23.10.2020
Geschlecht und Digitalität: Aktuelle Perspektiven
Am 16.10.2020 fand ein interner Vernetzungsworkshop der GenderConceptGroup zum Thema „Geschlecht und Digitalität: Aktuelle Perspektiven“ statt. Neben Mitgliedern des von der GenderConceptGroup neu erschaffenen Projekts „Digital Gender“ fanden sich 13 Kolleg*innen aus den Geistes- und Sozial-, den Erziehungswissenschaften, der Didaktik und Informatik, sowie aus dem Gleichstellungsbüro und dem ebenfalls neu gegründeten Schaufler Lab zusammen, um über Zoom zu diskutieren. Als eingeladene Sprecherinnen hielten Prof. Dr.-Ing Corinna Bath von der TU Braunschweig und Prof. Dr. Peters von der UDK Berlin Impulsvorträge, auf deren Grundlage diskutiert werden konnte.
Es ging um Sprache, und die Möglichkeit, in technische Infrastrukturen eingeschriebene Sexismen zu erforschen. Dazu fokussierte vor allem Prof. Baths Vortrag mit dem Titel „Elektronengehirn, Master-Slave-Betrieb und Künstliche Inteligenz. Vergeschlechtlicht-rassifizierte Materialisierung des Sprechens über Technik“ die Geschichte der Informatik und ihre hierarchischen Narrative und diskutierte anhand dreier Metaphern die in die Informatik eingeschriebenen Ungleichheiten. „Elektronengehirn“, „Master-Slave-Betrieb“ und „künstliche Intelligenz“ wurden in ihrer performativen Wirkung dekonstruiert und auf ihre grenzziehenden Funktionen hin analysiert. Zwar sind hierarchische Strukturen in der Informatik vorherrschendend, doch ein Blick auf die Geschichte zeigt: das war nicht immer so. Vor allem die frühe Technikforschung wusste um deren kulturelle Situiertheit und machte sich diese zu nutzen. Der Impulsvortrag plädierte für eine transdisziplinäre Forschung mit Blick auf historisch gewordene soziale Ungleichheiten, die beispielsweise in Trainingsdaten für künstliche Intelligenz verheerende Folgen haben können.
Einen zweiten Impuls gab Prof. Peters mit dem Vortrag „Eine Krise bekommen: Digitalität und Geschlecht im Lockdown“ zu dem aktuellen Beispiel des Home Office während der Corona Krise. Hier stellten sich Fragen zu der Universität als Ort des Lernens und der anderen Form der Intimität, die sich während des Digitalsemesters in unterschiedlichen Situationen ergab. Dabei wurde das zu Hause zugleich als vergeschlechtlichte Sphäre affirmiert, wie auch in Frage gestellt, wie Peters aus Erfahrungsberichten ihrer Studierenden ableiten konnte. Diese Erfahrungen wurden in einen kritischen Bezug mit Paul B. Preciados aktueller Publikation „Ein Apartment auf dem Uranus“ in Verbindung gesetzt, um einerseits die Veränderungen dieses digitalen Moments zu dokumentieren und andererseits Technik sozial und kulturell zu situieren. Es ließ sich Schlussfolgern: Alle Geräte abschalten ist auch keine Lösung – trotz Aufmerksamkeitsökonomie und Datenkapitalismus.
In der anschließenden Diskussion wurden reale Seminarsituationen wie Forschungszenarien diskutiert, indem die sich digitalisierende Universität dennoch als Raum kritischer Begleitung gesellschaftlich neuer Prozesse dienen muss. Der kritische Diskurs muss weitergehen – über Disziplinen hinweg, doch mit einem Bewusstsein gegenüber den eigenen Methoden und Instrumentarien. „Digital Gender“ setzt sich das Ziel, diese Leerstelle aus einer geistes- und sozialwissenschaftlichen Perspektive zu schließen: neben den Forschungsprojekten der Mitarbeiterinnen im nächsten Schritt durch die Vorlesungsreihe „Technik für Alle? Von wem für wen?“.