24.02.2022
Steile These: Erwartungshaltungen in der Prüfungsphase sind oft unrealistisch
Mein idealtypisches Ich in der Prüfungszeit: Hermine Granger – wissbegierig, strukturiert, leicht hochnäsig aufgrund des eklatanten Wissensvorsprungs und mit Zusammenfassungen ausgestattet, um die sich meine Mitstreiter:innen reißen.
Mein realtypisches Ich in der Prüfungszeit: Ronald Weasley – chronisch schlecht gelaunt, immer auf der Suche nach der eigenen Motivation, leicht panisch aufgrund der ablaufenden Zeit sowie der näher rückenden Deadline und häufiger schlafend in der Bibliothek aufzufinden.
Tatsächlich kann man sagen: Studierende haben manchmal unrealistische Selbstwirksamkeitserwartungen an sich selbst in der Prüfungsphase (Pütz 2021, S. 114). Immerhin konnte selbst Hermine diese Zeit nur mit Hilfe einer magischen Zeitreise-Uhr bewältigen.
Das soll natürlich niemanden entmutigen und auch nicht dazu einladen, sich keine Mühe mehr zu geben - Ein Studium soll und muss einen selbst auch fordern, sonst bräuchten wir schließlich nicht studieren. Trotzdem sollten wir alle möglichst weiterhin versuchen negativen Stress im Studium zu vermeiden, zum Beispiel durch eine realistische Zeitplanung. (Wie du einen halbwegs realistischen Zeit- und Schreibplan aufstellen kannst, erklärt Robert im Beitrag zur Guten Frage.) Wenn einen aber in der Prüfungsphase trotz aller Bemühungen der Stress einholt, ist das keinesfalls ein Zeichen von persönlichem Versagen. Im Gegenteil: Laut der Studie Gesundheit Studierender in Deutschland 2017 (Grützmacher et al. 2018) leidet rund ein Viertel aller Studierenden an Stress. Eine 2016 vom AOK Bundesverband herausgegebene Studie legt zudem ebenso nahe, dass die Prüfungszeit der größte Stressauslöser sei – sogar noch vor den Abschlussarbeiten - und Stress mit Leistungs- und Erwartungsdruck verbunden werde. Mit diesem Problem ist also kein:e Studierende:r allein.
Doch jetzt mal Butter bei die Fische: Woher können Erwartungshaltungen, die zu Stress führen, überhaupt kommen? Aus unserem Selbstwertgefühl heraus - beziehungsweise der Angst, dass wir es eben nicht wert sind und nicht können ( Metzig & Schuster 2018, S. 3-5). Es klingt logisch: Wer entspannt und mit guten Ergebnissen durch die Prüfungen kommt, ist erfolgreich im Studium - und erfolgreich im Leben. Man sieht sich selbst hochmotiviert vor dem inneren Auge lernen, büffeln, Prüfungen absolvieren. Doch dann kommt der Abgleich mit der Realität und man stellt fest: „Läuft nicht bei mir!“
Dabei ist es auch in Ordnung, wenn es mal nicht läuft, und wir alle kennen das. Zu viel Leistungsdruck kann zu einer richtigen Belastung werden. Das ist gerade in Phasen, in denen wir maximal produktiv sein sollten, schwierig und endet häufig in neuen Selbstvorwürfen und Frust.
Deswegen sollten wir unsere Leistungsansprüche kritisch hinterfragen. Eine schlechte Leistung muss kein Zeichen von Schwäche sein. Schließlich ist sie auch oft abhängig von der eigenen Tagesform und anderen äußeren Faktoren.
Also wie entkommt man diesem Dilemma? Manchmal hilft ein Blick in die Zukunft, indem man sich die Frage stellt: „Ist das in 10 Jahren noch wichtig?“ Ganz konkret bedeutet das, sich in der stressigen Phase zu fragen: Ist es jetzt zum Beispiel relevant für mich, meine Zusammenfassung piccobello farbig auszugestalten? Müssen es wirklich 5 Stunden in der Bib sein, oder tun es 2 Stunden vielleicht auch?
Denn in 10 Jahren erinnern wir uns sicher nicht mehr an jeden Krisenmoment, sondern nur an das Endresultat: unseren Abschluss!
Das war nun nicht die Anleitung, um sich in eine Hermine Granger zu verwandeln. Ganz im Gegenteil: Das war das Plädoyer dafür, das gar nicht erst anstreben zu wollen! Denn mal ehrlich: NIEMAND ist wie Hermine Granger – nicht mal Emma Watson!
Du suchst Unterstützung, um Stress während intensiver Schreib -oder Prüfungsphasen zu bewältigen oder dich in einer ruhigeren Phase mit deinen Stressoren auseinanderzusetzen? Dann kann dir unser Selbstlernkurs "Stressenziell" auf OPAL weiterhelfen. Außerdem kannst du zur Unterstützung bei Stress mit Schreibarbeiten jederzeit eine Schreibberatung buchen (für Studierende kostenfrei), weitere Informationen dazu findest du auf unserer Webseite zur Schreibberatung. Und wenn du merkst, dass dir eigentlich alles zu viel ist oder du ein Gespräch ganz konkret zu Stress suchst, dann wende dich vertrauensvoll an die Zentrale Studienberatung der TU Dresden oder die Psychosoziale Beratungsstelle im Studentenwerk Dresden.
zur Autorin: Christina arbeitet seit Anfang 2020 für das Schreibzentrum. Dort unterstützt sie in der Öffentlichkeitsarbeit, v. a. auf social media. Außerdem organisiert sie Veranstaltungen, wie z. B. den Schreibmarathon. Im März wird Christina ihren Bachelor in Politikwissenschaft an der TU Dresden abschließen.
Mitarbeit und Redaktion: Annica Kramer
Studentische Hilfskraft
NameChristina Ullrich
Unterstützung e-Learning & Social Media
Eine verschlüsselte E-Mail über das SecureMail-Portal versenden (nur für TUD-externe Personen).
Studentische Hilfskraft
NameAnnica Kramer
Schreibberatung, Unterstützung Öffentlichkeitsarbeit
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Literatur:
- AOK Bundesverband (Hrsg.). (2016). Studierendenstress in Deutschland – eine empirische Untersuchung. Studie online auf der Webseite der Universität Heidelberg (22.02.2022).
- Femers-Koch, S. (2021). Biografisches und Kreatives Schreiben gegen Prüfungsangst: Ein theoretisches und methodisches Rahmenkonzept. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. Online-Ausgabe über die SLUB.
- Fricke, M. (2017). Wenn Perfektionismus zur Last wird. In: SPIEGEL Online. Online auf https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/perfektionismus-wenn-der-hohe-selbstanspruch-zur-last-wird-a-1161036.html. (22.02.2022).
- Grützmacher, J, Gusy, B, Lesener, T.,Sudheimer, S., Willige, J. (2018). Gesundheit Studierender in Deutschland 2017. Ein Kooperationsprojekt zwischen dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, der Freien Universität Berlin und der Techniker Krankenkasse. Studie online im Webbereich der TK verfügbar (22.02.2022).
- Metzig, W. & Schuster, M. (2018). Prüfungsangst und Lampenfieber: Bewertungssituationen vorbereiten und meistern. (5., aktualisierte Aufl.). Berlin: Springer. Online-Ausgabe über die SLUB.
- Pütz, A. (2021). Stressbewältigung bei Studierenden in den Anfangssemestern. Evaluation einer psychologischen Intervention. Logos Verlag Berlin.
Dieser Beitrag erschien anlässlich des Schreibzentrumsnewsletters im Februar 2022. Diese und weitere Newsletterausgaben sind im Newsletter-Archiv des Schreibzentrums verlinkt.
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