Forschungsprojekte
Regelmäßig kreieren die Mitarbeiter:innen der Professur aus ihren eigenen bzw. der gemeinsamen Forschung Schnittstellen, die in Forschungsprojekten zusammengeführt oder in Tagungen präsentiert werden.
Theater der Trans-lation. Dynamiken und Konstellationen von Übersetzen und Herabsetzen in Theater und Performance des 21. Jh.
Projektleitung: Lars Koch und Julia Prager
Das in drei Arbeitsbereiche gegliederte Projekt untersucht die Darstellung, Performanz und Reflexion von invektiven (herabsetzenden, beleidigenden und diskriminierenden) Dynamiken in zeitgenössischen theatralen Formen und ihren institutionellen Umfeldern im deutschsprachigen Raum. Seine besondere methodische Ausrichtung besteht darin, die theoretische Arbeit an einer erweiterten Konzeption von disruptiver Über-setzung mit konkreten Aufführungsanalysen und Untersuchungen im Bereich der Cultural Institutions Studies produktiv zu verknüpfen. Auf diese Weise wird das Theater als Arena der Aushandlung von Vernehmbarkeit, d. h. – in einem durchaus wörtlichen Sinn – in seiner Funktion als Hörraum sprachlich-stimmlicher Invektivität wie auch als Resonanzraum gesellschaftlicher Konflikte berücksichtigt, die aus kulturellen und medial-räumlichen Übersetzungsprozessen hervorgehen. Damit verbunden ist zum einen die Untersuchung theatraler Dynamiken von beschämendem Affektgeschehen im auditiv-akustischen Spektrum anderer Sprachen, Stimmen und Klänge (bspw. das Sprechen mit Akzent, Dialekt, Soziolekt oder „Jargon“). Zum anderen rücken kunst- und kulturpolitische Praktiken des „Unvernehmens“ (etwa Diskussionsverweigerung der Theater mit der „Neuen Rechten“ und vice versa oder Kontroversen um Kunstfreiheit, Political Correctness und „Cancel Culture“) als spezifisch mediale Operationen der Publikums- und Aufmerksamkeitsgenerierung in den Fokus.
Mit dieser Perspektivierung soll auch ein Beitrag zu aktuellen Forschungstendenzen der Reflexion von Diskriminierungs-praktiken insb. im Umfeld von Rassismus geleistet werden, indem invektive Praktiken nicht allein auf visuelle Phänomene (etwa „Hautfarbe“) bezogen, sondern dezidiert mit Ausgrenzung aufgrund von stimmlich-klanglicher Markierung in Beziehung gesetzt werden, die wiederum Segregationen im gesellschaftspolitischen wie kunstpolitischen Feld von Vernehmbarkeit hervorbringt. Das Projektvorhaben geht davon aus, dass damit eine konzisere Untersuchung von Diskriminierungspraktiken auf und im Umfeld von Theatern ermöglicht wird, insofern diese verstärkt als interdependente Phänomene (etwa in den Bereichen Rassismus, Sexismus und insbesondere auch Klassismus) verhandelt werden können. Aspekte von Diskriminierung und Herabsetzung bearbeitet das Projekt dabei sowohl hinsichtlich ihrer mitunter kritischen Funktionen in künstlerischen Inszenierungen als auch mit Blick auf machterhaltende Operationen im institutionellen Zusammenhang.
Teilprojekt K des SFB 1285
SFB 1285: Invektivität. Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung.
Teilprojekt K: Theater der Diskriminierung. Darstellung und Reflexion invektiver Dynamiken in Gegenwartstheater, Performance und Aktionskunst
Projektleitung: Lars Koch und Tanja Prokić
Das Teilprojekt untersucht Theater, Performance und Aktionskunst in ihrer doppelten Verfasstheit als soziale wie ästhetische Räume der Kommunikation, in denen Invektiven als eine kulturelle Praxis modellhaft realisiert und medial gerahmt wird. Es geht davon aus, dass gerade hier (ab)wertende Interaktions- und Invektivkonstellationen und -prozesse affektiv, perzeptiv und reflexiv fassbar werden. Das TP fokussiert das Theater der Diskriminerung als Institution, in seiner Medialität und seiner affektiven Politik, in seiner Konstellation zu anderen gesellschaftlichen Akteuren (Medien, Institutionen, Systemen), als Arena mit Sprech- und Handlungslizenzen, in seiner Entgrenzung und seinem diskursiven Verhältnis zur gesellschaftlichen Ordnung. Aufgabe des Projekts ist es, Theater, Performance und Aktionskunst des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart auf das (Nicht-)Gelingen von invektivem Kalkül mit seinen ästhetischen, affekt- wie identitätspolitischen Mitteln der Adressierung und dessen Proliferation zu befragen: Wie wird Invektivität als eine Funktion des Sozialen von den diskursbildenden Protagonisten des deutschsprachigen Gegenwartstheaters (etwa Milo Rau, Christoph Schlingensief, Yael Ronen u.v.a.) ästhetisch umgesetzt, reflektiert und kommentiert? Welche Strategien einer Politisierung der Affekte und welches Wissen über Response-Effekte invektiver Kommunikation werden erzeugt und erprobt? Welche räumlichen und medialen Dispositionen bedingen die jeweiligen invektivkritischen Wirkungsästhetiken und wie sind diese historisch verankert (exemplarisch etwa bei Valie Export oder F.W. Fassbinder)? Die projektleitende Verzahnung von diskursanalytischer, phänomenologischer und genealogischer Perspektive ermöglicht es schließlich, gesellschaftliche Konstellationen sozialer und politischer Diskriminierung fundiert zu reflektieren sowie latente Mechanismen der Diskriminierung, die das Theater selbst produziert, kritisch zu hinterfragen.
Prekäre Natur. Landschaft, Klima und Mensch in der Dorfgeschichte
Die realistische Literatur des 19. Jahrhunderts wird zu einer Plattform (proto-)ökologischen Denkens, lange bevor sich Ökologie als Wissenschaft und 'Bewegung' etabliert. Insbesondere Dorf- und Heimatgeschichten werden als ökologischer Kommentar einer historischen Transformation lesbar. Ökologisch deswegen, weil das Bedürfnis, eine natürliche Lebensform zum Ideal zu erheben, erst dann entsteht, wenn sie nicht mehr selbstverständlich ist. Im Dialog mit einer Vielzahl nicht-fiktionaler Texte, die im Publikationsumfeld der Erzählungen von der 'natürlichen Heimat' (Sebald) erscheinen – also bspw. in Journalen und Volkskalendern – werden die Bedingungen ökologischen Denkens überhaupt erst hergestellt. Das Projekt stellt diesen Diskurs in den Mittelpunkt, um ihn in international und historisch vergleichen zu können und den Bedingungen heutiger Vorstellungen davon wie Mensch-Natur-Beziehungen sind und sein sollen auf die Spur zu kommen.
OTPP-Projekt, Leitung: Dr. Solvejg Nitzke
Schauergeschichten. Literarische Emotionspraktiken der Angst um 1800
Das Projekt untersucht die literarische Bearbeitung von Angst in der deutschsprachigen Schauerliteratur um 1800. Es erforscht, wie sich literarische Angst in praxeologischer Perspektive hinsichtlich ihrer Gegenstände, Formen und Funktionen als Element einer Emotionspraxis der Sattelzeit genauer bestimmen lässt. Das literaturwissenschaftlich ausgerichtete Projekt macht es sich unter Einbeziehung emotionsgeschichtlicher und medienkulturwissenschaftlicher Ansätze zum Ziel, die spezifische historische Signatur der Angst im Untersuchungszeitraum herauszuarbeiten. Dementsprechend fasst das Projekt Angst als wissensgeleitete, performative Praktik, die es in ihrem durch historisches Gefühlswissen und schauerliterarische Bearbeitung gleichermaßen konstituierten Ermöglichungszusammenhangs zu situieren gilt. Daraus resultiert eine doppelte Fragestruktur: nach der ästhetischen Gestalt historischer Angst in der Literatur einerseits, nach den produktiven Effekten populärliterarischer Kommunikation für die Ausprägung zeitgenössischer Angst andererseits. Konkret ergeben sich hieraus drei aufeinander bezogene Forschungsdesiderate, die es zu bearbeiten gilt: Das Projekt profiliert Angst in einer zu rekonstruierenden historischen Gestalt als eine Leitemotionen deutschsprachiger Literatur um 1800 (1); es arbeitet an einer umfassenden emotions- und mediengeschichtlichen Historisierung und dadurch funktionellen Neuperspektivierung der deutschsprachigen Schauerliteratur dieser Zeit (2) und setzt literaturwissenschaftliche Emotionsforschung und Emotionsgeschichte in ein produktives Verhältnis zueinander (3). Das Projekt fußt damit auf grundlegenden Überlegungen zur Geschichtlichkeit von Literatur und zum Verhältnis von Literatur und Gefühl, schließt an Fragen zur kulturellen Tiefendimension von Angst an und verbindet die Emotionsgeschichte der Angst mit einer Medienanthropologie populärer Schauerliteratur.
Vor diesem Hintergrund will das Projekt anhand des im 19. Jahrhundert populären Genres der Schauerliteratur untersuchen, welche literarischen Verfahren und Techniken Angst in zeittypischer Weise artikulieren (Präsentationsweisen, Begriffe, Motive) und kommunizieren (emotionalisierende Effekte, Erzählstruktur, Thematisierung und Kommentierung). Fokussiert wird dabei – einem weiten Begriffsverständnis von Schauerliteratur folgend – ein Korpus, das beispielsweise Friedrich Schillers Romanfragment Der Geisterseher (1787) ebenso miteinschließt wie E.T.A. Hoffmanns Nachtstücke (1816) oder auch Wilhelm Hauffs satirisch-schauerlicher Novelle Mittheilungen aus den Memoiren des Satans (1825/26), besonders aber auch populärliterarische Texte der ‚zweiten‘ und ‚dritten‘ Reihe berücksichtigt. Um ein entsprechendes Ensemble von Primärtexten unter emotionspraxeologischen Gesichtspunkten analysieren zu können, gilt es deren wissens- und diskursgeschichtliche Kontexte miteinzubeziehen, also die schauerliterarische Angst auf ihre wechselseitigen Interferenzen mit dem zeitgenössischen Gefühlswissen einerseits und prominenten Angstdiskursen (Gespenster, Scheintod, Geheimbünde, Traum und Wahnsinn) andererseits zu befragen. Indem das Projekt auf diese Weise die Produktivität einer emotionsgeschichtlich-praxeologischen Perspektive auf die deutschsprachige Schauerliteratur erprobt, erkundet es zugleich die Möglichkeiten einer literaturhistorischen Praxeologie der Angst.
DFG-Projekt:
- Leitung: Prof. Dr. Lars Koch
- Projektmitarbeiter: Jakob Baur M.A.
The Principle of Disruption
Die vom European Research Council geförderte und interdisziplinär ausgerichtete Forschergruppe The Principle of Disruption widmet sich den kulturdiagnostischen Potenzialen, die sich in Feedbackschleifen um mediale, künstlerische und soziopolitische Störfälle gruppieren.
In die Vortragsreihe Figuren der Störung werden regelmäßig Dozent:innen und Autor:innen an die TU Dresden eingeladen, um aus ihrem jeweiligen Fachgebiet über "Figuren der Störung" zu reflektieren uns so das Forschungsfeld zu konturieren. Oft finden die Vorträge im Verbund mit vertiefenden Workshops statt.
Spielformen der Angst
DFG-Netzwerk "Spielformen der Angst": http://www.spielformen-der-angst.de