FEM versus experimenteller Nachweis
Inhaltsverzeichnis
Projektdaten
Titel | Title Belastungsversuche an geschweißten Stahlgitterbauteilen | Load tests on welded steel lattice elements Auftraggeber | Client LTB Leitungsbau GmbH, Radebeul Zeitraum | Period 11.2016 Leiter | Project leader Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach Bearbeiter | Contributors Dipl.-Ing. Robert Schneider, Heiko Wachtel, Maik Patricny, Doreen Sonntag |
Bericht aus dem Jahrbuch 2016
FEM versus experimenteller Nachweis
2016 kam die LTB Leitungsbau GmbH auf das OML mit der Bitte zu, die Tragfähigkeit spezieller, geschweißter Stahlgitterbauteile mittels Dreipunktbiegeversuch zu ermitteln. Im Vorfeld war durch LTB das vollständige Repertoire an Berechnungsmodellen zu Rate gezogen worden, um die theoretische Tragfähigkeit des Bauteils zu ermitteln. Die Bandbreite der Berechnungen reichte von einfachen Fachwerkmodellen, berechnet mit RSTAB, über aufwendige händische Berechnungen nach Petersen bis hin zu detaillierten Modellierungen in Finite-Elemente-Programmen durch speziell geschulte Ingenieure.
Bekanntlich klaffen Theorie und Wirklichkeit teils weit auseinander. Streuende Materialeigenschaften, Verbindungen, herstellungsbedingte Imperfektionen und einiges mehr sind bestimmten Unschärfen unterworfen und teilweise nur schwer mathematisch zu fassen. Mittels vereinfachter Modelle und Teilsicherheitsbeiwerten bei der Bemessung will man sicherstellen, dass das Ergebnis dennoch auf der sicheren Seite verbleibt. Was ist aber zu tun, wenn die aufwendige Berechnung mit FE-Modellen 300 kN als Tragfähigkeit eines Stahlgitterbauteils im elastischen Bereich ergibt und andere Berechnungsmodelle mehr als das Doppelte? Welches Modell liefert nun das zuverlässigere Ergebnis?
Um diese Frage beantworten zu können, hilft oft nur noch der sorgsam instrumentierte experimentelle Belastungsversuch. Im speziellen Fall halfen 28 Dehnmessstreifen und zwei induktive Wegaufnehmer dabei, die Verformungen der Einzelstäbe sowie die Gesamtverformung des Fachwerkes aufzuzeichnen. Später können die gemessenen Dehnungen und Verformungen verwendet werden, um Rückschlüsse über die im Stab befindlichen Kräfte zu ziehen. Weiterhin kann man so erkennen, wann das Bauteil den elastischen Bereich verlässt und in den plastischen übergeht, also bleibende Verformungen erleidet. Ab einem bestimmten Punkt ist das Bauteil dann nicht mehr in der Lage, weitere Kräfte aufzunehmen, die Verformungen steigen überproportional an und der Versagensbereich ist erreicht.
Im konkreten Fall wurde der elastische Bereich bei ca. 650 kN und die Gesamttragfähigkeit bei ca. 1000 kN, also 100 Tonnen Last, erreicht. Hätte man sich in diesem Fall nur auf die theoretischen FE-Modelle verlassen, wäre ein höchst unwirtschaftliches Tragwerk das Ergebnis gewesen.