30.07.2022
Steile These: Wissenschaftliche Texte können in einem persönlichen Sprachstil verfasst sein
„Stil“ ist etwas, was sich auf den ersten Blick einer klaren Definierung zu entziehen scheint. Schließlich kann Stil vieles bedeuten: Wenn man davon redet, dass etwas stilvoll eingerichtet ist, können darunter paradoxerweise sowohl Wohnungen mit antiquarischen Möbeln als auch Apartments mit hochmoderner Einrichtung fallen. Politiker:innen loben sich manchmal selbst, indem sie sich mit den Worten von ihren rumpöbelnden Kolleg:innen abgrenzen: „Das entspricht nicht meinem Stil.“ Des Weiteren können Fußballer:innen einen bestimmten Stil haben, wir können uns einen Kleidungsstil zulegen und es gibt Eis am Stiel. Moment. Das letzte muss raus.
Ob es um Einrichtung, Kommunikation oder Balltechnik geht – Wenn wir von Stil reden, richten wir den Blick meist auf etwas Individuelles. Altmodische und moderne Einrichtungen haben etwas Eigenes an sich, was uns an Stil denken lässt. Der oder die Politiker:in will auf persönliche Eigenarten hinweisen, um sich von anderen zu unterscheiden. Die Fußballspieler:in entwickelt entweder für sich oder im Team eine besondere Spielweise und wie oft haben wir schon nach „unserem eigenen Kleidungsstil“ gesucht?
Es geht also um eine besonderen Art und Weise, etwas zu gestalten oder auszuführen, mitunter auch so individuell, dass man es letztlich mit einer bestimmten Persönlichkeit verbindet.
So auch der Schreibstil. Wenn ich hier also über den Schreibstil schreibe, meine ich den persönlichen Einfluss, der die sprachliche Gestaltung des Textes mitbestimmt. Und dieser Einfluss ist, je nach Text, den zu schreiben man vorhat, unterschiedlich groß. Persönliche Texte, die nur für einen selbst geschrieben werden, sind stärker von der eigenen Persönlichkeit durchdrungen als Texte, bei denen eine strengere Anforderung an ihre Sprache besteht.
Wie ist das aber jetzt bei Texten für die Uni? Es ist richtig, dass die Sprache dieser Texte stärker reguliert ist als bei anderen Texten. Aus guten Gründen. Das Zurückdrängen der Persönlichkeit auch aus der Sprache lenkt den Blick auf den Gegenstand oder die Gegenstände des Textes. Und viele sprachliche Besonderheiten, die uns als Person ausmachen, wie z. B. besonders ausdrucksstarke Metaphern, sind in wissenschaftlichen Texten tatsächlich fehl am Platz. Nun kann der Gedanke, dass der persönliche Sprachgebrauch in wissenschaftlichen Texten wenig bis gar nichts zu suchen hat, abschreckend wirken. Und nicht selten mag das der Grund dafür sein, dass man ratlos vor dem Worddokument sitzt und sich fragt, welche Worte erlaubt sind und welche nicht. Auch in Schreibberatungen ist das immer wieder ein Thema.
Doch es ist ein Trugschluss, von der stärker regulierten Sprache in wissenschaftlichen Texten darauf zu schließen, dass der persönliche Stil überhaupt keine Rolle spielt. Die sprachliche Ausformulierung eines Textes ist zu komplex, als dass man sagen könnte, man benutze jetzt eben die Wissenschaftssprache, die für die Untersuchung nun mal angemessen sei und habe persönlich nicht weiter viel damit zu tun. Am Ende ist jeder Text das Produkt individueller Entscheidungen. Somit färbt der eigene Schreibstil auch den wissenschaftlichen Text mit ein, wenn auch blasser als in essayistischen oder literarischen Texten.
Der Weg zum eigenen Stil
Abgesehen von dem fertigen Produkt, in dem immer ein Teil der eigenen Persönlichkeit steckt, ist es gerade für den Entstehungsprozess des Textes essenziell, dass anhand des eigenen Schreibstils eine eigene Stimme gefunden wird, der man vertraut. Den eigenen Sprach- oder Schreibstil für die eigenen Gedanken zu nutzen, regt Denkprozesse an, weil sie auf privatem Terrain stattfinden, wohingegen die Übernahme von Floskeln und wissenschaftlich klingender Phrasen das eigene Denken eher hemmen können. Wie man zur eigenen Stimme im wissenschaftlichen Schreibprozess findet, erklärt die Schreibtrainerin Judith Wolfsberger mit dem Tipp, in der eigenen Fachsprache zu schreiben.
„Eigene Fachsprache? Was soll das sein? Schreibe so, als würdest du an der Uni in einer netten Runde von StudienkollegInnen bei deiner Lieblingsprofessorin ein Referat halten. Oder so wie du in einer fachlichen Diskussion im Tutorium oder beim Lernen mit StudienkollegInnen Gelesenes in deinen Worten erklären würdest.“ (Wolfsberger 2009: 112f.)
Den Effekt beschreibt Wolfsberger so, dass sich zum einen eine angemessene Fachsprache entwickele, da man sich Kommiliton:innen vorstellt, die mit dem Fach vertraut sind und mit denen man (mehr oder weniger) auf einem gewissen Niveau über die Gegenstände sprechen kann. Zum anderen sind es aber positive und vertrauliche Situationen, die man sich vorstellt – nicht der oder die strenge Professor:in mit einem Rotstift in der Hand.
Das bedeutet freilich nicht, dass eine niedergeschriebene Erklärung an Kommiliton:innen eine druckreife Arbeit darstellt. Vielmehr beschreibt Wolfsberger eine Haltung, die das persönliche Schreiben fördern und das Denken befördern soll. Die fertige Arbeit entsteht letztlich während eines Prozesses mit Überarbeitungsphasen. Hier können dann übrig gebliebene Stellen, die dem wissenschaftlichen Anspruch nicht genügen, entfernt oder abgeändert werden. Schreiben wird leichter, wenn man die Arbeitsschritte aufteilt.
Wissenschaftliche Hilfskraft
NameRobert Bosse
Schreibberatung, Workshops
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Zum Thema:
Wolfsberger, Judith: Frei geschrieben. Mut, Freiheit und Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. 2. Auflage. Wien u.a. 2009.
Dieser Beitrag erschien anlässlich des Schreibzentrumsnewsletters im August 2022. Diese und weitere Newsletterausgaben sind im Newsletter-Archiv des Schreibzentrums verlinkt.
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