Teilprojekt D6
Versagensmechanismen von textilbewehrtem Beton unter Hochtemperaturbeanspruchung
Leitung
Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach (federführend)
Institut für
Massivbau
Prof. Dr.-Ing. Chokri Cherif
Institut für Textilmaschinen und
Textile Hochleistungswerkstofftechnik
Mitarbeiter
Dr.-Ing. André Seidel
Dipl.-Ing. Ayham Younes
Dipl.-Ing. (FH) Daniel Ehlig
Dr.-Ing. Frank Jesse
Ziele
Im Bauwesen gewinnen Textilfasern zur Betonbewehrung immer mehr an Bedeutung und werden zur Verbesserung des Verbundverhaltens mit Beschichtungen ausgerüstet. Für dieses spezielle Einsatzgebiet müssen allerdings alle im Verbund beteiligten Komponenten hohe sicherheitstechnische Anforderungen erfüllen. Bisher gibt es keine Möglichkeit, belastbare Aussagen über die Kräfteverteilung zwischen Betonstahlbewehrung und textiler Bewehrung während der Brandbelastung zu treffen. Ein tieferes Verständnis ist aber Voraussetzung für belastbare Aussagen zur Tragfähigkeit während der Brandbelastung. Angaben zu den Hoch- temperatureigenschaften von Beton und Betonstahl können der einschlägigen Literatur entnommen werden. Das gilt auch für den Beton-Stahl-Verbund bis zu einem gewissen Grad. Für das Hochtemperaturverhalten der verwendeten AR-Glas- und Carbonfasern und den Verbund zwischen textiler Bewehrung und Beton gibt es keine verwertbare Datenbasis. Diese soll mit experimentellen Methoden gewonnen werden. Die Kräfteverteilung zwischen Druckzone, Betonstahl und textiler Bewehrung soll unter Berücksichtigung des verschieblichen Verbundes auf der Meso-Makroebene modelliert werden. Dabei wird die textile Bewehrung als homogenes Element betrachtet. Die notwendigen Beschreibungen der temperaturabhängigen mechanischen Eigenschaften von textiler Bewehrung und Verbund Textil-Beton sollen experimentell ermittelt werden. Eine Modellierung des Wärme- und Feuchtestroms ist nicht Bestandteil des geplanten Modells. Die für die Beschreibung der Eingangsgrößen notwendigen Temperaturverläufe werden gemessenen Temperaturprofilen vorliegender Versuchsdaten entnommen. Dieses vereinfachte Konzept liefert so einen wichtigen Beitrag für den praktischen Einsatz von Verstärkungen aus Textilbeton. Die Umsetzung der oben genannten Ziele erfordert die experimentelle Ermittlung von baumechanischen Kennwerten unter Hochtemperaturbeanspruchung für die eingesetzten Garnmaterialien sowie für den gesamten Textil-Beton-Verbund. Hierfür wurden im Rahmen des Teilprojektes D6 geeignete Versuchsaufbauten entwickelt und für die Schaffung einer experimentellen Datenbasis eingesetzt. Im Bild 1 ist der Versuchsaufbau für die Ermittlung des temperaturabhängigen Kraft-Dehnungs-Verhaltens dargestellt. Das zu testende Garn befindet sich in einer 200 mm langen Hitzekammer, die durch einen Infrarot-Strahler erwärmt wird. Die Einspannung des Prüfkörpers und die Anordnung der Messpunkte liegen technologisch bedingt außerhalb des beheizten Bereiches. Dadurch ergibt sich eine gesamte Prüflänge des Fadens von ca. 380 mm. Nach Einbringen des Fadens wird die Hitzekammer auf die jeweilige Prüftemperatur erwärmt. Erst dann beginnt die eigentliche Versuchsdurchführung. Somit ist gewährleistet, dass der Anteil der Temperaturdehnung nicht mit in die anschließende Messung einfließt.
Für die Versuche zum thermischen Verhalten textiler Fasermaterialien werden Carbon- und AR-Glasfilamentgarne mit verschiedenen Feinheiten verwendet. Es werden sowohl unbeschichtete als auch beschichtete Garne getestet. Als Beschichtung kommt eine wässrige Dispersion, basierend auf selbstvernetzenden, carboxylierten Styrol-Butadien-Copolymeren, welche im Rahmen des Teilprojektes A5 entwickelt wurde, zum Einsatz. Ausgehend vom Verhalten unter einer Normtemperatur von 20 °C werden anschließend verschiedene Versuchsreihen bei Temperaturen von 100 °C bis 500 °C durchgeführt. Alle Versuche erfolgen unter Raumluftbedingungen, d. h. unter Anwesenheit von Sauerstoff. Für die zu verstärkenden Stahlbetonplatten wird ein Normalbeton der Festig-keitsklasse C 20/25 verwendet, dessen mechanische Eigenschaften sind in Tabelle 1 aufgeführt. Die Bewehrung der Stahlbetongrundkörper bestand aus handelsüblichem Betonstahl der Sorte BSt 500 S. Der Bewehrungsgrad der Stahlbetonplatten betrug in Plattenlängsrichtung ? = As/Ac = 0,33 % (4 Ø 8, AS = 201 mm²) und die Betondeckung 1,5 cm. Als Matrix der Verstärkungsschicht wird ein Feinbeton mit 1 mm Größtkorn verwendet. Die mechanischen Eigenschaften können Tabelle 2 entnommen werden. Als textile Bewehrung wird ein Gelege aus Carbon verwendet.
Die Herstellung der Textilbetonverstärkung erfolgte durch abwechselnde Applikation dünner Schichten Feinbeton und textiler Strukturen auf die Altbetonoberfläche im Handlaminierverfahren. Die Verstärkungen werden mit zwei Lagen textiler Bewehrung ausgeführt. Dies entsprach einer Querschnittsfläche von 50 mm². Den Abschluss der 8 bis 10 mm dicken Verstärkung bildete jeweils eine Schicht Feinbeton. Während der Verstärkung wird die Platte so gedreht, dass die spätere Zugzone nach oben zeigte. Die Brandversuche werden im Alter von 80 bis 95 Tage durchgeführt. Die hergestellten Platten werden unter Vier-Punkt-Biegeversuch im Bild 2 auf der entsprechenden Last gebracht und anschließend beflammt. Die Beflammung erfolgte nach der Einheitstemperaturkurve (ETK, ISO 834 Normbrandkurve) im Kleinbrandofen (DIN 4102-Teil 8). Temperaturfühler dienen der Temperaturerfassung während des Brandes. Vier Fühler werden auf der beflammten Plattenunterseite angeklebt (siehe Punkte u4.1 bis u4.4 im Bild 2). weitere Temperaturfühler werden in Höhe der Stahlbewehrung (u3.1, u3.2 im Bild 2) und in der Verbundebene zwischen Altbeton und Verstärkungsschicht (u4.1, u4.2 im Bild 2) angebracht. An der brandabgewandten Seite ist ein weiterer Temperaturfühler in Plattenmitte angeordnet (u1.1 im Bild 2). Für die Messung der Durchbiegung werden induktive Wegaufnehmer (IWA) auf der Plattenoberseite an den Punkten 21 bis 28 im Bild 2 angeordnet.
Parallel zu den verstärkten Stahlbetonplatten werden Brandversuche an textil-verstärkten Dehnkörper mit den Abmessungen 1000 mm × 60 mm × 8 mm durchgeführt. Die Dehnkörper werden mit zweilagigen Carbon-Bewehrungen verstärkt. Die Nachbehandlung erfolgte nach DIN 18555-3 durch Abdecken mit feuchten Tüchern und Folie und anschließend eine Lagerung (28 Tage) in einer Klima-kammer bei 20 °C und 65 % relativer Luftfeuchte. Die Dehnkörper werden mit entsprechendem Lastniveau beaufschlagt und anschließend einer Temperaturbelastung mit einer Heizrate von 10 K/min ausgesetzt. Die Temperaturbelastung erfolgte im mittleren Teil der freien Probekörperlänge in einem Bereich von 20 cm mittels vier Infrarotheizstrahler (IR-Strahler). Die Anordnung der IR-Strahler ist in der Querschnittsansicht A-A in Abbildung 3 schematisch dargestellt.
Die Messung der Oberflächentemperatur erfolgt mit Temperaturfühlern Typ K (NiCr-Ni). Sie werden vertikal in direktem Kontakt mit der Probekörperoberfläche angeordnet. Der Messpunkt der Fühler wird durch eine Keramikschutzhülle vor direkter Bestrahlung geschützt. Jeweils ein Temperaturfühler steuert einen Heizstrahler, sodass die Temperaturbelastung mit einer Genauigkeit von ± 2 K realisiert werden kann. Neben den Temperaturverläufen wird die statische Belastung sowie der Maschinenweg aufgezeichnet. Die Verformungen im Bereich der Temperaturbelastung werden mittels Photogrammetrie gemessen. Dies ermöglicht eine Aussage über das Spannungs-Dehnungs-Verhalten, die verschiedenen Dehnungsanteile sowie die Rissentwicklung.
Veröffentlichungen
2011
- Curbach, M.; Ortlepp, R.: Leichtes Bauen mit ultrahochfesten und Textilbetonen. In: Bauforschung und Baupraxis, Heft 10: “Wie wollen wir in Zukunft bauen?” – Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger, Dresden, 19.04.2011. S.17-22 - ISBN 978-3-86780-216-1
2010
- Ehlig, D.; Jesse, F.; Curbach, M.: Textilbeton verstärkte Platten unter Brandbelastung. Beton- und Stahlbetonbau 105 (2010) 2, S. 102-110 – doi:10.1002/best.200900069
- Ehlig, D.; Jesse, F.; Curbach, M.: RC Slabs with Textile Reinforced Concrete (TRC) Strengthening Under Fire Loading. 3rd International fib Congress, Washington, D.C., May 29 - June 2 2010. Paper 307 – DVD-Rom
- Shayed, M. A. ; Cherif, Ch.; Hund, R.-D. Cheng, T.; Osterod, F.: Carbon and glass fibers modified by polysilazane based thermal resistant coating. In: Textile Research Journal (2010)03 (online); DOI: 10.1177/0040517509357648
- Younes, A.; Seidel, A.; Engler, Th.; Cherif, Ch.: Effects of high temperature and long term stress on the material behaviour of high performance fibres for composites. In: World Journal of Engineering 7 (4) (2010), 309-315
- Younes, A.; Hufnagl, E.; Cherif, Ch.: Feuerprobe für Glas- und Carbonfilamentgarne - Hochtemperaturverhalten von Glas- und Carbonfilamentgarnen für den Einsatz als textile Bewehrungen im Beton - eine Untersuchung des ITM der TU Dresden. Kettenwirkpraxis 44(2010)1, S. 26—27
2009
- Ehlig, D.; Jesse, F. & Curbach, M.: Textile Reinforced Concrete (TRC) under Fire Loading. Djausal, A.; Alami, F. & Naaman, A. E. (Hrsg.): 9th International Symposium on Ferrocement and Thin Reinforced Cement Composites (Ferro-9), 18-20 May 2009, Bali, Indonesia. S. 331-244
- Curbach, M.; Jesse, F.: Eigenschaften und Anwendung von Textilbeton. In: Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009) 1, S. 9-16 – doi:10.1002/best.200800653
- Ehlig, D.; Jesse, F.; Curbach, M.: Stahlbetonplatten verstärkt mit Textilbeton unter Brandbelastung. In: Curbach, M. (Hrsg.), Jesse, F. (Hrsg.): Textile Reinforced Structures : Proceedings of the 4th Colloquium on Textile Reinforced Structures (CTRS4) und zur 1. Anwendertagung, Dresden, 3.-5.6.2009. SFB 528, Technische Universität Dresden, D–01062 Dresden : Eigenverlag, 2009, S. 433-446 – ISBN 978-3-86780-122-5 URN: urn:nbn:de:bsz:14-ds-1244050720109-69672
- Younes, A.; Seidel, A.; Engler, T.; Cherif, C.: Materialverhalten von AR-Glas- und Carbonfilamentgarnen unter Dauerlast- sowie unter Hochtemperatureinwirkung. In: Curbach, M. (Hrsg.), Jesse, F. (Hrsg.): Textile Reinforced Structures : Proceedings of the 4th Colloquium on Textile Reinforced Structures (CTRS4) und zur 1. Anwendertagung, Dresden, 3.-5.6.2009. SFB 528, Technische Universität Dresden, D–01062 Dresden : Eigenverlag, 2009, S. 1-16 – ISBN 978-3-86780-122-5 URN: urn:nbn:de:bsz:14-ds-1242131966147-30706
- Younes, A.; Engler, Th.; Seidel, A.; Abu Shayed, M.; Hund, R.; Cherif, Ch.: Hochtemperaturverhalten von Glas- und Carbonfilamentgarnen für den Einsatz als Textilbewehrungsstrukturen in Betonbauteilen. In: 48. Chemiefasertagung Dornbirn, Dornbirn, Österreich, 16.-18. September 2009. CD-Rom
- Younes, A.; Hufnagl, E.; Cherif, Ch.: Hochtemperaturverhalten von Glas- und Carbonfilamentgarnen für den Einsatz als textile Bewehrungen im Beton. Jahresbericht des Institutes für Textil- und Bekleidungstechnik der TU Dresden 2008. Dresden : Eigenverlag, 2009 , S. 20-21 (ISSN 1618-0712)
- Younes, A.; Hufnagl, E.; Engler, Th.; Seidel, A.; Cherif, Ch.: High temperature and long term behaviour of glass and carbon filament yarns for composite applications. In: Proceedings of the 17th Annual International Conference on Composites / Nano Engineering (ICCE 17), Hawaii, USA, July 26-31, 2009