Veranstaltungsarchiv
Technologie für Alle? Von wem für wen?
Männlicher Nutzer, weibliches Programm? In technische Infrastrukturen sind seit jeher kulturelle und somit auch vergeschlechtliche Annahmen eingeschrieben. Ob bei Pflege- und Sexrobotern als zukunftsweisende Wegbegleiter des Menschen, oder die in Massendatifizierung vorhandenen Zuschreibungen geschlechtsspezifischer Annahmen, die Allgegenwärtigkeit technologischer Entwicklung verlangt nach intersektional-geschlechtsspezifischen Analysen. Auch wenn theoretisch der Zugang zu neuen Technologien für alle erleichtert wurde, faktisch besteht weiterhin ein Gefälle zwischen wenigen (männlichen) Produzenten und überwiegend nicht-männlichen Nutzer*innen. Wie lassen sich frühe emanzipatorische Hoffnungen der Cyberfeminist*innen in den heutigen Diskursen aktualisieren? Welche Technologien lassen optimistische Zukunftsvisionen und Umdeutungen zu, in welchen fehlt eine feministische Perspektive weitgehend? Welche vergeschlechtlich-intersektionalen Vorstellungen prägen Designansprüche für die Technik der Zukunft? Welche Ideologien sind in Digitalität, Robotik und KI eingeschrieben und wie lassen sie sich trotz der Automatisierung und Privatisierung ihrer Wissensökonomien neu verhandeln?
Antworten auf die hier skizzierten Fragen geben Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen in einer von der GenderConceptGroup im Rahmen des SMWK-geförderten Forschungsprojekts Digital Gender organisierten Veranstaltungsreihe. Zu diesen Gender Lectures, die an 4 Terminen im Wintersemester 2020/21 stattfinden, laden wir Sie herzlich ein.
Die Gender Lectures sind für alle Interessierten offen und finden immer am ersten Donnerstag des Monats von 16:40 - 18:10 Uhr online statt. Vortragssprachen sind Deutsch und Englisch. Wir bitten um Anmeldung per Mail an Die Veranstaltungsreihe wird im Sommersemester 2021 fortgeführt.
05.11.2020
Geschlechterverhältnisse gestalten – Feministische Technikforschung als Analyse und Intervention
Julia Stilke (TU Braunschweig)
Wer gestaltet Technik für wen und auf Basis welcher Vorstellungen von Geschlecht? Ausgehend von dieser Frage, schlägt der Vortrag einen Bogen von der Entwicklung feministischer Wissenschaftstheorien und ihrer Haltung zu Technik, über Ansätze und Studien der Science and Technology Studies bis hin zur feministisch-posthumanistischen Designforschung. Dabei richtet sich der Blick auf das wechselvolle Verhältnis zwischen Wissenschaft, Technik, Gesellschaft und darin eingelassener Macht- und Geschlechterverhältnisse.
Eine Videoaufzeichnungen des Vortrags finden Sie hier.
Empfohlene Lektüre:
Ehrnberger, K., Räsänen, M., & Ilstedt, S. 2012. Visualising gender norms in design: Meet the mega hurricane mixer and the drill dolphia. In: International Journal of Design, 6(3), 85-98.
Ehrnberger et Al. Visualising Gender Norms in Design.pdf
03.12.2020
Feminist digital reparative practices
Dr. Nanna Thylstrup (Copenhagen Business School) & Dr. Daniela Agostinho (University of Copenhagen)
This talk will offer a sociopolitical reading of information infrastructures that outlins how social structures such as gender and race are encoded in the technological scaffolding of information, how these infrastructures consequently reflect and materialize power dynamics, and how they thereby structure the possibilities for social action. With this we wish to emphasize that digital infrastructures enforce and constrain experience and knowledge, but also constitute powerful venues for social and political engagement. Combining cultural theories and feminist infrastructure studies, this talk suggests that while digital infrastructures have significant and often oppressive implications for their subjects, they also open up spaces for negotiations, disobedience, and contestation. Digital infrastructures therefore, we argue, constitute a powerful field for feminist and postcolonial digital humanities to intervene in.
A video recording of the lecture is avaliable here.
Recommended Reading:
Thylstrup, N., Agostinho, D., Dirckinck-Holmfeld, K., Veel, K. Infrapolitics, archival infrastructures and digital reparative practices.
07.01.2021
Von technologisierten Barbiepuppen zu queeren Sexrobotern? Eine kritisch feministische Analyse im Praxisfeld Mensch – Maschine - Interaktion
Dr. Tanja Kubes (TU Berlin)
Sexrobotermodelle orientieren sich fast ausnahmslos an einem extrem übersteigerten, stereotypen Weiblichkeitsideal. Sie gleichen optisch einer hypersexualisierten nahezu lebensgroßen Barbiepuppe mit prallen Lippen, makellos heller Silikonhaut, extremer Oberweite, ultraschmaler Taille, langen schlanken Beinen und unbehaarter Vulva. Mit feministischen Forderungen nach einer Auflösung von androzentrischer Machtverteilungund derDekonstruktion heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit und heterosexueller Normsexualität scheint die Idee des Sexroboters daher unvereinbar zu sein.Trotz der offensichtlich in Technik implementierten antifeministischen Tendenzen argumentiere ich in meinem Vortrag nicht für eine Verbannung von Sexrobotern, sondern plädiere vielmehr für eine radikal, feministische Aneignung und Umdeutung des Konzepts Sexroboter. Können durch die feministische Neukonstruktion von Maschinen tradierte Vorstellungen aufgebrochen und bestehende Konstellationen neu gedacht werden? Der Vortraganalysiert sexistische und rassistische Einschreibungenin der aktuellen Technikkonstruktion und diskutiert, ob das Leben und Lieben mit Robotern zu einer neuen Option von Beziehung und Befriedigung führen kann.
Eine Videoaufzeichnung des Vortrags finden Sie hier.
Empfohlene Lektüre (open access):
Zur Einführung: Kubes, Tanja. 2019. Sexroboter - Queeres Potential oder materialisierte Objektifizierung? In: Cyborgs revisited: Zur Verbindung von Geschlecht, Mensch und Maschinen. Feministische Studien Heft 2/2019. S. 351-362. https://doi.org/10.1515/fs-2019-0033
Kubes. Sexroboter: Queerfeministisches Potential oder materialisierte Objektifizierung.pdf
Zur Vertiefung: Kubes, Tanja. 2019. New Materialist Perspectives on Sex Robots. A Feminist Dystopia/Utopia? Social Sciences, 8. 224. https://www.mdpi.com/2076-0760/8/8/224
Kubes.New Materialist Perspectives on Sex Robots.pdf
04.02.2021
Queer operating systems and other affective infrastructures
Assistant Prof. Winnie Soon (University Aarhus) & Cornelia Sollfrank (Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe)
The two artist-researchers are working at the intersection of art, technology and (gender)politics both in theory and practice. The framing concept they share is “technofeminism,” a field that they approach from different perspectives and disciplinary backgrounds but with an emphasis on transdisciplinarity. Their projects often examine the power relations embedded in technological systems and infrastructures from a feminist standpoint to understand the mechanisms that shape reality.
In this presentation, they will introduce selected individual projects, the core theoretical concepts each refers to, and they will talk about their collaboration. Since 2015 they have been thinking about and discussing issues related to artistic coding, preservation of code-based art and feminist approaches to technology. One of the net.art classics, the net.art generator plays a central role in their collaboration and will also be the basis of their upcoming e-book “Fix my Code” (EELECTIC, Berlin, 2020).
A video recording of the lecture is available here.
Suggested readings/ viewings:
Berlant, Lauren. „The commons: Infrastructures for Troubling Times“. Environment and Planning D: Society and Space, 2016.
Haraway, Donna. "Situated knowledges: The science question in feminism and the privilege of partial perspective." Feminist Studies 14.3 (1988): 575-599.
Sollfrank, Cornelia. ‘Preface’. In: The Beautiful Warriors. Technofeminist Praxis in the Twenty-First Century, New York, Autonomedia/Minor Compositions, 2020, p. 1-17.
Forms of Ongoingness, Interview with Femke Snelting and spideralex, Cornelia Sollfrank 2018. http://creatingcommons.zhdk.ch/forms-of-ongoingness/
Feminist Hackspace. Interview with Patricia Reis and Stephanie Wuschitz, Cornelia Sollfrank, 2018. http://creatingcommons.zhdk.ch/feminist-hackspace/