15.08.2023
Gute Frage: Wie können KI-Schreibtools das wissenschaftliche Schreiben unterstützen?
In der Schreibberatung am Schreibzentrum der TU Dresden werden viele gute Fragen gestellt. Auf die Frage "Wie können KI-Schreibtools das wissenschaftliche Schreiben unterstützen?" gibt Paulina, Referentin für Schreibdidaktik am SZD, eine Antwort:
In ihrer Einleitung zu den "Zehn Thesen zur Zukunft des Schreibens in der Wissenschaft" (2023) schreiben Limburg et al., "[w]issenschaftliches Schreiben ist von den gegenwärtigen, äußerst dynamischen Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) massiv betroffen und unterliegt entsprechend rasanten und weitreichenden Veränderungen" (S. 3). Sie sind nicht die einzigen, die im Laufe der letzten Monate die Zukunft des wissenschaftlichen Schreibens verändert sehen und auch ich teile ihre Perspektive.
Zur Einordnung: Künstliche Intelligenz beim wissenschaftlichen Schreiben bezieht sich vor allem auf KI-Schreibtools, die auf großen Sprachmodellen (Large Language Models) basieren. Sie wurden "anhand riesiger Textkorpora trainiert […], um sprachliche Wahrscheinlichkeiten statistisch berechnen und generieren zu können" (Limburg et al. S. 3). Neben dem prominenten Beispiel ChatGPT gibt es aber auch "KI-basierte Anwendungen zur Recherche, Lektüre, Übersetzung und für andere schreibbezogene Tätigkeiten" (ebd.), die im Rahmen dieser Guten Frage nicht näher betrachtet werden. Der Fokus liegt auf textgenerierenden KI-Anwendungen.
Wandel und Veränderung finden ja bekanntlich außerhalb unserer Komfortzone statt (“You never change your life until you step out of your comfort zone; change begins at the end of your comfort zone.” Roy T. Bennett). So ist es auch beim wissenschaftlichen Schreiben. In den letzten Jahrzehnten haben sich bestimmte Traditionen und Prozesse zum Verfassen aller möglichen Texten etabliert. Mit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 betritt jetzt ein Werkzeug die Sphäre der Hochschule, das enormes Potenzial für Veränderung mit sich bringt. Reaktionen und Meinungen auf die Auswirkungen auf (nicht nur) die Hochschullehre und das wissenschaftliche Schreiben polarisieren zwischen Utopie und Dystopie. Nachfolgend soll eine positive Perspektive eingenommen werden, welche die Möglichkeiten zur Unterstützung des (studentischen) Schreibprozesses mit künstlicher Intelligenz aufzeigt. Die Herausforderungen und Probleme im Umgang mit KI-Anwendungen sollen dabei nicht ignoriert werden, stehen hier aber nicht im Vordergrund.
1. Inspiration
Textgenerierende KI-Anwendungen bieten den großen Vorteil, dass sie ein unendlicher Quell an Inspiration sind. Da z. B. ChatGPT nie den gleichen Text zweimal ausgibt, sondern es immer neue Formulierungen und Antworten auf die gleichen Fragen findet, kann man sich so verschiedene Versionen ausgeben lassen, mit denen weitergearbeitet werden kann.
2. Sprachliche Kompetenz
Die ausformulierten Texte der KI-Anwendungen sind in vielen Sprachen oft so gut wie fehlerfrei und werden immer besser und differenzierter. So können sich Schreibende auf den Inhalt, die Argumentation und die Fakten (die sogenannten Higher Order Concerns) konzentrieren und der KI die erste Ausformulierung oder Umformulierungen überlassen.
Außerdem kann die Sprachkorrektur von KI-Anwendungen unterstützt werden.
3. Individuelles Feedback
Die Anzahl der Studierenden an deutschen Hochschulen steigt schneller als die Anzahl der Lehrenden, die deren Texte bewerten sollen. Schreibende können sich von KI-Anwendungen Feedback auf die eigenen Texte geben lassen. Wenn Lehrende bereits zu Beginn des Schreibprozesses Bewertungskriterien mit den Studierenden teilen, dann kann das KI-Feedback dazu beitragen, die Texte gezielt zu verbessern.
4. Gesprächspartner:in & Anregung zum kritischen Denken
Der Austausch über den eigenen Text ist ein wichtiger Bestandteil im Schreibprozess. Mit KI-Anwendungen haben wir nicht nur die Möglichkeit, uns Feedback auf den Text geben zu lassen, sondern wir können uns auch mit ihr über den Text unterhalten. Es können Fragen zum eigenen Text gestellt werden, die z. B. die Argumentation oder den roten Faden hinterfragen. Die darauf gegebene Antwort hinterfragen wir selbst nochmal, bevor wir den Input nutzen, um den eigenen Text verbessern. Möglicherweise werden neue Perspektiven aufgezeigt, die bisher im Text noch nicht beachtet wurden. Das Ergebnis können "sehr viel durchdachtere, differenziertere, besser begründete, am Ende also im akademischen Sinne bessere Texte" sein (Limburg et al., S. 14).
Da das Gespräch mit der KI-Anwendung schriftlich stattfindet, kann so auch der Entstehungsprozess des Textes transparent nachvollzogen und reflektiert werden.
KI-Anwendungen können vielfältig im Schreibprozess unterstützen und durch stetige Weiterentwicklungen wird es in Zukunft auch viele neue Möglichkeiten geben. Aber schon heute darf ihr Potenzial nicht außer Acht gelassen werden und alle, die wissenschaftliche Texte schreiben, müssen sich mit KI-Anwendungen auseinandersetzen. Die (hier sehr kurze) vielschichtige Betrachtung von künstlicher Intelligenz im Zusammenhang mit dem Schreiben "bietet [...] Grund zum Optimismus, da sie deutlich macht, dass die Zukunft […] nicht deterministisch vorprogrammiert ist, sondern vielmehr Handlungsmöglichkeiten […] eröffnet (ebd., S. 19). In einer uneingeschränkt utopischen Perspektive kann "die Bedeutung des wissenschaftlichen Schreibens […] also durch die Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz gestärkt werden, zum Besten der Weltgemeinschaft und zur Lösung komplexer, globaler Probleme wie etwa dem Klimawandel." (ebd.)
Literatur:
Limburg, A., Bohle-Jurok, U. , Buck, I., Grieshammer, E., Gröpler, J., Knorr, D., Mundorf, M., Schindler, K., Wilder, N. (2023). Zehn Thesen zur Zukunft des wissenschaftlichen Schreibens. Diskussionspapier Nr. 23. Berlin: Hochschulforum Digitalisierung.
Referentin für Schreibdidaktik
NamePaulina Hösl
Projekt sTUDy smart, Expertin für KI-gestützte Schreibprozesse
Eine verschlüsselte E-Mail über das SecureMail-Portal versenden (nur für TUD-externe Personen).
Schreibzentrum der TU Dresden
Schreibzentrum der TU Dresden
Besuchsadresse:
Fritz-Foerster-Bau, Raum 108 Mommsenstr. 6
01069 Dresden
Dieser Beitrag erschien anlässlich des Schreibzentrumsnewsletters im August 2023. Diese und weitere Newsletterausgaben sind im Newsletter-Archiv des Schreibzentrums verlinkt.
Schreibzentrum der TU Dresden
Eine verschlüsselte E-Mail über das SecureMail-Portal versenden (nur für TUD-externe Personen).
Besuchsadresse:
Fritz-Foerster-Bau, Raum 108 Mommsenstr. 6
01069 Dresden
Postadresse:
Technische Universität Dresden
Zentrum für Weiterbildung/
Schreibzentrum der TU Dresden
01062 Dresden
Das Schreibzentrum der TU Dresden (SZD) unterstützt Studierende und Lehrende mit Angeboten zum Planen und Schreiben verschiedener Texte im Studium wie Belege, Protokolle, Seminar- und Abschlussarbeiten und zur Vermittlung des akademischen Schreibens in Lehre und Betreuung. Alle Informationen zu Angeboten und Möglichkeiten der Unterstützung sind in den Bereichen für Studierende und Lehrende zu finden.