehrungsfasern entsprechend der Hauptspannungsrichtung bei reiner Torsion orientiert.
Durch diese Möglichkeit, die textile Bewehrung parallel zur Zugkraft auszurichten, wird neben der Erhöhung der Tragfähigkeit bis um das Dreifache der unverstärkten Referenz eine deutliche Erhöhung der Steifigkeit und damit auch der Gebrauchstauglichkeit erreicht. Mit zunehmendem Bewehrungsgrad vergrößern sich erwartungsgemäß die Tragfähigkeit und die Steifigkeit. Die Vergrößerung des Probekörperquerschnitts trägt weiterhin dazu bei, dass auch die Tragfähigkeit der Druckstrebe erhöht wird. Außerdem wurde durch die Textilbetonverstärkung eine deutliche Verringerung der Rissbreiten und Rissabstände realisiert, was sich ebenfalls sehr positiv auf die Gebrauchstauglichkeit auswirkt.
Großversuche an Biegeplatten
Die untersuchten 7,0 m langen, 1,0 m breiten und 0,23 m dicken Stahlbetonplatten entsprachen realen Abmessungen im Bauwerk. Die untere Biegzugbewehrung bestand aus 5 Ø 12 im Abstand von 20 cm. Als Querbewehrung wurden ebenfalls Ø 12 verwendet. Die Betondeckung betrug 25 mm. Vor dem Verstärken wurden die Stahlbetonplatten zur Sicherstellung einer rauen Verbundfuge sandgestrahlt. Nach dem Vornässen erfolgte dann der lagenweise Auftrag des Textilbetons. Als textile Bewehrung kamen Carbongelege SGL Grid 600 zum Einsatz, die einen deutlich größeren Garnquerschnitt als die bisher verwendeten Gelege haben.
Neben einer unverstärkten Referenzplatte wurden vier mit ein bis vier Lagen textiler Bewehrung verstärkte Platten im 4-Punkt-Biegeversuch (Bild 3) geprüft. Die Spannweite betrug 6,75 m, der Abstand der Lasteinleitungspunkte 1,5 m. Erwartungsgemäß konnten für die textilbetonverstärkten Stahlbetonplatten deutlich höhere Tragfähigkeiten als für die unverstärkte Referenzplatte nachgewiesen werden. Die Tragfähigkeit stieg mit wachsender Lagenanzahl gleichmäßig bis auf das 3,5-Fache der unverstärkten Referenzplatte bei Verstärkung mit 4 Lagen textiler Carbonbewehrung an. Gleichzeitig verringerten sich bei gleichem Lastniveau mit zunehmender Lagenanzahl die Durchbiegungen. Der Vergleich der experimentell und rechnerisch ermittelten Tragfähigkeiten ergab Abweichungen von weniger als 10 %. Dadurch konnte die Anwendbarkeit der im Vorfeld entwickelten Biegebemessungsmodelle auch für Bauteile mit großen Spannweiten und großen Verstärkungsgraden nachgewiesen werden.
Großversuche an Stützen
Anhand der kleinteiligeren Versuche wurde ein Bemessungsmodell entwickelt, mit dessen Hilfe die Tragfähigkeit verstärkter, Normalkraft beanspruchter Stützen prognostiziert werden kann. Die Vorhersagegenauigkeit für Stützen mit praxisnahen Abmessungen wurde anhand von drei Stahlbetonstützen mit rundem Querschnitt experimentell untersucht (Bild 4). Die Stützen waren 2 m hoch und hatten einem Durchmesser von 30 cm. Eine Stütze blieb unverstärkt und diente als Referenz. Zwei weitere Stützen wurden über die gesamte Höhe mit 5lagig bewehrtem TRC verstärkt, wobei eine der beiden Stützen am Stützenkopf und am Stützenfuß noch zusätzlich verstärkt wurde. Als Bewehrung kam ein Carbongelege zum Einsatz.
Die Tragfähigkeit der mit Textilbeton verstärkten Stützen nahm im Vergleich zur Referenzstütze um fast 100 % zu, was der Prognose entsprach. Somit konnte mit diesen Versuchen außerdem bewiesen werden, dass das entwickelte Umschnürungsmodell die Realität sehr gut abbilden kann. Vom Normalkraftanteil des Feinbetons ist im Wesentlichen die erzielbare Traglaststeigerung bis zum Versagen des Stützenkerns abhängig. Nach diesem Kernversagen kommt es vermutlich infolge der zunehmenden Querdehnungen zur Ausbildung eines Reibverbundes zwischen Feinbetonschicht und Kernbeton. Somit wird der umschnürte Teil der Feinbetonhülle erneut aktiviert und es können weitere Längskräfte über die textile Verstärkungsschicht abgetragen werden. Dieser Mechanismus trägt zusätzlich zur Umschnürung des Kernbetons zur Traglaststeigerung bei.
Neben einer Steigerung der Tragfähigkeit ergab sich durch die textilbewehrte Verstärkung aber auch eine deutliche Verbesserung des Vorankündigungsverhaltes. Im Laufe der Laststeigerung bildeten sich zunächst feine und später deutlich sichtbare, gleichmäßige Risse. Im weiteren Verlauf der Lasterhöhung wurde die Annäherung an die Bruchlast durch Abplatzungen der Betondeckung unmittelbar sichtbar. Insgesamt wurde eine große Duktilität der verstärkten Stützen erreicht.
Veröffentlichungen
2011
- Curbach, M.; Ortlepp, R.: Leichtes Bauen mit ultrahochfesten und Textilbetonen. In: Bauforschung und Baupraxis, Heft 10: “Wie wollen wir in Zukunft bauen?” – Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger, Dresden, 19.04.2011. S.17-22 - ISBN 978-3-86780-216-1
2010
2009
- Schladitz, F.; Curbach M.: Torsionsversuche an textilbetonverstärkten Stahlbetonbauteilen. Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009) 12, S. 835-843 – doi:10.1002/best.200900043
- Curbach, M.; Ortlepp, R.: Verstärkung von Stützen mit textilbewehrtem Beton. BFT INTERNATIONAL Betonwerk + Fertigteiltechnik 75 (2009) 2, S. 176–177
- Ortlepp, R.; Schladitz, F.; Curbach, M.: TRC-Strengthening for Normal and Torsion Loads. In: Kuczma, M. (Hrsg.); Wilmanski, K. (Hrsg.); Szajna, W. (Hrsg.): Proceedings of the 18th International Conference on Computer Methods in Mechanics – CMM2009, Zielona Góra, 18.–21.5.2009. Zielona Góra : The University of Zielona Góra Press, 2009, S. 345–346 – ISBN 978-83-7481-245-0
- Curbach, M.; Jesse, F.: Eigenschaften und Anwendung von Textilbeton. In: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009) 1, S. 9-16 – doi:10.1002/best.200800653
- Schladitz, F.; Curbach, M.: Textilbewehrter Beton als Torsionsverstärkung. In: Curbach, M. (Hrsg.), Jesse, F. (Hrsg.): Textile Reinforced Structures : Proceedings of the 4th Colloquium on Textile Reinforced Structures (CTRS4) und zur 1. Anwendertagung, Dresden, 3.-5.6.2009. SFB 528, Technische Universität Dresden, D–01062 Dresden : Eigenverlag, 2009, S. 421-432 – ISBN 978-3-86780-122-5 URN: urn:nbn:de:bsz:14-ds-1244048995744-78708
- Ortlepp, R.; Curbach, M.: Verstärken von Stahlbetonstützen mit textilbewehrtem Beton. In: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009) 10, S. 681-689 – doi:/10.1002/best.200900034
- Ortlepp, R.; Lorenz, A.; Curbach, M.: Column Strengthening with TRC: Influences of the Column Geometry onto the Confinement Effect. Advances in Materials Science and Engineering 2009 (2009) Article ID 493097, 5 pp. – doi:10.1155/2009/493097
2008
- Schladitz, F.; Curbach, M.: Textile Reinforced Concrete (TRC) as Torsion Strengthening. In: 17th Congress of the International Association for Bridge and Structural Engineering Congress (IABSE), Chicago, 17.-19.09.2008. – CD-Rom – Book of Abstracts, pp. 452-453 and CD-ROM – ISBN 978-3-85748-118-5
2007
- Ortlepp, S.; Ortelpp, R.; Curbach, M.: Experimental Investigations on Columns Strengthened by Using Textile Reinforced Concrete. In: Proceedings of the Third International Conference on Structural Engineering, Mechanics and Computation (SEMC 2007), Cape Town, 10.–12.09.2007. – submitted for publication
2006
- Curbach, M.; Ortlepp, R.; Triantafillou, T. C.: TRC for rehabilitation. In: Brameshuber, W. (Hrsg.): Textile Reinforced Concrete : State-of-the-Art Report of RILEM Technical Committee 201 – TRC: Textile Reinforced Concrete. Bagneux : RILEM, Report 36, 2006, S. 221–236 – ISBN 2-912143-99-3
- Al-Jamous, A.; Ortlepp, R.; Ortlepp, S.; Curbach, M.: Experimental investigations about construction members strengthened with textile reinforcement. In: Brameshuber, W.; Hegger, J.; Will, N. (Hrsg.): 1st International Conference Textile Reinforced Concrete (ICTRC), Aachen. Institute of Structural Concrete, RWTH Aachen University, 2006. S. 161-170
2005
- Curbach, M.; Jesse, F.: Verstärken von Stahlbetonbauteilen mit textilbewehrtem Beton - Kurzer Bericht zu aktuellen Entwicklungen. In: Beton- und Stahlbetonbau 100 (2005) S1, 78-81 – doi:10.1002/best.200590174
2004
- Curbach, M.; Hegger, J.: Editorial: Textilbewehrter Beton. Eine vielversprechende Neuentwicklung. In: Beton- und Stahlbetonbau 99 (2004) 6, 437 – doi:10.1002/best.200490132