Präventiver Hochwasserschutz, Infrastruktur, Anlagen zur Abwasserbeseitigung, Dokumentation von typischen Schäden und Beeinträchtigungen der Abwasserbeseitigung im Freistaat Sachsen durch Hochwasserereignisse, Ableitung von Handlungsempfehlungen
Bericht | Bericht_Hochwasser_KA |
Finanzierung | Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft |
Bearbeitungszeitraum | 2002 - 2003 |
Projektleitung | Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Lützner Prof. Dr. sc. techn. Peter Krebs |
Projektbearbeitung | Dipl.-Ing. Markus Ahnert Dr.-Ing. Volker Kühn Dipl.-Ing. Thomas Schalk Dipl.-Ing. Winnie-Kathrin-Ahlendorf |
Zusammenfassung
Das August-Hochwasser 2002 hat auf Grund der erheblichen Niederschläge auf vielen Anlagen der Abwasserentsorgung und -behandlung in Sachsen unmittelbar bzw. mittelbar Schäden verursacht. Die Auswirkungen und Folgen reichten von kurzzeitigen Betriebsstörungen bis zu großflächigen, lang anhaltenden Überflutungen mit den damit verbundenen Zerstörungen.
Das Institut für Siedlungswasserwirtschaft der TU Dresden wurde durch das Staatliche Umweltfachamt Radebeul als Vertreter des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft mit Vertrag vom 03.06.2003 beauftragt, im Rahmen einer Studie die Schäden an den infrastrukturellen Anlagen der Abwasserbeseitigung darzustellen und zu analysieren sowie daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Die Aufgabenstellung des AG umfasst zwei Bearbeitungsschwerpunkte:
- Analyse der eingetretenen Schäden an den Abwasseranlagen nach Art und Ursache. Die Untersuchung ist für alle betroffenen Kläranlagen der Größenklasse (GK) 4+5 (26 Anlagen) sowie für 50 % der betroffenen Anlagen der Größenklasse 1-3 (47 Anlagen) durchzuführen. Es wird eine Gliederung in Kanalnetz, Pumpwerke, Sonderbauwerke sowie Kläranlagen vorgenommen. Neben der allgemeinen Analyse der betroffenen Anlagen sind Detailuntersuchungen bezüglich der Lage in Trinkwasserschutzgebieten sowie zur Problematik der Schlammbehandlung auf betroffenen Kläranlagen während und kurz nach dem Hochwasser durchzuführen (Kapitel 2.7).
- Ausgehend von den Ergebnissen und Erkenntnissen aus Punkt 1) bzw. Kapitel 2 werden Grundsätze und Handlungsempfehlungen für die Planung, den Bau sowie den Betrieb von Abwasseranlagen unter dem Gesichtspunkt von Hochwasserereignissen erarbeitet (Kapitel 3 bis 6). Ebenso ist eine Einordnung dieser Grundsätze in bestehende Regelwerke zu prüfen und zu diskutieren.
Mit dem Auftraggeber (AG) wurde abgestimmt, dass für alle ausgewählten Anlagen (siehe Kapitel 2.2) eine Befragung vor Ort mit einem im Rahmen der Studie entwickelten Fragebogen (siehe Anhang C) durchgeführt wird. Es wurde angestrebt, jeweils die für den Betrieb der Entwässerungs- und Behandlungseinrichtungen aussagefähigen Personen in das Interview einzubinden.
Neben der Befragung erfolgte eine Begehung der betroffenen Anlagen, um den Hergang und die örtliche Situation besser einschätzen zu können. Es erfolgte für einen Großteil der Anlagen eine Fotodokumentation. Wesentliche Darstellungen daraus sind in Anhang D aufgeführt. Grundlage der Anlagenauswahl ist eine Liste des StUFA Radebeul, die in Zusammenarbeit mit den anderen StUFÄ in Sachsen entstanden ist und alle vom Hochwasser 2002 betroffenen Kläranlagen enthält.
Die Auswahl der Anlagen der GK 1-3 erfolgte nach folgenden Kriterien:
- Gleichverteilung der Regionen bzw. Vorfluter,
- gemeldeter Schadensumfang sowie
- Zugehörigkeit zu Verbänden.
Der letzte Punkt war für die Abarbeitung der Interviews hilfreich, um eine möglichst geringe Zahl von Ansprechpartnern einzubeziehen. Daneben stand bei den größeren Verbänden bzw. Betreiberfirmen das Personal der Entscheidungsebene eher für Befragungen dieser Art zur Verfügung.
Der im Rahmen dieser Studie erstellte und angewendete Fragebogen befindet sich im Anhang C. Die Gliederung richtet sich nach der Aufgabenstellung diese Studie:
1. Allgemeine Angaben
- Erfassung der Anlagen- und Verbands- bzw. Betreiberdaten
- Erfassung von Daten über das Entwässerungsnetz sowie die Kläranlage und den Vorfluter
2. Verlauf des Hochwasserereignisses
- Verlauf in Kanalnetz und Kläranlage
- Funktionalität der Anlagenteile
- Organisation der Schadensverhinderung bzw. –beseitigung
- Verlauf des Schadensereignisses
3. Standortbedingte Schäden
- Erfassung der Höhenlagen sowie maximale Wasserstände
- örtliche Gegebenheiten
4. Hochwasserbedingte Schäden
- Schadbild durch Hochwasser, Grundwasser, Nachfolgeschäden, Wiederinbetriebnahme etc.
Eine Kostenaufstellung wurde ebenfalls vorgenommen. Da die Schadenssummenermittlung infolge Hochwasser nicht direkter Gegenstand dieser Studie war, liegen diese Werte nur von Anlagen vor, bei denen entsprechende Förderanträge bereits in Bearbeitung waren. Fehlende Daten wurden nicht nachrecherchiert.
Basierend auf den Erkenntnissen dieser Studie ergibt sich die Forderung nach einer Einzelfallprüfung für ARA ab einer bestimmten Anschlussgröße bzw. Lagerelevanz hinsichtlich ihrer Reaktion auf Hochwässer oder Extremniederschläge. Diese ist im Rahmen der Planung von Seiten der Genehmigungsbehörde für den jeweiligen Einzelfall zu fordern. Die Vorgehensweise kann analog einer Umweltverträglichkeitsprüfung festgelegt werden.
Voraussetzung ist z.B. die erfolgte Einstufung der technischen Anlage als 'Hochwasserrelevante Einrichtung' in Abhängigkeit einer immissionsbasierten Betrachtungsweise. Dabei stellt die Anlage selbst keine direkte Hochwasserschutzmaßnahme dar, sondern ist für das betroffene Siedlungsgebiet aktiver Schutz vor Einflüssen durch das Hochwasser (Ableiten von Regen- und Schmutzwasser, Entwässerung betroffener Gebiete) bzw. Maßnahme zur Schadensminimierung.
Für den Planungsgegenstand (Kanalnetz und/oder Kläranlage) ist die differenzierte Darstellung der Auswirkung verschiedener Ereignisintensitäten in Abhängigkeit von vorgegebenen bzw. zu wählenden Schutzzielen u. a. wie folgt sinnvoll:
- Rückwirkung auf den Entwässerungskomfort (hygienische Anforderungen) der Nutzer und Auswirkungen von verschiedenen Wasserständen auf maßgebende infrastrukturelle Gegebenheiten,
- Auswirkungen partieller Außerbetriebnahmen (Kanalnetzabschnitte, Netz-Pumpwerke, Sonderbauwerke, Kläranlage) auf die Gebietsentwässerung, Überstauereignisse und nachfolgend angeordnete Systemelemente,
- Nachweis des Notstromversorgungskonzeptes für die Kläranlage sowie Schwerpunkte im Netz (z.B. Hauptpumpwerke) aus technischer Sicht,
- Nachweis des Notstromversorgungskonzeptes für die Kläranlage in Hinblick auf die mögliche Dauer bestimmter Ereignisse,
- Festlegung des Informationsaustausches bei beginnender Hochwasserwarnstufe bezüglich Abschätzung der kurz- und mittelfristigen Abflussereignisse sowie der möglichen Versorgung mit Notfalltechnik bzw. Elementen des aktiven HW-Schutzes (mobile Schutzwände, Sandsäcke, Pumpen, Notstromversorgung etc.) und
- Vorlage der betrieblichen Anweisungen im Hochwasserfall für die entsprechende Anlage als Teile der zukünftigen Betriebsanleitung.
Eine Genehmigungsfähigkeit ist demzufolge dann gegeben, wenn in technischer und organisatorischer Hinsicht die formulierten Schutzziele erreichbar sind. Unabhängig davon ist es sinnfällig, eine Nachweispflicht zur technischen Machbarkeit der beschriebenen Maßnahmen im Rahmen der Inbetriebnahme zu fordern.
In der vorliegenden Studie sind die Ergebnisse aus der Befragung und dem Besuch von 73 betroffenen Kläranlagen in Sachsen erfasst und ausgewertet worden. Der erarbeitete Fragebogen (Anhang C) wurde dabei gemeinsam mit den jeweiligen Betreibern ausgefüllt und weitergehende Daten wurden erfasst bzw. übergeben. Neben der Analyse der Fragebögen (Kapitel 2.5) wurden weitergehende Auswertungen (Kapitel 2.6) und Analysen von Detailfragen (Kapitel 2.7) durchgeführt und diskutiert. Beispielsweise wurde die Gefährdung von Trinkwasserschutzgebieten an einem konkreten Beispiel abgeschätzt und Handlungsempfehlungen ausgesprochen.
Die Auswertung sowie die gewonnenen Erkenntnisse in Form von Hinweisen und Empfehlungen sind im Kapitel 3 dargestellt. Wesentliche Problemfelder sind:
- Sicherstellung der Kanalnetzentwässerung,
- Verhinderung von Kläranlagenüberflutung durch Abwasser (z.B. durch die Schaffung von Notumläufen für den Havariefall),
- Minimierung des Schadens an elektrotechnischen Anlagen und
- Minimierung des Zeitaufwandes einer Schadensbeseitigung durch entsprechende Gestaltung von Bauwerken bzw. Ausführung technischer Ausrüstung.
Darauf aufbauend wurden Hinweise für die Einbindung der gewonnenen Erkenntnisse in bestehende Regelwerke gegeben und diskutiert. Als abschließendes Ergebnis wurde der Vorschlag einer einzuführenden fallspezifischen Prüfung der Planung von Abwasseranlagen unterbreitet und andiskutiert. Für diesen Punkt besteht weiterer Untersuchungs- bzw. Diskussionsbedarf.
Schlagwörter
Belebtschlammverfahren, Anaerobtechnik, Hochwasser, Betriebsstörungen