20.05.2025
#FactFriday: Girlboss

Girlboss
Girlboss-Feminismus
Was ist Girlboss-Feminismus?
“Girlboss-Feminismus” wird auch als “Choice-Feminismus” bezeichnet und hat seine Wurzeln in den 80er Jahren. Berühmte Personen wie Margaret Thatcher, die erste weibliche Premierministerin in Großbritannien, haben maßgeblich geprägt, was dann besonders in den 2010er Jahren einen richtigen Boom erfährt. Starke, unabhängige Frauen setzen sich in ihrer männerdominierten Branche erfolgreich durch, sind selbstbewusst - denn sie haben es an die Spitze geschafft. Besonders auf Social Media erfährt der Trend eine ganz neue Bedeutung. Unter #girlboss sind zahlreiche Bilder mit Motivationssprüchen, Frauen in Blazern und High Heels und feministische Statements zu finden.
Aufstehen und für andere den Weg freimachen...
...Nach dieser Devise handelt Sophia Amoruso, eine amerikanische Unternehmerin. Mit ihrer Fashion-Firma “Nasty Gal” wurde sie berühmt - und reich. In ihren Memoiren #Girlboss, die sie 2014 veröffentlichte, porträtiert sie perfekt den Girlboss-Feminismus. In einem Interview sagt sie:
“Jede Frau kann ein „Girlboss“ sein - sie muss sich nur dazu entscheiden. Es ist eine Haltung, man muss bereit sein, Risiken einzugehen, [...].”
Ist „Girlboss“-Feminismus überhaupt Feminismus?
In den letzten Jahren ist viel Kritik am “Girlboss-” bzw. “Choice-Feminismus” geäußert worden. Viel mehr geht es um die Frage, ob man diesen überhaupt als Feminismus bezeichnen kann. Für viele bedeutet Feminismus nämlich, patriarchale Strukturen zu überwinden, sodass alle Frauen und weiblich gelesenen Personen gleichberechtigt sind.
In der Girlboss-Welt kann das “jede*r schaffen, wenn man es nur stark genug will.”
Das verzerrt aber total die Realität: viele sind zum Beispiel aufgrund ihrer Hautfarbe, Klasse, Sexualität etc. strukturell deutlich benachteiligt. Weibliche Führungsrollen und Vorbilder sind wichtig, letztendlich haben jedoch weiße able-bodied heterosexuelle Akademiker*innen strukturell einen Vorteil. Indem diese sich dann als #Girlboss feiern, tragen sie nicht dazu bei, das bestehende System, in dem sie privilegiert sind, zu hinterfragen oder zu dekonstruieren.
Außerdem porträtiert #Girlboss auch immer, dass man nur Girlboss ist, wenn man Führungskraft eines großen Unternehmens ist, das jährlich Millionen in Geldern erwirtschaftet. Diese Perspektive ist nicht nur unheimlich kapitalistisch geprägt und stützt ein System, das Frauen und weiblich gelesene Personen wiederum strukturell dauerhaft herabsetzt, sondern wertet weiterhin auch die 12 Milliarden unbezahlten Stunden Care-Arbeit, die weiblich gelesene Personen weltweit täglich verrichten, ab.
Zuletzt muss auch der Begriff an sich kritisiert werden: Die Verkindlichung zum “Girl”-Boss ist für viele unverständlich, denn es sind erwachsene Frauen, die hier nach Selbstverwirklichung streben. Auch, dass überhaupt das Wort Girl oder Woman vor “Boss” steht, ist ähnlich wie bei “Frauenfußball” oder “Powerfrau” perfide. Es wird hervorgehoben, dass wenn eine Frau ein Boss ist oder Power hat, dies scheinbar etwas “Außergewöhnliches” ist.
Gibt es auch Gutes am „Girlboss“-Feminismus?
Zur Entstehung des Girlboss-”Feminismus” war dieser für viele ein erster Weg in den feministischen Diskurs. Sich mit feministischen Themen zu beschäftigen ist sehr wichtig, deshalb ist es gut, dass viele Menschen darüber in Kontakt mit Themen kommen. Außerdem gibt es von dort aus auch immer die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln und andere feministische Strömungen zu entdecken. Auf einer oberflächlichen Ebene kann auch positiv betrachtet werden, dass Frauen und weiblich gelesene Personenals “Girlboss” Entscheidungen treffen, die vor noch nicht allzu langer Zeit Männer für sie getroffen hätten. Diese Art der Selbstbestimmung ist - natürlich erstmal auf der Ebene des Einzelnen - per se nichts Negatives.
Zusammenfassung
Auch wenn man den Girlboss-/Choice-”Feminismus” aufgrund vieler gerechtfertigter Argumente zurecht kritisieren kann, kann er für einzelne Individuen trotzdem eine Selbstverwirklichung oder Empowerment bedeuten. Dennoch gehört zu Feminismus dazu, dass er den Anspruch hat, bestehende diskriminierende Strukturen abzuschaffen. Dieses Ziel wird mit “Girlboss” nicht erreicht oder überhaupt erst verfolgt.
Quellen
1. https://wearerestless.org/2021/09/30/girlboss-feminism/ (09.04.2025)
2. https://www.jetzt.de/aufsteigerinnen/girlboss-kultur-ist-nicht-feministisch (11.04.2025)
3. https://mads.de/warum-ich-den-begriff-girlboss-nicht-mehr-hoeren-kann/ (11.04.2025)
4. https://www.akweb.de/gesellschaft/nadia-shehadeh-girlboss-feminismus-kein-bock-auf-chefinnenetage/ (16.04.2025)
5. https://www.business-punk.com/2023/02/auf-nimmerwiedersehen-girlboss/ (25.04.2025)
6. https://www.welt.de/iconist/partnerschaft/article163885208/Wie-wird-man-ein-Girlboss-Sophia-Amoruso.html (05.05.2025)
7. https://www.welt.de/iconist/mode/article163774642/Vom-Aufstieg-und-Fall-der-Influencerin-No-1.html (05.05.2025)